Wirtschaft und Fremdenverkehr Urlaub am Bauernhof — ein Fremdenverkehrszweig mit Zukunft Wolfgang Sperner Mijnheer Ouwerkerk aus Rotterdam hat die Freuden des Landlebens entdeckt und ist so begeistert, daß er bald wie der den ,,kleinen Urlaub" auf einem Bau ernhof in Oberösterreich verbringen will. Mijnheer Ouwerkerk gehörte einer Gruppe von über 200 Holländern an, die die Weihnachtsfeiertage bei Landwir ten im Salzkammergut erlebt haben. Die Aktion ,,Urlaub am Bauernhof", die in Oberösterreich im Jahre 1970 mit der Bildung von bäuerlichen Gästeringen be gann, hat sich indes zu einem neuen Fremdenverkehrszweig entwickelt, der nicht nur vom Österreicher willkommen geheißen wird, sondern vor allem beim deutschen Reisepublikum, aber auch in den Benelux-Ländern und in Südskan dinavien viele neue Freunde der öster reichischen Gastlichkeit gewonnen hat. Die Sehnsucht des Städters nach dem einfachen Leben auf dem Lande erfüllte sich schon in den dreißiger Jahren, als ,,man" in den Ferien gerne mit Kind und Kegel „in die Sommerfrische" fuhr. Nach dem zweiten Weltkrieg galt es die ersten Jahre als schick, bunte Ansichts karten vom „Urlaub am Meer" oder aus allen möglichen Zonen Europas heimzu schicken. Dann aber rollte die Urlauber welle, ermattet von der Hast über Eu ropas dichtbefahrene Straßen, zurück in heimatliche Gegenden. Schon lange ist die Urlaubsreise zum Nordkap oder nach Mallorca nicht mehr ganz „in". Wer For mat im Erholen beweisen will, hat für sich längst ein Erholungsdorf entdeckt. Hier, im ländlichen Bereich, findet der wirkliche Erholung suchende Städter vor allem durch einen ,,Urlaub am Bauern hof" das erfüllt, was die insgeheime Sehnsucht nach einem Jahr voll Streß, Büroärger, Anspannung, Lebenshast und ungesunder Umwelt ist: Am Bauernhof, so lauten die Argumente, die sich aus Befragungen ergaben, findet der Urlau ber die erstrebte Nähe zur Natur. Hier herrscht noch die Ursprünglichkeit des Lebens, hier bietet sich Erholung in gesunder Luft, die Möglichkeit, den Kin dern neue Erlebniswerte zu bieten, vor allem auch, so ungezwungen wie mög lich mit ihnen Zusammensein zu können, wobei die Preiswürdigkeit eine beson dere Rolle spielt, gerade bei Familien mit Kindern. Man erwartet aber natürlich einen gewissen Komfort. ,,Zimmer mit Kanonenöferl ist nicht mehr gefragt, im mer mehr wird Qualität verlangt", stellte einmal der Direktor des österreichischen Bauernbundes, Dr. Sixtus Lanner, bei einem Symposium zum Thema ,,Land wirtschaft und Fremdenverkehr" fest. Dieser neue Fremdenverkehrszweig hat ganz natürliche gemeinsame Wurzeln, denn der Land- und Forstwirt, der den Acker bestellt und den Wald hegt, sichert damit ja auch den Erholungswert der Landschaft. Eine gepflegte Landschaft wird dabei in der Zukunft gar nicht mehr so selbstverständlich sein, wie wir es gerne hinnehmen. In den letzten zwei Jahrzehnten haben etwa 20.000 Men schen das Mühlviertel verlassen, in der Bundesrepublik Deutschland liegen nach Schätzungen des Raumordnungs berichtes der deutschen Bundesregie rung über 250.000 Hektar Kulturfläche brach. Bis zum Jahre 1985 wird die deutsche Landwirtschaft etwa 3,3 Millio nen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche aufgeben. Der Landwirt, der am Hof bleibt und das Land bestellt, erfüllt daher ganz entscheidend jene Voraussetzungen, die nun einmal dem allgemeinen Trend des Fremdenverkehrs nach Landleben und Urlaub in schöner Natur entsprechen. Fremdenverkehr und Landwirtschaft ha ben die natürliche Landschaft als gemein same Basis. Es hat sich auch gezeigt,daß der Fremdenverkehr durch Schaffung zu sätzlicher Einkommensmöglichkeiten sehr wesentlich die Landflucht stoppen hilft. Vor allem aber verhütet der vom Bau ern betriebene „Urlaub am Bauernhof", daß die Gegend baulich verschandelt wird. Hier werden keine modernen Appartementbauten in die Gegend ge stellt, denn die ausgebaute Ferienwoh nung am Bauernhof ist ja einbezogen in den bestehenden Hof und nützt vielfach erst jetzt jene Räume aus, die frei ge worden sind, weil die bäuerliche Fa milie in einer Zeit des Dienstbotenman gels kleiner geworden ist. Auch die Me chanisierung hat Platz geschaffen: Der Mähdrescher erübrigt vielfach den Ge treideschüttboden, der Traktor hat weit hin das Pferd verdrängt und das Roß zeugkammerl überflüssig gemacht. Wer gute Ideen und Geschmack hat, kann manche Stallungen zu modernen Gäste quartieren ausbauen. Vor allem aber soll ten wir nicht übersehen, in welch groß zügiger Weise die Landwirtschaft durch Eigenregie und die Landesbaudirektion unter Landeshauptmann Dr. Wenzl durch kräftige Beistellung von Mitteln den länd lichen Straßen- und Wegebau vorange trieben haben. Diese schön asphaltierten „Bauernstraßen" sind doch heute weithin die herrlichsten Ausflugsstraßen des Lan des überhaupt. In den letzten Jahren wur den in ganz Österreich über 12.000 Kilo meter Straßen aus dem „Grünen Plan" erschlossen, eine gewaltige Strecke, die dem Fremdenverkehr als Verkehrs- und Wanderwege zugute kommen. Der Landwirt hat also ein natürliches An recht darauf, am Fremdenverkehr Öster reichs Anteil zu nehmen, nur darf der „Urlaub am Bauernhof" nicht Selbst zweck werden, sondern soll stets ein — geschätzter - Nebenerwerb sein, wobei noch wertvolle positive soziologische Konsequenzen hinzukommen: Es werden die Beziehungen zwischen Stadt und Land verbessert, die Stadtbevölkerung gewinnt mehr Verständnis für ländliche Arbeit und Brauchtum, auf dem Land wird günstige geistige Anpassung an die moderne Zivilisation erreicht, es wer den die Wohnverhältnisse verbessert und das bäuerliche Selbstbewußtsein wird ge stärkt. Daß zudem für den Landwirt noch ein erheblicher wirtschaftlicher Nutzen kommt, zeigte Österreichs „Fremdenver kehrs-Professor" Dkfm. Dr. Bernecker auf, der folgene Überlegungen zu beden ken gab: 1971 wurden in Österreich 96 Millionen Fremdennächtigungen gezählt, davon waren 73 Millionen Ausländernächtigungen. Nimmt man für jeden Gast einen durchschnittlichen Tagesverbrauch von 5 Deka Butter an,so ergibt das einen Buttergesamtverbrauch von 4,8 Millionen Kilo. Der Fleischkonsum, mit durch schnittlich 15 Deka pro Tag angesetzt, ergibt einen Totalverbrauch von 14,4 Mil lionen Kilo beziehungsweise von 10,9 Millionen Kilo Fleisch für ausländische Gäste. Die Wertschöpfung der Landwirt schaft aus dem Ausländerfremdenverkehr und den von ihm ausgelösten Umsätzen an landwirtschaftlichen Produkten be trägt nach den Untersuchungen des In stitutes für Fremdenverkehrsforschung 14 Prozent des touristischen Gesamtumsat zes und stellt einen enormen Faktor für den landwirtschaftlichen Absatz dar. Es ist der öberösterreichischen Land wirtschaftskammer zu danken, daß sie die Bedeutung des Fremdenverkehrs für den Landwirt als Nebenerwerb rasch er kannt und gezielte Beratungs- und örganisationsmöglichkeiten erschlossen hat, die nun eine perfekte Ausweitung durch den WV-Raiffeisen-Gästedienst er fahren. Denn die Wirtschaftlichkeit des Fremdenverkehrsbetriebes am Bauern hof selbst ist keineswegs so rosig und einfach. Es bedarf eines erheblichen Kapitalauf wandes, um freundlich ausgestattete, mo derne Ferienwohnungen sowie einen be-
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