Tiroler Barockbiidhauer in Oberösterreich Erich Egg Der Triumph der Bildhauerkunst des Hochbarocks Im Innviertel hatte seine Ursachen nicht In den hochgestellten Auf traggebern, sondern In seiner Volkstüm lichkeit In einem reinen Bauernland, wo auch die Städte nicht vom großen Welt verkehr, sondern vom umliegenden Land lebten. Der Adel war vor 1624, well er vom Luthertum nicht lassen wollte, aus gewandert, große Klöster fehlten, der ,,gemeine", aber keineswegs arme Mann wollte seine Dorfkirchen mit den Werken der Meister schmücken, die In Ried oder Mondsee arbeiteten. So unterschied sich das Innviertel vom Herzogtum Österreich (Ober- und Niederösterreich), zu dem es erst 1779 geschlagen wurde, denn dort dominierte die nach Italien ausgerichtete Kunst des Wiener Hofes, die bis St. Flo rian Ihre Wirkung tat. Auf der anderen Seite bestand auch Im Hochstift Salz burg eine mit Wien verwandte Hofkunst, die In den Landgebieten kaum einen Niederschlag fand. Eine Situation, die mit der des Innvier tels vergleichbar war, gab es nur noch In Tirol. Auch dort hatte der Adel keine führende Rolle In der Kunst, und die Klö ster waren bescheidene Auftraggeber, denn beide kannten nicht den Reichtum des östlichen Österreich. Was In Inns bruck unter dem Einfluß des Hofes sich abspielte, war der Architektur verpflichtet und nicht der Bildhauerkunst. Ein dem Innviertel besonders verwandter Raum war das Tiroler öberinntal. Dort gab es keinen ansässigen Adel, keine Städte und nur ein Kloster, das Zisterzienser stift Stams. Die Bauern waren die do minierende Gesellschaft. Allerdings stammte Ihre Wohlhabenheit nicht von der bescheidenen Landwirtschaft, son dern von der Saisonarbelt. Im Sommer arbeiteten viele Oberländer In Süd- und Mitteldeutschland als Maurer, Steinmet zen, Zimmerleute und Stukkateure an den großen Kloster- und Schloßbauten und kamen Im Herbst mit voller Geld katze nach Hause. Daheim hätten sie von der kargen Landwirtschaft kaum leben können. Auch die Entwicklung der Barockkunst verlief Im Innviertel und Im Oberland fast gleichartig. Für beide war Schwaben die Heimat der großen Bildhauer, ge nauer gesagt, der Raum von Wellhelm, das seit 1600 dem volkstümlichen Barock der holzgeschnitzten Altäre zum Durch bruch verhalf, als an den Höfen noch der Manierismus mit seinen vornehmen, küh len Werken In Stein und Bronze herrsch te. Das Innviertel und Oberösterreich er hielten aus Schwaben Ihr erstes Barock. Hans Degler von Wellhelm schuf 1614 bis 1618 den Hochaltar In Kremsmünster (jetzt In Grünau), In dem sich balrlsche Handfestigkeit und schwäbische Emp findsamkeit vereinigen. Für das Tiroler Oberland war es der Hochaltar des Wellhelmers Bartlme Steinte In Stift Stams, geschaffen 1609 bis 1612. Der Dreißig jährige Krieg hat die schwäbischen Bild hauer der nächsten Generation zur Ab wanderung nach Oberösterreich gezwun gen: Hans Spindler von Wellhelm nach Stift Garsten (1618 bis 1650), die Brüder Martin und Michael Zürn von Waldsee nach Braunau und Hans Schwanthaier nach Ried. Dort legten sie den Grund für die einzigartige Blüte des ebenso großartigen wie volkstümlichen Hoch barocks, den Thomas Schwanthaier seit 1656 in Ried und später Meinrad Guggenbichier seit 1679 In Mondsee verkörpern. Im Tiroler Oberland verlief die weitere Entwicklung etwas anders. Hier war Schwaben unmittelbarer Nachbar, und junge Tiroler konnten dort Lehr- und Ge sellenjahre verbringen. So haben der Landecker Hans Patsch bei Christof Rodt 1623 In Neuburg an der Kammel und Adam Baidauf In Wellhelm gelernt und sind dann In Tirol In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts die bedeutendsten Bildhauer geworden. Im spllttrigen Faltenstll und den heroischen Gestalten des ersten Barocks durchaus den großen Meistern ebenbürtig. Patsch arbeitete Im Raum zwischen Imst und Meran, Baldauf In Brixen und Im Pustertal. Die nächste Generation traf dann Im Inn viertel zusammen. Der aus See Im Paznauntal stammende Andreas Thamasch (1639 bis 1697) hatte ursprünglich das Kunsttischlerhandwerk in Schwaben ge lernt. Die Altäre des Früh- und Hoch barocks waren das gemeinsame Werk von Tischler und Bildhauer, der Tischler mußte die gedrehten Säulen und die Or namente des Ohrmuschelstlles und der Akanthusranken schnitzen können. Das Oberland hat Im Barock beachtliche Al tartischler aufzuweisen. Als Tischler stand Thamasch lange Zelt Im Dienst des Franz von Schwendl Im schwäbi schen Lauphelm. Dann entschloß er sich, Bildhauer zu werden. Wo er gelernt hat, wissen wir nicht, aber sein Frühwerk Im Oberland, die Kreuzgruppe am Kalvarlenberg In Rietz bei Telfs (1661), zeigt bei aller Grobheit und Massigkeit der Ausführung die Hand eines großen Ta lentes, dem die Dramatik des Gesche hens und die gewaltige Ausdruckskraft angeboren sind. Dann taucht Thamasch plötzlich als Ge selle beim jungen Thomas Schwanthaier In Ried auf, wo man seine Mitarbeit am Florlanlaltar (1669) vermuten darf. 1671 kam es In einer Novembernacht am Platz vor der Apotheke zu einem Auftritt. Andre Straßmayr, Geselle beim Bildhauer Veit Adam Vogl, und Thamasch als Geselle des Konkurrenten Schwanthaier gerieten aneinander. Es fielen harte bajuwarlsche Worte wie Schelm, Bärenhäuter, Hunds leder und schließlich der Vorwurf, Tha masch sei gar kein Bildhauer, sondern nur ein Tischler. Vor dem Stadtgericht wurde der Streit geschlichtet, und der schuldige Straßmayr mußte ein Pfund Strafe zahlen. Thamasch sah sich bei Thomas Schwanthaier In seinen Ideen bestätigt, er erlebte In Ihm einen gleich modernen, dem Hochbarock zugewand ten Künstler. Bald danach verließ er die RIeder Werkstatt und zog welter In die Welt. Vielleicht kam er sogar nach Italien, denn In seinem Werk Ist der unmittel bare Kontakt mit der Kunst des großen Vorkämpfers des Hochbarocks, Lorenzo Bernini In Rom, nicht zu übersehen und geht über das hinaus, was er bei Schwanthaier sehen konnte. Wenn auch viele neue Ideen durch Kupferstiche ver breitet wurden, so konnte das, was Tha masch mit Bernini verbindet, nicht durch sie vermittelt worden sein. 1673 tritt Andreas Thamasch mit einem Schlag unter die großen Bildhauer des Hochbarocks, als er den Auftrag des Hochaltares Im Zisterzienserkloster Kais helm bei Donauwörth erhielt. Dabei hatte das Kloster Stams, dessen Mut terstift Kaishelm war, sicher seine Hand Im Spiel. Ein Jahrzehnt arbeitete Tha masch In Kaishelm, denn dem riesigen Hochaltar mit seinen Statuen der Ver kündigung, der beiden Johannes, Mi chaels und der beiden knienden Engel folgte der tempelartige Tabernakel, das Orgelgehäuse mit Engeln und den Heili gen David und Cäcilla und schließlich 1682 der hl. Josef mit dem Jesusknaben. Dazu kam für den Im Ornamentschnitzen geübten jungen Meister eine Fülle von Ohrmuschelornamenten, Kapitellen und Kartuschen. Diese Ornamentik hat Ihn Immer vollauf beschäftigt, und In Stams liegt noch das Kupferstichwerk des Rut ger Krassmann ,,Archltectur nach anti quarischer Lehr und geometrischer Austhelllung, allen kunstreichen Handwerken zu Nutz und Gefallen Ins Kupfer geschnit-
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