Oberösterreich, 23. Jahrgang, Heft 3/4, 1973

Dietmar Assmann **vV * Die Zunftkapellen der Stadtpfarrkirche Ried im Innkreis ßlM Sämtliche Aufnahmen: Josef Mader Seit dem Hochmittelalter sind die Handwer ker samt ihren Familien in „Zünften" or ganisiert, wobei neben den in den Zunft ordnungen angeführten Pflichten auch eine Reihe von Rechten enthalten war, die zur enormen Entwicklung des Handwerks und zum relativen Wohlstand der Mitglieder beitrugen. Lehrlinge, Gesellen und Meister hatten ihre bestimmten Vereinbarungen, zudem waren durch produktionsregelnde Vorschriften Absatz, Preis und Einkommen geregelt, gewissermaßen eine genossen schaftliche Sicherung der wirtschaftlichen Existenz. In Oberösterreich ist die Bildung solcher handwerklicher Vereinigungen un ter der Bezeichnung „Zechen" bis in das beginnende 14. Jahrhundert zurückzuverfolgen. Im 19. Jahrhundert, als die alten Zünfte ihre frühere wirtschaftliche Bedeu tung längst eingebüßt hatten, wurden sie von den „Innungen" abgelöst. Vom alten vielfältigen Brauchtum innerhalb der Zünf te ist noch einiges lebendig, z.B. das so genannte „Gautschen" der Buchdruckerlehr linge. Das Zunftwesen war stark kirchlich-reli giös ausgeprägt, häufig sprach man auch von „Bruderschaften". Besonders deutlich traten diese bei den einst zahlreichen Pro zessionen in der Öffentlichkeit hervor. Bru derschaftsfahnen oder -Statuen und Zunft stangen, die bei dieser Gelegenheit von den einzelnen Gruppen mitgetragen wurden, er innern noch da und dort daran. Diese Bru derschaften, und so auch die diesen ent sprechenden Zünfte, hatten gelegentlich in Kirchen sogar eigene Altäre, machten Meß stiftungen, verehrten bestimmte Heilige als ihre Patrone, sie regelten u.a. auch das reli giöse Leben ihrer Mitglieder. Die Pfarrkirche von Ried i. I. — ursprüng lich gehörte Ried zur Altpfarre Mehrnbach — besitzt noch eine Reihe solcher Zunftal täre. Nach dem Neubau der Kirche von 1721 wurden sie stark erneuert und ent halten u.a. eine stattliche Anzahl von Schnitzwerken der Rieder Künstlerfamilie Schwanthaler. Ein kleiner Rundgang durch die Kirche ist somit nicht nur ein Kunster lebnis, sondern auch mit einem Stück ober österreichischer Handwerksgeschichte ver bunden. An die Funktion als Zunftkapellen erinnern besonders auffallend die in das Gestühl der Kapellen eingearbeiteten Zunftzeichen (siehe Abb.1,3 und 5). Die erste Seitenkapelle links vorne ge hörte der Zunft der Tuchmacher, die in Ried allerdings nur eine bescheidene Rolle spielte. Auf dem Altartisch befindet sich eine Statue des hl. Petrus (Abb. 2), der ne ben vielen anderen Berufen (Fischer, Schlosser, Schmiede, Maurer u.a.) auch die Tuchweber besonders schützt. Häufiger in dieser Funktion ist jedoch der hl. Severin, der Apostel Noricums (gestorben 482), an zutreffen. Sein Bild mit der Inschrift „S. Severinus" ist dem Namen eines Rie der Tuchmachers im Bruderschaftsbuch der Bäcker beigefügt, in die er sich „einge kauft" hat. Die anschließende Kapelle der Müller hat im Altaraufbau auch eine Figurengruppe mit der hl. Anna, ein signiertes Werk von Joh. Peter Schwanthaler aus dem Jahre 1784. In einer Kirchenrechnung aus dem Jahre 1759 heißt es: „Ein Handwerk und Bruderschaft der Markt- und Gäumüller im Markte und Pfleggerichte Ried haben ... nunmehr vermöge Kaufbrief vom 6. Sep tember 1710 den neuen im St.-Peter- und Pauls-Gotteshaus aufgerichteten Altar, Un ser Lieben Frauen im Sessel genannt,.. damit ist die Belehrung Mariens durch die hl. Mutter Anna, die neben anderen Hei ligen von den Müllern besonders verehrt wurde, gemeint. Im erwähnten Bruder schaftsbuch der Bäcker hat sich ein Bäcker ehepaar zusammen mit einer Darstellung der Anna selbdritt verewigen lassen. Ur sprünglich waren die Müller — wie auch in vielen anderen Orten — in der Bäckerzunft vereinigt gewesen. Sie erhielten 1587 von Herzog Wilhelm ihre erste Handwerksord nung, in der ihnen u.a. vorgeschrieben wurde, einen eigenen Altar in der Pfarr kirche zu erhalten und ihn innerhalb der nächsten drei Jahre mit Kelch, Meßgewand, Fahnen und 12 Wachskerzen auszustatten. Das Mahlen und das Brotbacken waren bekanntlich lange Zeit häusliche Arbeiten, aus denen sich das Patronat der hl. Mutter Anna für diese später selbständigen Berufe ableitet. Der ehemalige Annenaltar wurde Ende des 19. Jahrhunderts zu einem Josefsaltar um gewandelt. Die erwähnte Statue der hl. Anna und ein 1947 aufgefundener Fres kenrest von der barocken Kirchenbemalung von 1722, den hl. Nikolaus v. Myra dar stellend, erinnern noch an die einstige Funktion als Bruderschaftsaltar der Müller. Der hl. Nikolaus ist nämlich ebenfalls ein Müller- (und Bäckerjpatron, was auf die alte Legende von den Kornschiffen zurück geht, die in verschiedenen Versionen eine wunderbare Kornvermehrung über Fürbitte dieses ansonsten als Schiffahrtspatron be kannten Heiligen erzählt. In der Kapelle der Bräuer steht der 1699 angefertigte Altar Thomas Schwanthalers

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