Oberösterreich, 24. Jahrgang, Heft 3, 1974

Kirchliche Lehrerbildung in Seminar und Akademie Rupert Vieriinger I. Aligemeiner Überblick über die Entwick lung der österreichischen Lehrerbildung seit Maria Theresia. Nachdem die kirchliche Lehrerbildung in der Diözese Linz formal seit ihrer Ent stehung in die staatliche Schulentwick lung eingebunden gewesen ist, scheint es notwendig, zunächst den Weg von der Normalschule zur Akademie zu skiz zieren': Die österreichische Lehrerbildung für die Pfllchtschulen schreitet in Jahrhundert schritten voran. Von Maria Theresia (1740 bis 1780) wurde erstmalig die Not wendigkeit erkannt. Schulen für die brei ten Volksschichten zu schaffen. Linter dem Druck der im Gefolge neuer Wirtschaftstheorlen sich wandelnden Lebens verhältnisse und gesteuert von den Denk formen der Aufklärung, hat sie 1774 die „Allgemeine Schulordnung für die deut schen Normal-, Haupt- und Trivialschu len" geschaffen. Diese Schulordnung wurde gleichzeitig die „Stiftungsurkunde des österreichischen Volksschullehrerstandes"^, insofern der Normalschule die Aufgabe zugewiesen wurde, die Lehrer ausbildung für die Trivial- und Haupt schulen zu übernehmen. In alsbald drei monatigen Kursen wurden die lediglich in den Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen einigermaßen vorgebilde ten Bewerber theoretisch und praktisch „angelernt". Die durch Liberalisierung und Industriali sierung umstrukturierte Gesellschaft des 19. Jahrhunderts trat an die Schule mit neuen Aufträgen heran. Im Reichs-Volksschulgesetz von 1869 wurde gleichsam eine schöpferische Antwort gegeben. Nach der im Revolutionsjahr 1848 be schlossenen, aber nicht überall verwirk lichten Anhebung der Ausbildungszeit auf zwei Jahre brachte das Reichs-Volksschulgesetz die vierjährigen Lehrerbil dungsanstalten. Sie hatten die Lehrer für die auf acht Jahre erweiterten allgemei nen Volksschulen heranzubilden. Gelehrt wurden Erziehungs- und Unterrichtslehre sowie deren Geschichte, ein knapper Ab riß einiger Hilfswissenschaften der Päd agogik und die wichtigsten Gegenstände des damaligen mittleren Schulwesens,je doch keine Fremdsprachen. Als wesent liche Neuerung wurden an den Lehrer bildungsanstalten Übungsschulen ein gerichtet. Die organisatorische Ausprä gung dieser nominell vierjährigen, prak tisch aber seit der Einbeziehung der Vor bereitungsklasse (1883) fünfjährigen Leh rerbildungsanstalt blieb im wesentlichen bis an die Schwelle des zweiten Welt krieges unverändert. Die im Jahr 1937 beschlossene sechsjährige Lehrerakade mie (für die Altersstufe der 14- bis 20jährigen) konnte 1938 nicht fortgeführt wer den. Vielmehr führte der Nationalsozialis mus im ganzen Reichsgebiet die fünfjäh rige Lehrerbildungsanstalt nach österrei chischem Muster ein. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden in den Lehrplan der weiterhin fünfjährigen Lehrerbildungs stätte zwei obligate Fremdsprachen (La tein und eine lebende Fremdsprache)ein geführt. Die Absolventen des Jahres 1951 erwarben somit mit ihrem Reifezeugnis für das Lehramt an Volksschulen erst malig auch die Hochschuirelfe. Mittler weile war das Problem der Erneuerung der Lehrerbildung längst ein ,,über alle weltanschaulichen und politischen Aspekte hinausgewachsenes dringendes fachliches Zeitanliegen geworden"^. Im Schulorganisatlonsgesetz aus dem Jahre 1962 wurde schließlich die Einführung der Pädagogischen Akademien ab 1968 beschlossen. Damit hatte eine Diskussion ihren vorläu figen Abschluß gefunden, die schon zur Zelt des Inkrafttretens des Reichs-Volksschulgesetzes in Gang gekommen und bereits um die Jahrhundertwende zu kon kreten Vorschlägen gediehen war". In den nach dem ersten Weltkrieg (1919) aufgestellten ,,Leitsätzen zur Neugestal tung der Lehrerbildung" wurde die ,,ein heitliche Ausbildung der Lehrer aller Schulstufen und Schulgattungen" an den Hochschulen geforderte Die Verschlech terung des Innenpolitischen Klimas durch den Auseinanderfall der sozialdemokrati schen und christllchsozialen Koalition so wie die wirtschaftlichen Schwierigkelten vereitelten eine fortschrittliche Lösung. Die Fronten im Schulkampf verhärteten sich immer mehr, und so kam es, ,,daß Österreich die Fortschrittsbewegungen, die In anderen Staaten in den zwanziger und dreißiger Jahren getan werden konn ten, größtenteils versäumt hat"". In der letzten Phase der schulpolitischen Dis kussion vor der Neugestaltung des Schul wesens Im Jahre 1962 waren sich alle Lager einig, daß die fünfjährige semina ristische Lehrerausbildung den Anforde rungen der Zelt nicht mehr genügen konnte. Den 14- bis 19jährlgen Bewer bern sowohl die zur Hochschulreife er forderliche Allgemeinbildung als auch die pädagogische Berufsbildung zu vermit teln, wurde mehr und mehr ein aussichts loses Unterfangen. Insbesondere die in Blick aus dem Neubau der Pädagogischen Akademie der Diözese Linz auf das Salesianum, das in der Geschichte der katholischen Lehrerbildung in Oberösterreich als ein historisches Zentrum angesehen werden kann. Fotos: Herbert Wastl der Folge der tiefgreifenden Veränderun gen im Schulwesen herandrängende Fülle von Problemen konnte mit den Ver tretern der zukünftigen Lehrergeneration In der knappen Zeit kaum benannt, ge schweige denn zufriedenstellend erörtert werden. Während aber das eine Lager — die Scheidelinie ging quer durch die ver schiedenen Weltanschauungsgruppen und politischen Parteien - die Erweite rung der Lehrerbildungsanstalt auf sechs Jahre anstrebte, plädierte das andere für eine grundsätzliche Neugestaltung in hochschulmäßiger Form. Der letzte Vor schlag wurde in der Form der viersemestrigen Pädagogischen Akademien zum Gesetz erhoben. 24

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