Oberösterreich, 24. Jahrgang, Heft 2, 1974

Das Wesen der Landschaft, ihr Aufbau,ihre Kräfte Hermann Kohl Begriffe wie Naturschutz, Landschafts schutz und Umweltschutz gehören längst zum allgemeinen Sprachgebrauch und sind schon zu täglichen Slogans gewor den. Das ist gut so und notwendig für den beabsichtigten Erfolg. Diese Verall gemeinerung birgt allerdings auch die Gefahr der Oberflächlichkeit und Ab stumpfung in sich oder gar die des Miß brauches für Propaganda- und Reklame zwecke, womit der mahnende Ernst, der hinter diesen Begriffen steht, allzu leicht verflacht werden könnte. Und wie steht es um die Kenntnis der Materie, die man schützen will, Natur, Landschaft, Umwelt? Reichen unsere Kenntnisse darüber über haupt schon aus und sind diese bereits so weit verbreitet, daß erfolgreich ge schützt werden kann? Das alles sind grundlegende Fragen. Alle drei Schlagworte verkörpern Bestre bungen, die erst auf Grund der immer rascher fortschreitenden Entwicklung un serer Zivilisation notwendig geworden sind. Bestrebungen, von denen jede für sich zwar gesonderte und bestimmte Ab sichten verfolgt, die aber letzten Endes doch dem übergeordneten Ziele dienen, der Menschheit die natürlichen Grundla gen für ein lebenswertes Dasein zu sichern. Denn was nützt es, wenn zwar wachsende Wirtschaft eine zunehmende soziale Geborgenheit, und das nur für die entsprechend entwickelten Gebiete, verspricht, gleichzeitig aber bereits in absehbarer Zeit die natürlichen und bio logischen Lebensgrundlagen der gesam ten Menschheit zerstört werden. Ein sinn voller Ausgleich muß daher gefunden werden. Die eindringlichen Mahnungen in Form wachsender Müllberge, stin kender Gewässer, kurz der sterbenden Landschaft, weisen bereits deutlich dar auf hin, daß wir ein Entwicklungsstadium erreicht haben, bei dem die Natur von sich aus die Aufrechterhaltung bzw. Wie derherstellung des notwendigen Gleich gewichtszustandes nicht mehr bewälti gen kann und daher die Menschen selbst aktiv für den Abbau dieser einseitigen Belastungen ihres Lebensraumes sorgen müssen. Die damit zusammenhängenden Fragen sind längst genauso zum weltweiten Pro blem geworden wie Sicherheit, Energieund Rohstoffversorgung u. a. Sie werden nie vom einzelnen Menschen, dessen po sitive Einstellung dazu allerdings notwen dig ist, auch nicht vom einzelnen Staat, gelöst werden können. Sie verlangen von allen Bereitschaft, engste Zusammenar beit und Opfer. Solange die einen auf Kosten der anderen sündigen und das außerordentlich komplexe Problem nicht in seiner Gesamtheit allgemein richtig erkannt und bekämpft wird, muß der Erfolg versagt bleiben und isolierte Ein zelmaßnahmen können nur dilettanti schen Charakter haben mit der Wirkung des Tropfens auf den heißen Stein. Da der menschliche Lebensraum sich aus bestimmten geographischen Land schaften zusammensetzt, wird es nützlich sein, sich einmal mit diesem Objekt ein gehender auseinanderzusetzen, um schließlich das Wesen der Landschaft und die in ihr wirksamen Kräfte besser zu erkennen. Sicher ließen sich bei bes serer Kenntnis dieses Objektes und Be achtung der gewonnenen Erfahrungen manche Fehler vermeiden und das hö here Ziel, den gesunden Lebensraum zu bewahren oder wieder herzustellen, schneller erreichen. Die Landschaft ist auf Grund ihrer Man nigfaltigkeit, der Vielfalt ihrer Einzelteile und der nicht immer leicht erkennbaren in ihr wirksamen Kräfte und Bindungen außerordentlich schwierig zu erfassen. Das Problem beginnt bei einer derart komplexen Materie schon mit der Frage der fachwissenschaftlichen Zuständigkeit. Es gibt eine große Zahl verschiedenster Fachdisziplinen, sowohl der naturwissen schaftlichen als auch der kultur-, wirt schafte- und sozialwissenschaftlichen Be reiche, die sich fast immer nur mit ein zelnen Teilen oder kleineren Komplexen beschäftigen. Die Landschaft als Ganzes fällt am ehesten in den Forschungsbe reich des Geographen, aber auch er wird mit mehr oder weniger Erfolg meist nur die wesentlichsten Strukturen und Zu sammenhänge herausarbeiten können, wobei er versuchen muß, durch ein sorg fältiges Abwägen der Argumente, sich von subjektiven Vorstellungen möglichst frei zu halten. Dazu gehört viel Erfah rung und engste Zusammenarbeit - Teamwork - mit den anderen Fachrich tungen. Der Begriff der geographischen Land schaft(Landschaft und Lebensraum] Das Wort Landschaft wird im verschie densten Sinne gebraucht. Die geographi sche Landschaft ist jedoch ein definierter Begriff, der von der Tatsache ausgeht, daß die Erdoberfläche sehr vielseitig ge staltet ist, wonach Landschaftstypen un terschieden werden können,die irgendwo mehr oder weniger scharf aneinandergrenzen. Verhältnismäßig scharf sind die Grenzen zwischen Meer und Festland, zwischen einer Flußebene und einem Bergland, zwischen verbautem und un verdautem Gelände usw. Meist geht aber ein Landschaftstyp eher fließend in einen anderen über, wo dann eine Abgrenzung schwerfällt. So umfaßt die geographische Landschaft einen Landabschnitt von ei nigermaßen gleichartiger Beschaffenheit mit all seinem Inhalt, bestehend aus der gesamten Landesnatur und dem Men schen mit seinen kulturellen und zivili satorischen Leistungen. Es unterscheidet sich eine Wüste sehr wesentlich von ei ner Waldlandschaft, eine Industrie- von einer Agrarlandschaft, die Donauebene des Eferdinger Beckens vom Flochland des Sauwaldes usw. Es grenzen dem nach verschiedene Landschaftsräume an einander, besser gesagt, sie gehen inein ander über oder überschneiden sich ge genseitig. Die beiden großen Teilbereiche der Landschaft, der naturräumliche und der kulturräumliche decken sich nur an nähernd; der meist nicht unmittelbar sichtbare funktlonelle Zusammenhang, der das Wirkungsgefüge in der Land schaft ausmacht, weist die verschieden sten Verflechtungen von einem Land schaftsraum in den anderen auf. So stellt z. B. eine Verwaltungseinheit, etwa ein politischer Bezirk, eine wohlabgegrenzte Fläche dar, die sich meist über verschie dene natürliche Landschaftseinheiten hin weg erstreckt, aber sie bildet ein auf ei nen zentralen Ort ausgerichtetes, ständig wirksames Funktionsgefüge, das an der Grenze endet. In jeder Landschaft gibt es eine Reihe für sie typische Merkmale, doch auch solche, die auf andere Landschaften übergrei fen. Während z. B. das Auftreten des ökologisch bedingten Auwaldes auf die zeitweise überschwemmten Bereiche der Flußlandschaft beschränkt Ist, verkörpert der natürliche Buchenwald den Berg wald einer bestimmten Höhenstufe. Beide Bereiche können aber als gemeinsames Merkmal Sandboden haben. Genauso können den einen Raum die ebenen Flächen, den anderen Hügel und Berge beherrschen, und trotzdem können beide aus Schotter bestehen. Nicht nur im Verhältnis zum Menschen gibt es schon von Natur aus lebens freundliche Landschaften, wie die alten fruchtbaren Kulturwiegen des Orients, Indiens und Ostasiens und lebensfeind liche, wie die Polargebiete, Wüsten, Hoch gebirge usw. Die lebensfreundlichen Landschaften bilden in ihrer Gesamtheit die Ökumene, den Siedlungs- und Le-

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