Oberösterreich, 24. Jahrgang, Heft 3, 1974

Historische Kunst FranzJakob und Ludwig Michael von Schwanthaier Otto Wutzel Mit dem Namen Schwanthaier verbindet sich für uns die Vorstellung barocker Plastik, barocker Volksfrömmigkeit, die Vorstellung von mächtigen Barockaltä ren im feierlichen Schwarz der Altarauf bauten und strahlenden Gold der Altar plastiken, der Heiligen und Engel, die diese theatralischen Gesamtkunstwerke überreich beleben. Wir denken aber auch an unzählige Kleinfiguren, an drama tische Kruzifixe, an freundliche Krippen in reinem Holzton, die beinahe in jedem älteren Familienbesitz des Innviertels zu finden sind. Und wir denken in diesem Jahr unwillkürlich auch an den barocken Rahmen, den man der Kunstausstellung des Landes Oberösterreich ,,Die Bild hauerfamilie Schwanthaier 1633—1848" Im Augustinerchorherrenstift Reichers berg am Inn — einem der liebenswerte sten Beispiele ländlicher Klosterkultur — gegeben hat. Dieser im Ausstellungstitel angedeutete zeitliche Bogen weist bereits darauf hin, daß wir offensichtlich mit dem Namen Schwanthaier aber auch andere Vorstel lungen kunststilistischer Art verbinden sollten. Es besteht ein Untertitel, der einen exakten Fingerzeig gibt: ,,Vom Barock zum Klassizismus." Als eines der ersten wissenschaftlichen Ergebnisse dieser Ausstellung steht heute bereits fest, daß dieser Untertitel auf die Formu lierung ,,Vom Barock über den Klassizis mus zur Romantik" ausgeweitet werden müßte. Das kunstbiologische Phänomen der Bildhauerfamilie Schwanthaier darf nach der Reichersberger Ausstellung als be kannt vorausgesetzt werden. In sieben Generationen sind rund 21 aktive Künst ler zu nennen. Höhepunkte in dieser reichen Familientradition setzten Thomas für das Hochbarock und Johann Peter der Ältere für das Rokoko. An ihre Seite ist als dritter künstlerischer Gipfel Lud wig Michael von Schwanthaier zu stel len, der stilistisch dem Klassizismus, aber auch der Romantik angehört. Schon vor der Ausstellung in Reichersberg wur de dieser Künstlername durch die For schungen von Karl Eidlinger und Frank Otten in das Licht unseres Interesses gerückt. Zu erwähnen ist hier vor allem die vorzügliche Publikation: Frank Otten — Karl Eidlinger, Ludwig Michael Schwanthaier 1802—1848, ein Bildhauer unter König Ludwig I. von Bayern, München 1970. - In Reichersberg wurde Ludwig Michael und seinem Vater eine eigene Abteilung gewidmet, sie machte uns eindringlich die Bedeutung dieses genialen Bildhauers bewußt, sie erinner te, daß der Enkel des Rokokobildhauers Johann Peter d. Älteren, also abstam mungsmäßig ein Innviertier, Mitgestalter des neuen München, eine zentrale Ge stalt der deutschen Romantik und des deutschen Klassizismus war. Es erscheint nun nicht nur kunstge schichtlich, sondern auch kunstsoziolo gisch wichtig, der Würdigung Ludwig Michaels die Lebensgeschichte seines Vaters voranzustellen: Franz Jakob Schwanthaier, Lebensdauer: 1760—1820, im Spätbarock geboren, als das Inn viertel noch bayerisch war, und in einem Jahr gestorben, da die abendländische Welt gänzlich verändert war, so grund legend verändert, wie etwa heute Men schen empfinden mögen, die im vorigen » »r* ■■ ' .5 43

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