Mit der Erstellung und der Verallgemei nerung von irgendwo gewonnenen Er fahrungen ist gerade in der Agrariandschaft bereits genügend Unfug gestiftet und Schaden angerichtet worden. Es be dürfte für jeden Landschaftsraum einer Untersuchung, um festzustellen, in wel cher Zahl und in weichem Ausmaß weiche ökologische Zeilen erforderlich sind, um einen ausgeglichenen Landschaftshaushait und damit die Erhaltung einer dau ernden Nutzbarkeit zu gewährleisten. So lange solche Untersuchungen nicht vor liegen — zur Zeit sind sie noch nicht ein mal eingeleitet - muß das ,,Fingerspit zengefühl" erfahrener Naturwissenschaft ier einen gewissen Ersatz dafür bieten. Für die bayerische Agrarzone wurde auf Grund einer Untersuchung im Durch schnitt ein Anteil von 10 bis 15 Prozent der Fläche an ökologischen Elementen gefordert. Bei aller gebotenen Vorsicht kann gesagt werden, daß Anteile in die ser Größenordnung auch für die ober österreichische Agrarzone notwendig und derzeit sogar noch vorhanden sein dürf ten. Trotz dieser optimistischen Vermutung soll in der Agrarzone neben die Erhal tung auch die Gestaltung treten. Sie wird sich der ökologischen Landschaftseiemente annehmen müssen. Die erste Form der Gestaltung ist die Pflege. Jede öko logische Einheit ist in einer ständigen Entwicklung begriffen und wandelt sich, wobei sich die ökologische Funktion än dert. in der unberührten Natur treten im mer neue solche Einheiten auf, und ver liert eine im Laufe ihrer Entwicklung eine bestimmte Funktion, so hat sicher eine andere jenes Entwickiungsstadium er reicht, in dem sie diese Funktion über nehmen kann, in der Kulturlandschaft ist das nicht möglich. Sich selbst überlassen, würde beispielsweise eine Feldhecke zu einer Baumreihe heranwachsen. Es ist aber kein Raum vorhanden, daß eine andere Hecke heranwachsen könnte. Die Hecke muß daher in dem erwünschten Zustand erhalten werden. Unter Land schaftspflege ist daher das Erhalten ei nes erwünschten Zustandes der ökolo gischen Elemente zu verstehen und kei nesfalls eine gärtnerische Aktivität. Der zweite Gestaltungsakt ist der Aufbau neuer ökologischer Elemente. Es gibt auch in den intensiv genutzten Agrarzonen genügend Flächen, deren Bewirt schaftung sich nicht lohnt. Sei es wegen der ungünstigen Lage wie beispielsweise Restflächen nach einem Straßenbau. Sol che Flächen wären zu diesem Zwecke heranzuziehen und nicht, wie meist üb lich, als Bauland zu widmen oder allen falls auch mit Fichten aufzuforsten. Um eine neue ökologische Zelle aufzubauen, bedarf es keiner Aktivität; die Natur be sorgt es besser und billiger. Es genügt vollauf, die Fläche brach liegen zu lassen, und es wird sich von selbst die stand ortgemäße Lebensgemeinschaft ent wickeln. Diese Entwicklung kann dann durch Pflegemaßnahmen in einem öko logisch besonders wertvollen oder er wünschten Zustand gestoppt und dieser Zustand aufrecht erhalten werden. Sollte es einmal erforderlich sein, so können solche Flächen jederzeit wieder unter Kultur genommen werden. Die Boden fruchtbarkeit wird nicht verschlechtert - im Gegensatz zu einer Aufforstung mit Fichten oder der Nutzung ais Bauland. Diese Vorgangsweise der Landschafts gestaltung widerspricht den festgefahre nen Normvorstellungen einer gepflegten Landschaft. Allein die negative Gefühls tönung des Begriffes ,,verwildern" macht dies deutlich. Bei der bäuerlichen Be völkerung ist die maximale Nutzung des Grundbesitzes ein Sozialmaß für die Tüchtigkeit des Besitzers, es entstehen somit klare soziale Pressionen. Darüber hinaus entspricht eine der Natur überlassene Fläche in manchen Aspekten nicht ästhetischen Normen. Wenn im Frühjahr die bewirtschafteten Wiesen be reits grün sind, wirkt die ,,verwilderte" Fläche mit dem dürren braunen Gras ,,un schön". Zeigt sie dann später im Ge gensatz zu den heute meist recht ein förmigen Kulturwiesen volle Blütenpracht, wird sie als „schön" empfunden und nach einigen Jahren haben sich die natürli chen Verhältnisse so weit eingestellt, daß niemand mehr das Gelände als ,,verwil dert" ansprechen wird. Eine gegliederte Agrarlandschaft wird zweifellos auch ästhetischen Ansprüchen genügen und somit einen gewissen Er holungswert haben, wenn auch die Pro duktion hier den Vorrang hat. Umgekehrt gibt es Räume, in denen der Anspruch auf Erholung vorrangig ist, wobei sie im mer noch auch der iandwirtschaftlichen Produktion dienen sollen, ja sogar müs sen. Allerdings liegt hier das Primat nicht auf der größtmöglichen Nutzung. Erholung ist ein psychischer Abbaueffekt. Aggressionen werden durch Verein samung, Zwang durch freie Bewegungs möglichkeit abgebaut und ähnliches mehr. Der Anspruch auf Erholung stellt damit große Ansprüche an die Land schaft, in der sie vor sich gehen soll. Bewegtes Relief mit nicht zu großen Niveauunterschieden, gut ausgebildetes Gewässernetz, mittlerer Waldanteil in gu ter Verteilung, ein kleingliedriges Mosaik aller Landschaftselemente sind zu for dern. Auf einen einfachen Nenner ge bracht, die Landschaft soll möglichst ab wechslungsreich und möglichst vielfältig sein. Am besten geeignet ist in jeder Hinsicht die Kulturlandschaft des Mühl viertels und des Voralpenlandes. Sollen diese Gebiete ihre Funktion als Erho lungsgebiete auf die Dauer behalten, so ist hier die Bewahrung der Landschaft in ihrer derzeitigen Form absolute Voraus setzung. Die einzelnen Landschaftsele mente, die Verteilung von Flur und Wald, von Hecken, Baumgruppen, Bachufer gehölzen, Felsgruppen und ähnliches sind zu erhalten. Entwässerungen, Bach regulierungen und andere ,,Kultivierungs maßnahmen" sind zu unterlassen, Auf forstungen werden nur In geringem Maße möglich sein. Kurz gesagt, die alte Wirt schaftsstruktur ist aufrecht zu erhalten, wenn auch mit modernen Methoden und Geräten. Dabei haben sich allerdings Me thoden und Geräte der Landschaft anzu passen und nicht umgekehrt. Es iiegt auf der Hand, daß sich damit für den grundbesitzenden Landwirt Bela stungen ergeben. Er ist hier als Pfleger der Landschaft von eminenter Bedeutung, hat aber nicht das Primat als rationell denkender Produzent. Es ist auch nicht jede Form der Landwirtschaft automa tisch gleichzeitig Landschaftspflege; die sen Titel verdient sie nur dann, wenn sie sich der bestehenden Landschaft anpaßt und diese erhält. Ein Ausgleich für diese Belastungen ist daher notwendig; in der Form von Subventionen und Krediten, die ja dafür gegeben werden, daß die Land wirtschaft ihre Funktionen — die in Erho lungsräumen vordringlich in der Land schaftspflege bestehen — aufrecht erhal ten kann, in der direkten oder indirekten Beteiligung an den Einnahmen aus dem Fremdenverkehr. Den Erholungsräumen droht die Gefahr der Zerstörung aber nicht durch wirt schaftliche Maßnahmen, sondern auch durch die Erholungssuchenden selbst. Die Gefahr geht von der großen Zahl aus. Die Masse lärmt, trampelt nieder, zerstört und verschmutzt. Ihre Versorgung erfor dert Straßen, Quartiere, Tankstellen, Werkstätten und Läden. Die freie Bewe gungsmöglichkeit muß eingeschränkt werden, die Vereinsamung ist unmöglich, kurz, die Erholungsmöglichkeit ist dahin.
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