Oberösterreich, 24. Jahrgang, Heft 1, 1974

Kunst der Gegenwart Gestalterische Bewältigung der Umwelt Anmerkungen zur bisherigen Tätigkeit des oberösterreichischen Architektenteams Haus-Rucker-Co. Peter Baum Wenn heute von bildender Kunst und Architektur, von Design und Umraumgestaltung die Rede ist, dann denkt und diskutiert man nicht mehr in einzeinen, streng voneinander abgegrenzten Kate gorien, sondern konzentriert sich mehr und mehr auf gemeinsame Berührungs punkte, auf die vielgenannten Z\wischenbereiche und Mischformen, die ais neue strukturelle gestalterische Möglichkeiten und Methoden für den skizzierten Ge samtbereich wirksam werden. Unter Auf gabe orthodoxer Grenzziehungen ten diert ein beträchtlicher Teil ernstzuneh mender Avantgardisten zum Ambiente oder Environment, zu einer möglichst umfassenden, bildnerisch und soziolo gisch relevanten Umweitgestaitung. Dem impulsevermitteinden Stadium andauern den Experimentierens fehlt es dabei kei neswegs an einer sehr konkreten, Fak ten vermittelnden Basis, für die der Mensch und sein zukünftiges Glück, seine Entfaltungs- und Entwickiungsmögiichkeiten und nicht Organisationen und anonyme Apparate als neues Maß aller Dinge gelten. Nicht politischer (oder künstlerischer) Opportunismus, sondern die gestalterisch vollzogene Anregung und Alternative für ein flexibles Über denken eines hochtechnisierten Morgen sind dabei der Ausgangspunkt von Über legungen und Experimenten, die in ihrer Sprache und den zumeist neuartig formu lierten Bedingungen den Kampf gegen eine kleinkarierte Architekturpraxis auf nehmen. Daß sich eben diese Praxis — eingeschworen auf die üsancen materiel ler und politischer Opportunität und dem zufolge fern jeder Infragestellung - ge gen die neuen Strömungen stellt und sie ais kostspielige Hirngespinste und sinn lose Experimente abtun will, ist leider die Kehrseite der überaus komplexen Gesamtsituation. Trotzdem geben gerade die vergangenen fünf bis zehn Jahre Anlaß zu Optimismus, innerhalb der jungen Architekten, Tech nik- und Kunststudenten vollzog sich auf breiter Basis ein Aufbruch, der ais inter national relevante Bewegung und schöp ferische ünruhe zumindest dort, wo man den Ernst der Situation und die Notwen digkeit von Alternativen erkannt hat, pra xisbezogene Anerkennung fand. Italien, England, die ÜSA und Japan, aber auch so mancher Ostblockstaat mit seinen ge sellschaftspolitisch abweichenden Vor stellungen, wurden zu Keimzellen eines gleichermaßen notwendigen wie zeitge rechten Bestrebens um mehr Effektivität zugunsten von uns allen. in Österreich, dessen schöpferische Po tenz im Bereich neuer bildnerischer Be strebungen die einem Kleinstaat im all gemeinen zugemutete internationale Be deutung bei weitem übertrifft, gibt es so gar eine erstaunliche Breite derartiger Avantgardeteams und ähnlich denken der Einzelpersonen. Ais Architekturuto pisten, Anreger und infragesteiier bauli cher Praxis und künstlerischer Nutzan wendung bilden sie — im Zusammen hang mit einer gleichfalls großen Anzahl hervorragender, wenn auch oft genug deswegen unterbeschäftigter Architektur praktiker — eine Phalanx, deren gesell schaftliches Engagement eine zukunftsorientierte Gemeinschaft mehr und mehr benötigt. Seit Herbst 1967, als die Archi tekten Laurids (Ortner) und Zamp (Gün ther Keip) zusammen mit dem Maler Klaus Pinter das ,,Haus-Rucker-Co." be nannte Arbeite- und Experimentaiteam gründeten, stehen sie in vorderster Linie der einleitend skizzierten Bestrebungen. Der Name sollte sowohl auf das Her kunftsland der drei an Wiener Hochschu len Ausgebildeten hinweisen (der ,,Haus ruck" ist ein bekannter Bergzug in Ober österreich), ais auch ihre Tätigkeit im übertragenen Sinn beschreiben, ,,aite Häuser wegzurücken, um Platz für neue Gestaltungsmöglichkeiten zu schaffen". Die Haus-Rucker schlössen sich zum Teamwork zusammen, weil sie um die Notwendigkeit und den Sinn aufgeteilter Arbeitsfunktionen und einer straffen Or ganisation wußten. Sie erkannten, daß derartige Ökonomie auch auf dem Sek tor künstlerischer ümraumgestaltung und öbjekteherstellung ein Plus ist, das Krea tivität nicht hemmt, sondern fördert. Mit ungeheurem Eifer und einer Fülle an Ideen ging man von Wien aus an die Ar beit, warb um Verständnis und Publizität und legte damit den Grundstein eines öffentiichkeitsgerechten Arbeitsvorgan ges, der von Anfang an um Transparenz und fachliche Diskussion bemüht war. Nach etwas mehr ais einem Jahr konnten die Haus-Rucker bereits zwanzig Proto typen von öbjekten verbuchen, die in ihrer Verbindung künstlerischer Ästhetik und praktischer Anwendung den Erfor dernissen einer immer größer werden den Freizeitgeselischaft gerecht werden sollten. Die Partnerschaft zur Industrie wurde ebenso gesucht wie die zu den Kunstinstituten, obwohl man — gar nicht so selten — da wie dort mit mangelndem Verständnis konfrontiert wurde. Die Schwierigkeiten bei dieser Kontakther stellung, einem strukturellen Wandlungs-

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