Oberösterreich, 24. Jahrgang, Heft 3, 1974

Denkmalpflege Ein Schloß im 20.Jahrhundert Norbert B. Handel Was bewegt uns eigentlich, wenn wir plötzlich auf ein Schloß stoßen? An läßlich eines Ausflugs vielleicht. Oder auch gehetzt zwischen zwei Geschäfts terminen. Ist es die untrennbare Ver bindung des alten Bauwerkes mit der Natur? Die nahtlose Einbindung in eine Landschaft? Daß alles so aussieht, als ob es seit jeher so geplant gewesen wäre? Daß Betontürme, Glasfassaden und andere landschaftsstörende Elemen te nicht die Ausgewogenheit beeinträch tigen, die eine fest mit der Landschaft verankerte, förmlich in die Natur ge bettete alte Burg vermittelt? Oder spielt die Sehnsucht nach Ruhe, die es nicht mehr gibt (heute sagen wir Nostalgie), die Sehnsucht nach Beschau lichkeit (heute nennen wir sie Lebens qualität) die entscheidende Rolle? Oder auch, sprechen wir es ruhig aus, die Sehnsucht nach ein wenig Feudalismus, die Sehnsucht nach einem System, das zwar keine sozialen Nivellierungen kann te, das aber jedem seinen Platz in der Gesellschaft zuwies und damit Sicherheit gab? Wie dem auch sei, Schlösser und Burgen geben nicht nur Zeugnis von der Kultur der Menschen, die vor uns gelebt ha ben, von ihrer Wehrhaftigkeit, von ihrem bedingungslosen Einsatz für jene Werte, die sie als richtig erkannten, sondern sind darüber hinaus nicht wegzudenken de Bestandteile des Antlitzes unserer Heimat. Romantische Erinnerungen haben aber leider dann, wenn es um die Frage der Erhaltung geht, zu weichen. Es klingt für den, der es ist, fast pervers, wenn heute immer noch „Schloßbesitzer" mit ,,reich" assoziiert wird. Die Realität sieht anders aus. Nur wenige Besitzungen in Österreich sind heute groß genug, um jene Erträge zu bringen, die eine ent sprechende Erhaltung ihrer Burgen, Schiösser und Herrenhäuser echt mög lich machen. Diese wirtschaftliche Tat sache geht bedauerlicherweise vielfach Hand in Hand mit einer saft- und kraft losen Selbstaufgabe, die sich etwa an der Leitlinie orientiert ,,Das Schloß ist nicht zu halten". Ein Leitmotiv, das oft aus Fauiheit oder Ignoranz nur zu gern nachgebetet wird. Im übrigen leider oft auch von Körperschaften und Instituti onen, die durchaus renovierend tätig werden könnten. Daß diese Selbstauf gabe nicht nur die Baulichkeit, sondern die gesamte Lebenseinstellung betrifft, wird vielfach nicht zur Kenntnis genom men. Gerade in einer Zeit, in der Raum ordnung, Naturschutz, Umweltschutz so viel Platz eingeräumt wird und werden muß, in der der oft mit einem Schloß verbundene Gutsbesitz, sei er auch noch so klein, besonders in Landgemeinden immer noch entscheidend mit in die Pla nungsvorstellungen des Gemeinwesens einbezogen werden muß, hat Hand in Hand mit dem restaurativen Denken eine neue, zukunftsorientierte und sozial be wußte Dynamik einzusetzen, um eine Integration in unsere Zeit im weitesten Sinne zu ermöglichen. Es ist hier nicht der Raum, diese Gedanken weiterzuspinnen. Die Andeutung des Problem kreises, wenn sie recht verstanden wird, mag genügen. Neben verschiedenen bedeutenden Im pulsen, die in letzter Zeit, insbesondere ausgehend von der beispielhaften Revitalisierung des Schlosses Scharnstein unter seinem Besitzer Harald SeyrI von privater Seite her, unternommen wur den, ist seit rund 2 Jahren auch in Alm egg, ,,der Veste im Traunviertel", wie das Schloß heute noch in der ober österreichischen Landtafel bezeichnet wird, neues Leben eingezogen. Zur Zeit, als Karl der Große Ende des 8. Jahrhunderts die älteren Stammes herzogtümer beseitigte und eine frän kische Zentralgewalt errichtete, wurde in Almegg (Gemeinde Steinerkirchen/ Tr.) die erste Befestigung errichtet. Seit damals wird Almegg als ,,Veste an der Alben" (heute Alm) erwähnt. Die wech selvolle Geschichte drückt sich in zahlIreichen Stilelementen des Bauwerkes aus. Ein spätgotischer Arkadenhof, der schon stark die Renaissance erahnen läßt, barocke Einrichtungsgegenstände, so ein hochbarocker Kamin aus der Festung Salzburg, alte bemalte Leder tapeten aus dem 17. Jahrhundert, eine kleine Waffenhalle mit zahlreichen Waf fen vornehmlich aus der Bauernkriegszeit künden von den historischen Ereignis sen, die damals, im 17. Jahrhundert, Politik waren. Mit Scharnstein zusammen war Almegg eng mit der Geschichte des alten Rei ches verbunden. Im Dreißigjährigen Krieg war es Hort des Widerstandes des protestantischen Adels und der prote stantischen Bauern gegen die Fremd herrschaft der Bayern, denen Oberöster reich damals als Pfand für die Kriegs schulden des römischen Reiches deut scher Nation abgetreten werden mußte. Von einem häufigen Besitzerwechsel, der, wie in fast allen oberösterreichi schen Schlössern etwa ab 1750 einsetzte — bemerkenswerte Ausnahmen sind Clam, Altenhof und Sprinzenstein —, blieb auch Almegg nicht verschont. Erst in der 2. Hälfte des vorigen Jahr hunderts trat nach Erwerb des Schlosses durch Franz Freiherrn von Handel, des sen Nachkommen auch heute noch Almegg bewohnen, eine kontinuierliche Besitznachfolge ein. Der Verlust beinahe des gesamten Familienvermögens im Ersten Weltkrieg machte es unmöglich, in den vergangenen Jahrzehnten die laufend notwendige Renovierung des Hauses sicherzustellen. Auch hier schien es, als ob das Schloß ,,nicht zu halten" wäre. Erst in den letzten zwei Jahren konnte ein Konzept erstellt werden, das, wie sich heute schon zeigt, nicht nur realistisch war, sondern auch in einem Mehr-Stufen-Plan die Erhaltung der ge samten Anlage sicherstellt. Um den Revitalisierungsplan zu erläu tern, ist das grundsätzliche Verständnis der Zielvorsteilung notwendig. Nach den Absichten des Eigentümers seil ein Schloß wenn möglich auch heute noch familiär bewohnt sein und eine den ge änderten politischen Verhältnissen ent sprechende Rolle im Leben der dörf lichen Gemeinde spielen, die von der verantwortungsgeprägten Leistungsbe reitschaft des Schloßherrn in grundver34

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