Oberösterreich, 24. Jahrgang, Heft 3, 1974

Kaum veränderte Naturlandschaft im Skigebiet des Linzerhauses auf der Wurzeralm, im Hintergrund die Berghäupter von Ramesch und Warscheneck. Foto: Poduschka Oben: Die Mühl bei Haslach — Kultur landschaft: Harmonie von traditioneller Siedlung und Natur. Unten: Die Waldaist: Kulturlandschaft mit stark naturhaften Zügen (Waldränder und Flußufer sind In unserer Zelt besonders von der Zersledelung bedroht). M geprägten Lebensstil, der Freudlosigkeit der endlos wachsenden Beton- und As phaltwüsten entfliehen konnte, tat es. Unter großen finanziellen Opfern begann die panische Flucht in die Natur hinaus, die man doch sehr liebte. Es war eine Liebe, die mit der Zerstörung des ge liebten Objektes endete. Zu der großen Gruppe von Städtern, die ein echtes und legales Bedürfnis zur Flucht aufs Land und nach besseren Lebensverhältnissen vorzuweisen hat, gesellt sich eine zweite Gruppe. Es ist die nicht unbeträcht liche Zahl jener Mitbürger, die ihre wirt schaftliche Potenz durch möglichst auf fällige und aufwendige Bungalows de monstrieren wollen, die sie mitten in die Natur, am liebsten in Schutzzonen, set zen. In vielen Fällen betrügen sich beide Gruppen bereitwilligst selbst. Man hat ein Alibi dafür, daß man sich den bar barischen Qualitätsverschlechterungen des Lebens in der Stadt nicht zum Kampfe stellt. Ja, wir haben doch unsere Ausweichmöglichkeit,sagt man sich. Nicht aber wird bedacht, wie wenig oft man Zeit genug hat, um dort wirklich zu leben und wieviel Fahrzeit aufgewendet werden muß. In Hast wird am Wochen ende — es ist oft sehr kurz, weil viele Kinder erst Samstag mittag die Schule verlassen — alles zusammengeholt, was man draußen braucht. Die abgehetzte, vielleicht auch berufstätige Hausfrau kauft rasch Lebensmittel und Putzmittel ein, denn sie hat nun das Privileg, für zwei Haushalte zu arbeiten. Der Mann kümmert sich um Nägel, Schrauben, Heimwerkermaschinen, Baumaterialien, Pflanzen, Gartengeräte. Die Liste endet im Endlosen. Bereits ab Freitag mittag ist ein hysterischer, übereiliger Fahrstil im städtischen Straßenverkehr unver kennbar. Ebenso ist eine streßgeladene Stimmung unter den Einkaufswütigen nicht zu übersehen. Der Kampf mit dem Revolver um einen Parkplatz beim Ein kaufen scheint nicht allzu fern. Nun setzt sich die Karawane Richtung zersiedelte Landschaft in Bewegung. Ist die Fronar beit im Zweitheim am Sonntag abend beendet, beginnt die Hast des Einpak kens und mit einem Zettel, der die zu beschaffenden Sachen und Arbeiten fürs nächste Wochenende festhält, ordnet man sich in die Blechlawine ein, die unter die heimische Gift- und Dunstglocke zu rückrollt. Erwachsene und Kinder erdul den wieder eine Woche die inferioren Lebensqualitäten. Es ist eine Grundtat sache, die schon im Bibelspruche: ,,wenn das am grünen Holze geschieht" festge nagelt ist, daß heranwachsendes Leben, also die Kinder, viel entscheidender und unwiderruflicher geschädigt werden. Vollends chancenlos sind die sozial Un terprivilegierten, die Mindestrentner, Kranken, Alten, Leute ohne Auto, Be wohner von Häusern an verkehrsreichen Straßenzügen. Man sieht sie kaum, die Rechts oben: Donau-Au: Im Schwinden begriffene naturhafte Landschaft, die entlang der Flachstrecken der Donau durch die Technisierung unserer Zeit besonders bedroht ist. 52

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