Oberösterreich, 24. Jahrgang, Heft 3, 1974

Wirtschaft und Fremdenverkehr Stein — und doch lebendig Alfred J. Waldbauer „Monumental und graziös, prunkend oder zeitlos elegant — der Stein hat viele Gesichter. Er hat sie durch die Formung, die ihm der Steinmetz gibt. Wie seit Jahrtausenden auch heute. Genau das, und einen Überblick über die vielen Ver wendungsmöglichkeiten des Natursteins, zeigt die Sonderschau ,Lebendiger Stein' in der Linzer Handelskammer". Diese Sätze, von einem offenbar beeindruck ten Berichterstatter als Einleitung für eine Bild-Reportage geschrieben, cha rakterisieren recht treffend den Gesamt eindruck, den diese heuer im April und Mai durchgeführte Ausstellung der oberösterreichischen Handelskammer vermit telte. Den Veranstaltern — Wirtschaftsförderungslnstltut und oö. Landesinnung der Steinmetzen sowie Bundesinnung - ge lang unter der architektonischen Be treuung von Innenarchitekt Erika Mlllet eine Konzeption, das in seiner optischen Erscheinungsform die natürlicheSchwereWirkung des Natursteins beseitigte und der dauerhaften Wuchtigkeit dieses Stof fes eine freundliche, lebendig-bewegte Ausstrahlung verlieh. Weshalb dies er wähnenswert ist? Nun, weil eines der wichtigsten Ziele, das sich die Stein metzen mit dieser Demonstration setzten, in der einprägsamen Aussage bestand, daß bearbeiteter Naturstein kein erstarr tes Luxuszeichen, sondern ein echter — und noch dazu guter — Bau- und Werk stoff ist. Das mußte, vor allem für die sicher nicht wenigen voreingenommenen Besucher, mit Beispielen belegt werden. Dies geschah auch mit verblüffend viel artigen Exponaten. Erstaunlich, was dieser Rohstoff alles ,,kann", mußte sich der Betrachter bei einem Ausstellungsrundgang denken. Kunstvolle Rosetten und Steinornamente von Kirchenbauten wiesen In eine histori sche Richtung und auch darauf, wie sehr seit vielen Jahrhunderten das Steinmetz handwerk Kunstschaffen und Kultur — nicht nur — in unserem Land wesentlich mitprägt. Diese Nähe zum künstlerischen Gestalten mit oft fiießenden Grenzen zwischen beiden Bereichen ist seit jeher der Grund dafür, daß die Steinmetzen ein eigener Nimbus umgibt und ihr Wer ken aus der händischen Arbeit der Ge werbe heraushebt. Dennoch wäre es ver fehlt, den Steinmetz von heute gewisser maßen mit dem Lesebuch-Handwerker von gestern gleichzusetzen, der sein Ar beitsleben schwer schuftend inmitten von Materialungetümen verbringt und dessen Rücken früh gebeugt Ist von der berufs bedingten, Immer wieder notwendigen Anwendung menschlicher Rohkraft. So mag es einmal gewesen sein. Heute ist dies anders. In einem ständigen Me chanisierungsprozeß verfügen die Betrie be unserer Zeit über viele maschinelle Arbeltshilfen, motorgetriebene Geräte und Werkzeuge — die moderne Technik brachte auch den Menschen dieser Wirt schaftssparte große Erleichterungen in der Berufsausübung. Daß die technischen Hilfsmittel, insbesondere bei ,,kleinfor matigen" Präzisionsarbeiten in Stein, mit Erfolg eingesetzt werden, wurde in der Handelskammer-Ausstellung eindrucks voll bewiesen. Ein breites Spektrum der Anwendungs und Verwendungsmöglichkeiten des Na tursteins wurde mit Schaustücken oder Photomontagen ersichtlich gemacht. Fast unerschöpflich erschien die Materialviel falt: eine große Wand der Schauräume und eigens für diesen Zweck adaptierte, viereckige Säulen wurden mit etwa einen Quadratmeter großen, polierten Platten — Insgesamt an die 100 - verkleidet. deren Namensbezeichnung und Her kunftsangabe einen interessanten Quer schnitt durch die in- und ausländische Materialgewinnung vermittelten. Faszi nierend dabei auch die an die Qberfläche geholten, unterschiedlichen Struk turen und Farbnuancen der Steine, die in dieser Form sozusagen ein Großange bot für Bauinteressenten darstellten - man konnte sich unschwer vorstellen, wie diese Platten am Boden oder an der Wand verlegt,,wirken". Diese Verwendungsform ist seit altersher gebräuchlich und wird jetzt zunehmend von modernen Bauherren wiederentdeckt. Auch für andere Teilbereiche der Innen gestaltung wird mehr und mehr auf stei nerne Elemente zurückgegriffen. In der Sonderschau waren Musterbeispiele da für zu sehen: marmorne Bänke und Sim se, Fensterstockeinfassungen und Ka minverkleidungen aus roh belassenem oder fein geschliffenem Granit, und sogar eine Treppenkonstruktion. Was schon bei diesen Arbeitsproben auch von Nicht Fachleuten festgestellt wurde, nämlich die sorgfältige und genaue Fertigung, war - In vielleicht noch gesteigerter Per fektion - auch bei den ausgestellten Ge brauchsgegenständen auffallend. Die Palette dieser Dinge war bemer kenswert groß und manchmal überra schend, weil viele Besucher sicher nicht wußten, was heutzutage alles aus Stein hergestellt werden kann. Bewunderung fanden dabei auch von der Formgebung her Vasen in verschiedenen Größen und gedrechselt wirkende Standfüße für Steh lampen. Interessant war ferner die ge zeigte Rauchergarnitur mit Feuerzeug, Tabakdose, Zigarettenbehälter und Aschenbecher — alles aus Stein. In diese ,,Kleinkunst" gehörten noch Schalen für Qbst oder Konfekt. Alles in allem ein Nach einer vorskizzierten Form ,,schält" der Steinmetz aus einem klobigen Brocken Statuen. 54

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