Oberösterreich, 24. Jahrgang, Heft 4, 1974

den Gründen auch nicht. Einer der Hauptgründe war und ist, daß das Orchester rund 70 Prozent seiner Tätig keit dem Theater widmet. Eine Entiassung des Kiangkörpers aus der Dienst hoheit des Landes hätte daher zweifelios die Dispositionsmöglichkeiten des Thea ters stark eingeschränkt und dem Unter nehmen auf der Promenade neue, zu sätzliche Schwierigkeiten gebracht. Man darf ja nicht vergessen, daß ein Drei spartenbetrieb mit seinem aus Sparsam keitsgründen knapp bemessenen Perso naistand, seinen Gastspielverpflichtungen und vor allem mit seinem groß ausge bauten Abonnementsystem iangfristige und sehr genau erarbeitete terminiiche und personeile Dispositionen verlangt, die, sobaid sie einmal getroffen sind, keinen Spieiraum mehr für zusätziiche Wünsche offen iassen. Auch Änderungen sind dann nur noch schwer mögiich, weil sie in dem komplizierten Mechanismus eine Fülle von Foigewirkungen aus lösen. Daraus ergibt sich wohl zwingend, daß es der Veranstaitungsgeselischaft der Stadt Linz, die das Bruckner-Orche ster pro Spielzeit zehnmal beansprucht, eher zugemutet werden kann, sich nach den vorhandenen Dispositionsmögiichkeiten zu richten, als dem Theater, das die Musiker im Laufe einer Spielzeit rund 240mal einsetzt. Um die Schwierigkeiten, die sich für ein Theater mit einer musi kalischen Sparte ergeben könnten, wenn ihm kein eigenes Orchester zur Ver fügung steht, hat man auch in der Kriegs zeit gewußt, ansonsten wäre es kaum notwendig gewesen, neben dem großen städtischen Symphonieorchester ein Theaterorchester bestehen zu iassen. Es war auch zu überlegen, ob sich das musikalische Programm des Landes oder das der Stadt stärker an den Einsatz des Bruckner-Orchesters bindet. Da es weder in den Intentionen des Landes noch der Stadt gelegen war, das Bruckner-Orche ster zu einem großen Reiseorchester zu machen, mußte dieses Programm in erster Linie auf Linz und Oberösterreich abge stimmt sein. Nach Abiauf der ersten Sai son im Brucknerhaus kann nun bereits ein Überblick über das Konzept der LIVA ge wonnen werden. Es sieht vor, Linz an die internationale Musikwelt heranzuführen, indem alle jene Orchester, kleineren Ensembles und Solisten für Gastkonzerte in Linz gewonnen werden, die internatio nale Anerkennung besitzen. In diesem Konzept hat auch das Bruckner-Orche ster Platz, das jeweils für zehn Konzerte engagiert wird. Die Überlegungen über eine Kommunaiisierung des Orchesters haben sich je doch damit von selbst erledigt, denn aliein schon der ümfang des Einsatzes im Rahmen der Stadt Linz bzw. der LIVA spricht dagegen. Anders sieht das musikalische Konzept des Landes aus. Das Land braucht, wie mehrfach dargelegt, schon deswegen ein Orchester, weil es ein Theater besitzt. Aber es braucht nicht nur ein Orchester für das Theater, sondern ein Orchester, das zugleich in der Lage ist, die steigen den Verpflichtungen auf dem Konzert sektor zu übernehmen. Das Bruckner orchester hat ja seibstverständlicherweise neben dem Theaterdienst auch die Aufgaben im Rahmen des Konzertprogrammes der Stadt Linz zu erfüllen. Es soll wie bisher von Fremdveranstaitern, wie etwa dem Brucknerbund, der Sing akademie, der Arbeiterkammer usw., in Anspruch genommen werden können; es soll bei repräsentativen Anlässen ein setzbar sein und in verstärktem Maße für Gastkonzerte in den verschiedenen oberösterreichischen Städten zur Ver fügung stehen. Man hat in den letzten Jahren ein zunehmendes Interesse an Konzerten in unseren Städten registrie ren können und hält es aus diesem Grund für eine kulturelle Aufgabe, den von dort kommenden vermehrten Wün schen Rechnung zu tragen. Es ist be greiflich, daß diese musikalische Be treuung in unseren Städten nicht immer mit dem Gesamtorchester mögiich ist. Weder der Terminkalender des Orche sters noch die in unseren Städten vor handenen Saalverhältnisse noch letztlich die finanziellen Erfordernisse werden dies zulassen. Es ist daher vorgesehen, vor allem in kleineren Besetzungen, etwa in Kammermusikstärke, in die Städte zu reisen. Mit dieser Initiative, die übrigens nicht neu, sondern bereits im Konzept von Prof. Wöss enthalten ist, soll jedoch den Bestrebungen des Brucknerhausmanagements, auch die ländliche Bevölkerung für den Besuch von Konzerten im neuen Gebäude an der Unteren Donaulände zu gewinnen, keinesfalls entgegengewirkt werden. Wie man auf dem Sektor des Theaters aus Erfahrung weiß, haben beide Methoden nebeneinader Platz; jene, die in Form von Abonnements die Bevölkerung in das Landestheater bringt und jene, die in Form von Gastspielen das Landes theater in einzelne Landesteile führt. Ja es liegt sogar auf der Hand, daß Gast spiele geeignet sind, neue Schichten für das Theater zu gewinnen. Ohne Zweifel wird man mit der gleichen Entwicklung auf dem musikalischen Sektor rechnen können. Daß die Orchesterieitung über das hier angedeutete Programm hinaus bemüht sein wird, in besonderer Weise auch die Jugend anzusprechen, sei in diesem Zu sammenhang noch nachgetragen. Gang bare Wege sind hier bereits vorhanden. Ein so umfassendes Konzept setzt zu seiner Verwirklichung natürlich geeignete Maßnahmen voraus. Vor allem müssen zwei Voraussetzungen erfüllt werden, sollen die Bemühungen Aussicht auf Er folg haben. Zunächst muß dem Orche ster eine künstlerische Leitung vorstehen, die durch ihre Anerkennung in der Fach weit des In- und Auslandes der weiteren qualitativen Aufwärtsentwicklung des Klangkörpers dienlich sein kann. Diese Forderung gewann insofern besondere Aktualität, als Prof. Wöss mit Wirkung vom 15. August 1974 von seiner Funktion als künstlerischer Leiter des BrucknerOrchesters schied. Die Beendigung des Vertragsverhältnisses mit Prof. Wöss stellte das Land vor die Notwendigkeit, wieder einen bedeutenden Dirigenten zu gewinnen. Mit der Berufung von Theodor Guschlbauer gelang es, eine Persönlich keit nach Linz zu ziehen, die nicht nur einen Stillstand der Entwicklung zu ver hindern, sondern den Weg des Orche sters im Sinne der neuen Zielsetzung weiterzuführen vermag. Seine bisherige vielseitige Tätigkeit als Dirigent, seine Arbeit mit vielen erstrangigen in- und ausländischen Orchestern und vor allem seine Erfolge berechtigen zu großen Hoffnungen in bezug auf die kommende Entwicklung des Bruckner-Orchesters. Und wer das Orchester gerecht zu be urteilen gewillt ist, wird zugeben, daß in ihm durchaus die Kraft steckt, auch hoch gespannte Erwartungen zu erfüllen. Dies ist aber auch notwendig, will es in dem im Brucknerhaus möglichen ständigen Vergleich mit hochqualifizierten Klang körpern zufriedenstellend abschneiden. Der zweite, gieichfaiis außerordentlich wichtige Schritt betrifft die Aufstockung des Orchesters auf jene zahlenmäßige Stärke, die die Durchführung von zwei musikalischen Programmen an einem Abend ermöglicht. Ais Ziel wurde ein Stand von 96 Musikern angegeben. Diese quantitative Aufstockung wurde von sel ten der oö. Landesregierung bereits ge nehmigt. Freilich ist eine derartige Auf stockung nicht nur als musikalisch künstlerisches Problem zu sehen, auch

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