Oberösterreich, 24. Jahrgang, Heft 2, 1974

stadtplatz mit Leopoldibrunnen im Vordergrund pgii lieS8rif ' iia 1 j r:-; Die Verbindung des Namens Steyr mit Industrie und Eisenverarbeitung ließ viel fach das Bild einer Stadt entstehen, das der Wirklichkeit bei weitem nicht ent spricht. Man muß bei Betrachtung der Stadt Steyr alle Voreingenommenheit, die man mit dem Begriff Industriestadt ver bindet, ablegen. Eine fast tausendjährige Entwicklung liegt heute hinter ihr und sie hat es wie kaum eine andere Stadt verstanden, Ihren mit telalterlichen Charakter In unsere von Hast und Unruhe erfüllte Zelt herüberzuretten. Die Lage an den stell aufsteigenden Ter rassen, von Enns und Steyr Im Laufe von Jahrtausenden In die Erde gegraben, hat Ihre heutige Form weltgehend vorausbe stimmt und mag für Ihre Entwicklung von großer Bedeutung gewesen sein. Die Stadt liegt etwas abseits der großen Verkehrsströme, aber vielleicht hat Ihr ge rade dieser Umstand geholfen, Ihren Cha rakter und ihre Eigenart zu bewahren. Als Juwel mittelalterlicher Städtebaukunst ist sie es wert, um ihrer selbst willen nicht vergessen zu werden. Auf steilem Felsen, über dem Zusammen fluß der Enns und Steyr, entstand — das Jahr der Erbauung ist uns nicht überlie fert — die mächtige Styrapurhc, der Sitz der steirlschen Otakare. In Ihrem Schutz war bereits im 12. Jahrhundert eine an sehnliche Siedlung herangewachsen. Erst das Jahr 1287 hinterläßt uns die heute älteste Urkunde der Stadt, ein Privileg Herzog Albrechts I., welches alte Handels rechte der Steyrer Bürger bestätigte. Be reits Im Mittelalter wurde Steyr ein wohl habender Handelsplatz, dessen Verbindun gen nach allen Ländern Europas reichten. Jedoch blieb die Stadt auch nicht vor schweren Rückschlägen verschont. Kriege, Glaubenskämpfe, Besetzungen, Naturkata strophen, Seuchen und Brände brachten Not und Elend über die Stadt und Ihre Bewohner. Manchmal schien es bereits, als würde sie zu vollständiger Bedeutungs losigkeit absinken. Erst In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts brachte Josef Werndl, der Gründer der österreichischen WaffenfabrIks-AG., der Vorläuferin der heu tigen Steyr-Dalmler-Puch-AG., die entschei dende Wendung. Seit dieser Zelt setzte eine stelle Aufwärtsentwicklung ein, die In der heutigen wirtschaftlichen Bedeutung der Stadt ihren Niederschlag findet. Förmlich als Stadt In der Stadt Hegt heute der mittelalterliche Stadtkern, überragt von der gotischen Stadtpfarrkirche und dem Schloß Lemberg, dem barocken Nachfah ren der alten Styrapurhc. Stille verträumte Gassen laden zu gemütlichem Spazier gang, malerische Höfe zum beschaulichen Verweilen ein. Bereits der Stadtplatz, heute wie früher Mittelpunkt des städtischen Le bens, atmet in seiner Vereinigung der verschiedensten Baustile eine ganz beson dere Atmosphäre. Das Rathaus mit sei nem schlanken Turm, ein Meisterwerk des österr. Rokoko, steht beherrschend in der Mitte des Platzes und Im wirkungsvollen Kontrast dazu steht gegenüber das Bum merlhaus als besonderes, weit bekanntes Kleinod spätgotischer Baukunst. Undenk bar Ist es, nur annähernd alle Kostbar keiten der Stadt zu nennen. Gleich, ob man durch die Straßen und Gassen der Altstadt wandert, ob man etwa von der Anhöhe des Tabor auf das Gewirr der Dächer herabblickt oder den Blick über die Stadt zu den Bergen des Ennstales wandern läßt. Immer nimmt einen der Reiz der Stadt gefangen. Das Eisen gab der Stadt Ihren Beinamen. Nicht nur als Produkt der Industrie und des Gewerbes trug es den Namen Steyr In alle Welt. Allenthalben begegnen wir Ihm in der Stadt In kunstvoller Verarbei tung In Form von Wirtshausschildern, Fen sterkörben, Gittern und Beschlägen. Mei ster Michael Blümelhuber hat in unserem Jahrhundert die Bearbeitung des Eisens In der Wiedererweckung des Stahlschnit tes zur Kunst erhoben und seine und sei ner Schüler Werke sind weithin bekannt und geschätzt. Auch den Künsten war Steyr Immer sehr zugetan und Im besonderen die Musik fand hier eine Helmstätte. Von einer be deutenden mittelalterlichen Meistersinger schule bis Franz Schubert und Anton Bruckner, die beide gern In Steyr bei Freunden weilten, spannt sich ein welter Bogen. Heute Ist Steyr eine blühende, von reger Betriebsamkeit erfüllte Stadt, die mit gro ßer Tatkraft an die Bewältigung immer neuer großer Aufgaben geht, jedoch ein gedenk Ihrer Geschichte und Tradition dar über wacht, Ihr ererbtes Kulturgut zu wah ren und zu erhalten. So legt heute nicht das Wort, sondern die Stadt selbst über sich Zeugnis ab und sicherlich wird auch In Zukunft jeder Be sucher, der sie gesehen hat, von ihr be geistert sein.

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