Oberösterreich, 24. Jahrgang, Heft 3, 1974

Franz Jakob Schwanthaler; Ölbergchristus, 1795, Lindenholz, Gesamthöhe 184 cm, München, röm.-kath, Stadtpfarrkirche St. Peter. Foto: M. Eiersebner Jahrhundert aufwuchsen und in unserem jetzigen leben und sterben müssen. Geburtsort Franz Jakobs Ist Ried Im Innkreis. Er wuchs dort In der Tradition seiner Familie auf, erlebte die Werkstätte seines Vaters Johann Peter des Älteren. Für kurze Zelt Ist er In Gmunden bei Johann Georg nachzuweisen, er lernte auch In Salzburg, um 1780 Ist er noch In seiner Geburtsheimat anzunehmen. Aus dieser Zelt vermutet man seine Mit arbeit an einem Altarwerk für den Hoch altar In der Pfarrkirche St. Martin Im Innkreis. Welche Beweggründe Ihn nach Augs burg und schließlich nach München führ ten, Ist unbekannt. Einige Faktoren dürf ten zusammengespielt haben. Der kirch liche Auftrag wurde bereits vom Josephlnlsmus abgekühlt. Die theatralische, ge mütstiefe Geisteswelt des Barocks neigte sich Ihrem Ende zu. Volksfrömmigkeit wurde von der modernen Ratio abgelöst. Das Denken der Zelt wird sachlicher, nüchterner. Ja, die neue Generation emp findet deutlichen Abstand zum Glanz und Gloria der Vätergeneration. Vorbei Ist der Glaube an die triumphierende Kirche der Gegenreformation, vorbei Ist auch das Kreuzzugldeal der Türkenkriege. Damit verslegten die barocken Monsteraufträge. Der Künstler mußte nach neuen Er werbsquellen suchen. Zum anderen wurde damals das Inn viertel österreichisch, 1779 — Teschener Friede! Vielleicht mag auch diese ver änderte politische Lage Ihn bewegt ha ben, den Standort seines Lebens und Schaffens zu verlagern. Es werden aber auch an die Ausbildung des Künstlers neue Maßstäbe angelegt. Der akademi sche Unterricht kommt auf. Das Hand werk hat für den Künstler keinen golde nen Boden mehr. So studiert Franz Ja kob an der Akademie In Augsburg und beschließt seine Ausbildung um die Jahr hundertwende bei dem Münchener Hof bildhauer Roman Anton Boos. Das neue München mit seinen grandlosen KunstIdeen, genährt Im Boden einer aufkei menden Machtkunst, zieht Ihn an, macht Ihn zum städtischen Bildhauer, der Denk mäler Im Sinne der Klassizlsten schafft. Es waren also von Grund auf veränderte Lebens- und Kunstverhältnisse, In die Ludwig Franz, erst später legte er sich als zweiten Vornamen Michael nach sei nem Taufpaten zu, hineingeboren wurde. Er wuchs In einer Familie mit sieben Kindern auf. Sein Vater starb, als er bereits einen ausgeprägten Lebensweg vor sich sah. Ludwig Michael Schwanthaler wurde am 26. August 1802 geboren, 1824 erhielt er seinen ersten bedeutenden Auftrag. Das deutsche Geistesleben stand damals Im Zeichen eines begeisternden Höhen fluges. Von 1794—1805 datiert man den Freundschaftsbund zwischen Goethe und Schiller und bezeichnet diese Perlode als Höhepunkt der literarischen Klassik, die In der bildenden Kunst von Griechen sehnsucht und klassizistischem KunstIdeal begleitet wurde. Parallel dazu hatte die literarische Romantik Ihren kurzen, aber Intensiven Höhenflug. Maß der Ra tio und Überschwang des Gefühls er füllten Greise und Jünglinge dieser Zelt mit einem Feueratem sondergleichen. WInckelmann als Klassiker und TIeck sowie Wackenroder als Romantiker setz ten mit Ihren programmatischen Schrif ten Ideale Maßstäbe. Man sammelte die Zeugnisse der Antike und gleichzeitig die sprachlichen und künstlerischen Zeug nisse des deutschen Mittelalters, der alt deutschen Kunst. Wiedererweckt wurden die klassischen Sprachen und die Volks sprachen. Als der junge Bildhauer In seinen schöpferischen Lebensweg ein trat, neigten sich beide Geistesrichtun gen Ihrem Alter zu, was ausgesät wurde, konnte nunmehr geerntet werden. Die Theorie wurde In die Praxis übertragen. Aus der Kunsttheorie von Johann Joachim WInckelmann, die das schöne 44

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