Wirtschaft und Fremdenverkehr Plus und Minus im Tourismus Alfred J. Waldbauer Oberösterreich hat seit Jänner 1973 ein Fremdenverkehrskonzept. Die mehrere hundert Seiten umfassende Studie, vom österreichischen Institut für Raumpla nung im Auftrag der oö. Handelskammer erstellt, ist ein Kompendium von Analy sen, Zielsetzungen, Verbesserungsvor schlägen und Ausbaurichtlinien. Seit der Fertigstellung wissen die Experten der Wirtschaft, Behörden und Verbände ge nau, woran sie sind. Das heißt aber nicht, daß das bloße Erscheinen dieser Unter suchung auch gleich den Schlüssel für die Lösung aller Probleme geliefert hätte. Ebenso mühevoll wie das Zusammentra gen des Grundlagenmaterials wird die Verwirklichung des Kataloges notwendi ger Aktivitäten sein. Das war schon bei der Veröffentlichung klar. Nicht zuletzt deshalb, weil der volkswirtschaftlich wichtige Sektor Fremdenverkehr nicht für sich allein, isoliert, betrachtet werden kann, weil Förderungsinitiativen in ge samtwirtschaftliche Zusammenhänge, und sei es im kleinsten Regionalbereich, gebracht werden müssen. Man durfte also gespannt sein, wie die Realisierung vor sich gehen würde. Eines steht auf jeden Fall schon jetzt fest: „schubladiert", ein Schicksal, das oft sehr gescheite und noch so fundierte Abhandlungen trifft, wurde das Konzept nicht. Im Gegenteil! In fünf Arbeitskrei sen bemühen sich Expertenteams kon zentriert um die Umsetzungschancen des Inhaltspaketes. Mit den Ergebnissen die ser Arbeiten hofft man in — angesichts der Fülle von Detailfragen und Zustän digkeitsklärungen - relativ kurzer Jah resfrist eine praktikable Prioritätenliste aufgestellt zu haben. Sie kann dann akkordiert von allen zuständigen Stellen, und das sind nicht wenige, stufenweise verwirklicht werden. Diese Vorgangsweise ist deshalb sehr wichtig, weil damit von vornherein das An-einem-Strang-Ziehen ein erklärtes Ziel ist. Schließlich ist der Kreis der Be teiligten sehr groß: die Fremdenver kehrswirtschaft selbst, Gemeinden, Frem denverkehrsverbände, Kurfonds und last not least die gesetzgebenden Körper schaften. Nur ein Sandkörnchen, sym bolisch gesehen, das in Uninformiertheit oder Nichtkoordination besteht, bedeutet für das ganze Getriebe einen möglicher weise schweren Zeitschaden. Das Um und Auf für den Erfolg der ober österreichischen Anstrengungen, den Tourismus im Lande — und zwar be darfsgerecht — anzukurbeln, besteht in einem nicht geringen Teil darin, rasch zu schalten. Die Konkurrenz im In- und Ausland wird immer härter. Wer damit Schritt halten will, muß flexibel und schnell sein. Das Land zwischen Inn und Enns hat ohnedies einen Nachholbedarf. Das heißt nicht, daß früher nichts ge schehen wäre oder alles falsch war. Aber mit dem Fremdenverkehrskonzept hat man doch eine objektive Arbeitsunter lage in der Hand, die es bisher in dieser Form noch nicht gegeben hat, die deut lich auf Grund gesicherter Erhebungen sozusagen ein programmatisches Vor gehen erlaubt — und schließlich dazu geschaffen wurde. Bei einer Reihe von Fragen und konkreten Schwierigkeiten wußte man natürlich auch vorher, wo der Hebel anzusetzen wäre. Was fehlte, war eine Betrachtung in großen Zusammen hängen, eine generelle Überschau, eine Schwerpunktanleitung. Gerade deshalb beschränkt sich das Konzept, das in drei Hauptteile geglie dert ist, nicht ausschließlich auf einen fremdenverkehrssektoralen Aufbau. Es zeigt nämlich auch die vielfältigen Ver flechtungen mit anderen Lebensberei chen auf, beispielsweise die Anforderun gen an andere Wirtschaftsbereiche, an Verkehrswesen und Siedlungsentwick lung, Umweltschutz und anderes mehr. Und natürlich — sonst wäre eine abwer tende Einseitigkeit gegeben — werden auch die Erfordernisse in eben diesen Teilgebieten der Wirtschafts- und Lan desentwicklung gegenüber dem Frem denverkehrsausbau durchleuchtet. Das geschieht nicht zufällig. Vielmehr soll daraus die Mannigfaltigkeit der gegen seitigen Wechselbeziehungen abgeleitet werden können, die in die großen und kleinen Programme der Raumordnung — in Oberösterreich ist man ja jetzt mitten in diesen Arbeiten — Eingang finden müssen, wenn der Grundsatz von der Schaffung ausgewogener Arbeite- und Lebensbedingungen im Lande verwirk licht werden soll. Natürlich — das war einerseits eine not wendige Aufgabe und andererseits wohl eine wesentliche Voraussetzung für die Bestimmung der Entwicklungsziele des oberösterreichischen Fremdenverkehrs für die Zukunft — werden in dem Kon zept sehr genau die Hauptprobleme ihrer Entwicklung nach untersucht. Diese Mi nus-Liste darf einfach nicht übersehen werden, wenn der weitere Ausbau des Tourismus Fehler ausmerzen und künf tig vermeiden soll. Gerade wegen der sicher großen An strengungen, die Gästefrequenzen im Land zu steigern, ist es eine besonders schmerzliche Tatsache, daß beispiels weise die Zunahme der Nächtigungen in Oberösterreich im Jahrzehnt 1960—1970 mit rund 55 Prozent weit unter dem ge samtösterreichischen Durchschnitt von 86,5 Prozent liegt. Besonders die In länderzahlen hängen zurück. Die geringe Expansionsdynamik des Kurwesens, das einen hohen Anteil, nämlich mehr als ein Drittel, an den Nächtigungen hat, schlug ebenfalls negativ zu Buche. Außerdem wird auch die beträchtliche regionale Unterschiedlichkeit als problematisch empfunden. In einigen Teilen des Salz kammergutes wuchs der Gästezustrom sehr augenfällig über den Durchschnitt, so im Mondseer Land und im Attergau, auch im Alpenvorland und im Hoch land des unteren Mühlviertels und im Böhmerwald. Ein ganz anderes Bild ergibt sich aber im oberen Mühlviertel ohne Böhmerwald, in den Zentralraum städten und im Traunseegebiet, wenn man die großen Heilbäder unberücksich tigt läßt. Außerdem ist der Beweis er bracht, daß sich die Nächtigungen immer mehr auf die Hochsommermonate kon zentrieren und die Problematik des Einsaisonenbetriebs noch verschärfen. Über einen langen Zeitraum stieg das Betten angebot rascher als die Benützungszah len — ein rapides Absinken der Ausla stung war die Folge. Und ein weiterer wichtiger Punkt auf der Negativ-Seite be trifft die Rentabilität und Produktivität der Unternehmungen, die als unbefriedigend bezeichnet wird. Dieser kurze Auszug aus dem ,,ProblemKapitel" zeigt schon an, wohin die Än derungsschritte gelenkt werden müssen. Übergeordnete Ziele sind die bessere Ausnützung der Fremdenverkehrsinvesti tionen, also die Erhöhung der betrieb lichen Angebotausschöpfung sowie der Ausgaben der Gäste, und die bestmög liche Befriedigung der Bedürfnisse der Touristen, wobei vor allem der körper lichen und psychischen Regeneration be sonderes Augenmerk zuzuwenden ist. Konkreter wird das Konzept schon, wenn es empfiehlt, als eines der wichtigsten Ziele den Ausbau des Zweisaisonenbetriebes zu forcieren, und zwar überall dort, wo die relativ beste Eignung für den Wintersport, aber auch für die Winter erholung ohne sportliche Aktivitäten ge geben ist. In ausgesprochenen Einsai songebieten muß die Saisonausweitung Vorrang haben, vor allem kommt der Qualitätsanhebung große Bedeutung zu. Daran ist gleich geknüpft, man solle Ka-
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