Oberösterreich, 23. Jahrgang, Heft 3/4, 1973

einem Betrieb beschäftigten einschlägig aus gebildeten Personen festsetzen sollen. Die Erlassung dieser Ausbildungsvorschriften erfolgt in Form von Verordnungen des BMfHGuI, wobei bei der Ausarbeitung dem durch das BAG ins Leben gerufenen und von Dienstgeber- und Dienstnehmervertretungen paritätisch besetzten Berufs ausbildungsbeirat besondere Bedeutung zu kommt. In diesem Gremium findet also die Zusammenarbeit der Sozialpartner, die überhaupt erst das BAG möglich machte, ihre Fortsetzung. In der Zwischenzeit konn ten die Ausbildungsvorschriften für einen Großteil zumindest der wichtigsten Lehr berufe fertiggestellt werden, abgeschlossen ist diese Arbeit jedoch auch drei Jahre nach dem Beschluß des Gesetzes im Natio nalrat noch nicht. Dafür zeigen sich schon die ersten Schwierigkeiten, vor allem hin sichtlich der Verhältniszahlen. Grundsätz lich ist die Festlegung eines Zahlenverhält nisses zwischen Lehrlingen und ausgebil deten Beschäftigten zu befürworten, da bei einer zu großen Überzahl der Lehrlinge deren Ausbildung in der Regel nicht ent sprechend gewährleistet erscheint. Zwei Dinge sind jedoch zu bedenken: einerseits der Umstand, daß es vor dem BAG nur in ganz wenigen Branchen auf Grund ent sprechender Innungsbeschlüsse Verhältnis zahlen gab und andererseits die mangelnde Mobilität der Lehrstellenwerber vor allem auf dem Lande. Die Neuheit der Verhält niszahlen hat besonders dann negative Auswirkungen, wenn das zulässige Zah lenverhältnis zu streng festgelegt wurde. Da die Neuaufnahme eines Lehrlings erst möglich ist, wenn es die Zahlenverhältnisse zulassen, muß zuerst die Anpassung der im Betrieb vor dem Inkrafttreten der Ausbil dungsvorschriften gegebenen Zahlenverhält nisse an die neuen Bestimmungen abge wartet werden. Hier kann der Fall eintreten, daß vor allem in Branchen mit überwiegend kleingewerb licher Struktur auf längere Zeit hinaus praktisch ein vollkommener Lehrlingsstop eintritt; ein Umstand, der überaus große Nachwuchsprobleme hervorrufen kann. Aber nicht nur aus der Sicht der Betriebe sind die Verhältniszahlen mit Problemen verbunden, sondern auch aus der Sicht der Lehrstellenwerber selbst. Gerade auf dem Land, wo die Zahl gleichartiger Lehrbe triebe nicht so groß ist, kommt es immer wieder vor, daß ein Lehrstellenwerber sei nen erwählten Lehrberuf deshalb nicht er lernen kann, weil er auf Grund der Ver hältniszahlen von keinem der umliegenden Betriebe aufgenommen werden darf. Ein Ausweichen in einen anderen Bezirk oder in ein Stadtgebiet mit einem größeren An gebot von Lehrbetrieben ist dem Lehrstel lenwerber in der Regel nicht möglich, da es an geeigneten Unterkunftsmöglichkeiten fehlt. Vielleicht kann dieses Problem ein mal durch die verstärkte Errichtung von Lehrlingsheimen in Ballungsräumen gemil dert werden, derzeit ist es jedenfalls evi dent. Schwierigkeiten bringen auch die Bestim mungen über die vorzeitige Auflösung des Lehrverhältnisses mit sich. Die Auflösungs möglichkeiten waren bereits in der Gewer beordnung gegenüber den für normale Dienstverhältnisse geltenden Bestimmun gen wesentlich eingeschränkt. Das BAG führte diese Einschränkung noch weiter, so etwa durch die vollkommene Eliminie rung einer Kündigungsmöglichkeit. Die ein seitige Auflösung durch einen Vertragspart ner wurde außer während der 3monatigen Probezeit, in der das Lehrverhältnis von beiden Seiten jederzeit gelöst werden kann, auf das Vorliegen ganz bestimmter, im Ge setz taxativ aufgezählter Auflösungsgründe beschränkt. Ist diese Maßnahme im Hin blick auf die besondere Art des Ausbil dungsverhältnisses noch grundsätzlich zu bejahen, führt die weitere Bestimmung, daß nur schriftliche Auflösungserklärungen rechtswirksam sind, zu großen Schwierig keiten und sinnlosen Ergebnissen. Diese Formvorschrift wird nämlich immer wieder sowohl vom Lehrherrn, vor allem aber von den Lehrlingen nicht befolgt. Die Folge ist ein weiterhin formal aufrechtes Lehrverhält nis, obwohl beide Vertragspartner in der Meinung, dieses sei aufgelöst, schon längst getrennte Wege gehen. Dies führt zum weiteren unbefriedigenden Ergebnis, daß dem Lehrling Lehrzeiten formal anzurech nen sind, während derer er gar nicht in Ausbildung gestanden hat. Hier hat die aus einem Schutzgedanken heraus eingeführte Formvorschrift wohl ihren Sinn verloren und sich in das Gegenteil verkehrt. Das BAG enthält weiters umfangreiche Verfahrensvorschriften über die Protokol lierung der Lehrverträge bei den innerhalb der Kammerorganisation errichteten Lehr lingsstellen. Diesen Lehrlingsstellen, die im Bereich des Gewerbes bei der jeweiligen Landesinnung eingerichtet sind, obliegt u.a. die Überwachung der Lehrlingsausbildung, die Prüfung der Voraussetzungen für die Lehrlingsaufnahme, die Eintragung der Lehrverträge und schließlich die Abhaltung der Lehrabschlußprüfungen. Hinsichtlich dieser Prüfungen enthält das BAG wieder um nur grundsätzliche Bestimmungen, wäh rend die detaillierten Vorschriften in den Prüfungsordnungen festgelegt werden sol len, die wiederum in Form von Verordnun gen des BMfHGuI erlassen werden. Diese Prüfungsordnungen werden derzeit erst im Berufsausbildungsbeirat ausgearbeitet und sind noch nicht erschienen. Bis zu ihrem Inkrafttreten werden Prüfungen soweit möglich auf Grund der bisherigen Prü fungsordnungen durchgeführt, bei Lehr berufen, die durch die Lehrberufsliste neu geschaffen wurden, können hingegen keine Prüfungen abgehalten werden. Es zeigt sich also, daß mit der rechtlichen Neuordnung der Berufsausbildung ein umfangreiches Werk begonnen wurde, das bis heute noch nicht abgeschlossen werden konnte. Entwicklung des Lehrlingsstandes seit 1954 Mit dem Berufsausbildungsgesetz wurde eine neue rechtliche Grundlage für die Lehr lingsausbildung geschaffen. Die Bedeutung, die die Lehrlingsausbildung auch heute für die gesamte österreichische Wirtschaft und innerhalb dieser für das Gewerbe hat, läßt sich aus der Entwicklung des Lehrlingsstan des in den letzten 20 Jahren entnehmen. Im Jahre 1954 gab es in Österreich insge79.846, d. s. 59,4 Prozent, im Gewerbe beschäftigt waren. In Oberösterreich be standen zu dieser Zeit 19.124 Lehrverbestanden zu dieser Zeit 19.124 Lehrver hältnisse, was einen Anteil von 17,4 Pro zent am österreichischen Gesamtstand aus macht; der Anteil des Gewerbes betrug in Oberösterreich 11.854 oder 61,9 Prozent. Die weitere Entwicklung brachte einen stei len Anstieg bis 1957 auf 159.060 Lehrlinge insgesamt, davon 101.200 oder 63,6 Prozent im Gewerbe, dann einen kontinuierlichen Rückgang bis 1961 auf 143.750 insgesamt, davon 87.400 oder 62 Prozent im Gewerbe und schließlich wieder einen Anstieg der Lehrlingszahlen mit kleinen Abweichungen bis 1965 auf 150.296, davon 89.277 oder 59,4 Prozent im Gewerbe. Eine ähnliche Auf- und Abwärtsbewegung ergab sich in Oberösterreich, wo im Jahre 1965 24.361 Lehrlinge(= 16,2 Prozent der österr. Lehr linge) und davon 14.481 oder 59,4 Prozent im Gewerbe beschäftigt waren. Aus der Sicht des Gewerbes ist vor allem zu beobachten, daß zwar auch hier die ab soluten Lehrlingszahlen anstiegen, aber der Anteil der Lehrlinge im Gewerbe an den Gesamtzahlen sowohl auf Bundes- als auch Landesebene kontinuierlich zurück ging. Die Steigerungsraten im Gewerbe wa ren also durchwegs geringer als in den übrigen Bereichen der Wirtschaft. Dieser relative Rückgang wurde vor allem durch überdurchschnittliche Wachstumsraten im Handel, der seinen Anteil von 16 Prozent im Jahre 1954 auf 21,6 Prozent im Jahre 1965 erhöhte, sowie im Fremdenverkehr, dessen Anteil von 1,4 auf 4,5 Prozent im Jahre 1965 anstieg, verursacht. Das Jahr 1966 brachte mit dem Inkrafttre ten der 9jährigen Schulpflicht einen enor men Rückschlag in der Entwicklung des Lehrlingsstandes, der rein zahlenmäßig bis heute nicht völlig überwunden werden konnte. Die Lehrlingszahlen gingen auf Bundesebene 1966 um 23,5 Prozent von 150.296 auf 114.903 zurück. Den gleichen Prozentsatz von 23,5 verzeichnete das österreichische Gewerbe bei einem Rück gang von 89.277 auf 68.276. Noch stärker fiel der prozentuelle Rückgang in Ober österreich aus, nämlich 23,8 Prozent von 24.361 auf 18.547, wobei das Gewerbe am stärksten betroffen war. Hier betrug der Rückgang 24,9 Prozent von 14.481 auf 10.875.

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