Oberösterreich, 24. Jahrgang, Heft 1, 1974

(Beiträge zur Zeitgeschichte Oberösterreichs. I. hrsg. vom Oberösterreichischen Landes archiv). Im Rahmen seines landeskundlichen Verlagsprogrammes hat der Oberösterreichische Lan desverlag In verdienstvoller Welse nunmehr auch den Schritt zur Zeitgeschichte gewagt. Der Anfang wurde bereits Im Vorjahr mit einer Biographie über Landeshauptmann Johann Nepomuk Hauser gemacht. Josef Honeder als Autor erweiterte und ergänzte seine 1963 fer tiggestellte Dissertation zu einem Buch, In dem ein sachlicher Report über eine Per sönlichkeit geboten wird, die weit über Ober österreich hinauswirkte, die an der Wiege des neuen Österreich stand, wie es aus den Wir ren des Zusammenbruchs der alten Monarchie hervorgegangen Ist. Gerade diese historische Verflechtung ließ bisher Johann Nepomuk Hauser In einem schillernden Licht erscheinen. Für die heutige Zelt mag es auch oft proble matisch erschienen sein, daß ein Priester so tief In die weltliche Politik verstrickt war. Aus UnwIssen und falscher Interpretation ergab sich ein Zerrbild, das nunmehr vom Historiker ge reinigt und zurechtgerückt wird. Der Autor be nützt ausschließlich urkundliches Material, ver senkte sich In den überlieferten Briefverkehr der dargestellten Persönlichkeit und erklärt sie aus den Bindungen und Verhältnissen Ihrer Zelt. So entsteht vor unserem geistigen Auge das Bild Oberösterreichs In der Zelt der Ersten Republik und das Porträt eines aufrechten Oberösterreichers, der aus einem tiefen sittlichen Bewußtsein heraus handelte. Johann Nepomuk Hauser erscheint als gläu biger Priester, In gleicher Welse jedoch auch als Vollblutpolltlker. Wir erkennen deutlich, wie stark sein Wirken heute noch gültig Ist, wie sehr die politischen Verhältnisse In Ober österreich heute noch aus den Fundamenten zu erklären sind, die er gelegt hat. Die Dar stellung verrät die Innere Anteilnahme des Autors an der Person seines Helden. Doch Ist nirgends Subjektivität oder Verschönerung festzustellen. Es wird in diesem Buche In wohltuender Welse der historischen Wahrheit gedient. Mit dieser Biographie ergibt sich eine Interes sante Querverbindung zu dem Band I der Beiträge zur Zeitgeschichte Oberösterreichs, die vom Oberösterreichischen Landesarchiv herausgegeben und vom Oberösterreichischen Landesverlag verlegerlsch betreut werden. Das Thema ,,Zeitgeschichte" wurde erst vor we nigen Jahren In das Arbeltsprogramm des 00. Landesarchivs aufgenommen. Es Ist ein positives Zeichen, daß diese junge wissen schaftliche Institution so rasch publizistisch wirksam wird. Harry Slapnicka als Autor plant eine dreibändige Darstellung, die bis zum Jahre 1938 führt und deren 1. Band den schicksalsschweren Zeltraum behandelt, da sich Österreich neu bilden mußte und auch öberösterrelch unter den Wirren der Nach kriegszeit sehr zu leiden hatte. Zeitgeschichte erfordert eine eigene Metho dik und ein Höchstmaß an emotionsfreier Objektivität. Jedem Bearbeiter muß es gelin gen, sich von persönlichen Erlebnissen freizu halten, er muß aber auch die Fähigkeit be sitzen, die vorhandenen schriftlichen Quellen einer sehr strengen Kritik zu unterziehen. Trotzdem soll es Ihm gelingen, von jüngster Vergangenheit ein anschauliches Bild zu ent werfen. Das vorliegende Buch dürfte diese Eigenschaften In einem sehr wesentlichen Maße besitzen. Der Autor benützt In strenger Sachlichkeit die Ihm zur Verfügung stehen den schriftlichen Unterlagen. Er Ist selbst Zelt genosse, gibt den eigenen Erfahrungen je doch kein Übergewicht. Als ehemaliger Jour nalist weiß er um die Notwendigkeit einer wir kungsvollen Darstellung. Oberösterreich Ist auf dem Gebiete der hi storischen Landeskunde stets führend gewe sen. Harry Slapnicka verspricht, diese füh rende Position auch auf das heikle Feld der Zeitgeschichte auszudehnen. Aus dem weiten Gebiet zeitgeschichtlicher Themen griff Rudolf Walter LItschel das öster reichische Unglücksjahr 1934 heraus. Damals — vor genau 40 Jahren — wurde unser Land von schweren Innerpolltlschen Kämpfen er schüttert, über die heute noch heftige Emo tionen herrschen. Vor allem scheint es den politischen Partelen nicht zu gelingen, diese Ereignisse Im Lichte der Geschichte zu sehen. Es sind die Februarrevolte und der Jullputsch, die Immer noch die Gemüter erregen, wobei allerdings die miterlebende Generation nicht an die Jugend denkt, die endlich von dieser Belastung aus der unmittelbaren Vergangen heit befreit sein möchte. Rudolf Walter LItschel skizziert seinen Stand ort In einem ,,Vorwort, das man unbedingt le sen sollte." Sein langjähriger journalistischer Freund Walter Pollak, ehemals Chefredakteur der ,,0Ö. Nachrichten", zeichnet zu den Re volutionsereignissen den gesamtösterreichi schen historischen Hintergrund, In dem über zeugend nachgewiesen wird, wie brennheiß In diesem Jahr die Innen- wie außenpoli tische Situation unserer Heimat war. Sodann gibt LItschel seinen Bericht, der In betonter Sachlichkeit und bemühter Innerer Distanz die tragischen Ereignisse In Linz, Steyr und über all Im Lande, wo es Kämpfe unter Brüdern gab. In Ihrer Abfolge schildert. Wie der Autor selbst sagt, hat er über 120 Interviews ge macht, Zeltgenossen befragt, aber auch die wenigen vorhandenen schriftlichen Unterla gen studiert. In soldatischer Gewissenhaftig keit beschreibt er den Verlauf der einzelnen Gefechtshandlungen und zeigt dem Leser, daß auf allen Selten Männer gekämpft haben, die von der Richtigkeit Ihres Handelns über zeugt waren, die aus der Verstrickung eines Schicksals gegeneinander stehen mußten. Der Autor urteilt nicht, wertet nicht, er übt das Amt des Historikers mit der Feder des Jour nalisten, der Im Schreiben Aktualität anstrebt. Sein aktuelles Anliegen dürfte es dabei ge wesen sein, allen Beteiligten an diesen Innen politischen Kämpfen In Oberösterreich Ge rechtigkeit widerfahren zu lassen.

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