Oberösterreich, 24. Jahrgang, Heft 1, 1974

machten die Haus-Rucker abermals Schlagzeilen. Schleuse, Welle, Wald, Tal, Tunnel und Hügel waren die künstlich angelegten Stationen des 60 Meter lan gen Parcours. Schade nur, daß diese Gehschule nur ein kurzes Intermezzo war: der gewaltige Publlkumsansturm war den Wächtern der öffentlichen Si cherheit bei Tag und Nacht gleicherma ßen zuviel. Zusperren und Abräumen war Ihre einzige Alternative. „Go! Wahrnehmung zu Fuß" lautete dann der Titel einer weiteren großen Ausstel lung, die 1972 von der Nürnberger Kunst halle gezeigt wurde. Sie fungierte als Aktivierung des Tastsinnes unserer Füße. Die Schau vermittelte über die prakti schen haptlschen Erfahrungen Denkan stöße verschiedenster Art. Kritisches Be wußtsein gegenüber unseren gesell schaftlichen Verhaltenswelsen und Alltagserschelnungen zu erzeugen, war nicht zuletzt Ihr — anschaulich erreichtes - Ziel. Neben Aktionen und Ausstellungen wurde freilich auch die Herstellung von Projekt zeichnungen und Auflagengraphiken als leichter verkäuflicher ,Ware' für den Kunsthandel forciert. Die Haus-Rucker sorgten damit nicht zuletzt auch für einen gewissen finanziellen Rückhalt ihrer Im großen Maßstab nur bedingt absetz- und verwertbaren Arbelten. Werner Hofmann, der den Oberösterrei chern noch während seiner Wiener Tä tigkeit als Chef des Museums des 20. Jahrhunderts echte Aufmerksamkeit entgegenbrachte, lud die Haus-Rucker 1973 zu einer Präsentation ihres Um weltobjektes ,,Grüne Lunge" In die seit längerem von Ihm geleitete Hamburger Kunsthalle. Hofmann zeigt dieses um weltbezogen Ironisierende Ersatzpara dies wegen seiner „geschickten formalen Verschlüsselung, die sich als kritische Intelligenz" äußert. Wenn die oberöster reichischen Architekten meinen, daß die Stadtlandschaft die Naturlandschaft schon längst verdrängt hat, meinen sie auch zugleich die nur bedingt erreich bare Alternative dazu: Die Sehnsucht nach der Natur und einer hellen Um welt. Ihre ,,Grüne Lunge", an deren helm artigen Ausgängen ozonreiche und mit Aromastoffen verbesserte Luft geatmet werden kann, Ist sozusagen die künst lich-künstlerische Antwort auf den Koh lenpott und die Luft der Vöest-Landschaft. Sie Ist in den verschiedensten Größen ordnungen denk- und durchführbar. Das ,,künstliche Atmungsorgan für den Stadt bewohner" besitzt seine Wirkung jedoch zweifellos eher im Aufzeigen der konflikt geladenen Misere als In Ihrer Behebung. Die umweltkritlsche Illusion vom frischen Grün Ist ein Aufrütteln der Schlafenden, ein Anstoß für jene, die Ihre Verantwor tung beiseite schieben und die stereo type Ausrede praktizieren. In Ihrer Stoß richtung gleicht die „grüne Lunge" der Schau „COVER - Überleben In ver schmutzter Umwelt", die 1971 Im Haus Lange In Krefeld stattfand. Zunehmend scharfe Kritik an der Stadt landschaft verraten auch die „Landschaftsbllder" neueren Datums. Sie wur den zuletzt von der Kölner Galerle Klang und — begleitet von umweltkritlschen Ob jekten — etwas vorher von der Baseler Galerle Stampa vorgestellt. Es sind Zeichnungen und Photomontagen, die Architektur im Spannungsfeld von Reali tät und Utopie wiedergeben. In ihrer Stoßrichtung, kritisches Bewußtsein zu provozieren, um damit eine auf Verbes serungen abzielende Praxis zu erreichen, gleichen sie den Anfangsprojekten. Der Kreis eines eminent wichtigen Bemühens und Erarbeitens schließt sich so zu einer relativierenden Basis schöpferischer Ver änderung. Sie gibt auch weiterhin allen Anlaß zu Hoffnungen. LINZ BahiAof- ANtheki Linz • Figulystr. 1 (b. Vofksgarten)• Tel. 55066

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