Oberösterreich, 23. Jahrgang, Heft 3/4, 1973

Rudolf Trauner • • Überlegungen für das Gewerbe in Oberösterreich Im herkömmlichen Sprachgebrauch wird unter dem Gewerbe im wesentlichen das Handwerk verstanden in Unterscheidung zum Handel und zur Industrie. Gemeint ist hierunter die Herstellung von Gegen ständen des täglichen Gebrauches und die Erbringung von Leistungen des täglichen Bedarfes durch einen fachkundigen Mei ster in vorwiegend händischer Arbeit unter Mithilfe von Gesellen und Lehrlin gen in einer Werkstätte nicht zu großen Umfanges. Die landläufige Vorstellung von einem Handwerker ist jedoch in Wirklich keit bereits weithin überholt, wie noch aus zuführen sein wird. Die Darstellung der Entwicklung und der heutigen Lage des handwerklichen Ge werbes kann jedoch nicht ohne Bezugnahme auf den Handel und auf die Industrie als weitere und in ihren wirtschaftlichen Funktionen sehr bedeutungsvolle und mächtige Gewerbezweige geschehen, weil deren Vorhandensein auf das handwerk liche Gewerbe einen bestimmenden Einfluß ausübt. Diese Tatsache ist durch die tech nische, wirtschaftliche und soziale Entwick lung nicht nur im Lande Oberösterreich, sondern unausweichlich auch im übrigen Bundesgebiet und schließlich darüberhinaus in der Welt bedingt. Wei ters ist der Zusammenhang zwischen dem Gewerbe und dem Handel sowie mit der Industrie in den gesetzlichen Vorschriften begründet. Die gewerberecht lichen und fast alle für die Gewerbeaus übung maßgeblichen Gesetzesvorschriften (wie über die Interessenvertretungen, die Berufsausbildung, den Arbeitnehmerschutz, die Kinder- und Jugendbeschäftigung, den Marken- und Musterschutz, das Gesell schafts- und Genossenschaftsrecht, die Steuern und Abgaben usw.) sind nämlich auf Grund der Bundesverfassung Bundes gesetze. Diese nur sehr pauschal gehaltenen Hin weise sollen andeuten, daß die Intentionen für das Gewerbe in Oberösterreich maß geblich von den Gegebenheiten, Ereignissen und Entwicklungen abhängen, die außer halb des Landes bestehen und entstehen. Neben diesen von außen kommenden Ein wirkungen bestimmen selbstredend auch die im Lande selbst vorhandenen Verhält nisse, eintretenden Ereignisse und Ent wicklungen die Intentionen für das Ge werbe. Die Geschichte des Landes Oberösterreich enthält vielfache Hinweise und Zeugnisse, daß bereits zur Zeit der Besiedlungsanfänge neben dem Handel handwerkliche Tätig keiten ausgeübt wurden. Die Anfänge handwerklicher Tätigkeiten im Lande reichen also in die geschichtliche Urzeit zurück. Die im Lande vorhandenen oder erzeugten Materialien (wie Holz, Stein, Leim, Leder, Hanf, Flachs, Getreide usw.) waren die natürlichen Voraussetzungen für das Entstehen einer großen Reihe boden ständiger Handwerksbetriebe. Der Handel brachte auch fremdländische Stoffe und Materialien (wie Erze, Metalle) ins Land, die den Kreis der Handwerke erweiterten. Die Versorgung der Handwerksbetriebe mit den erforderlichen Rohstoffen und Materialien, sowie der Absatz der hand werklichen Erzeugnisse führten zu einer starken Belebung des Handels- und zur Ausweitung des Personen- und Güter transportgewerbes. Diese Belebung des wirtschaftlichen Geschehens förderte die rasche Entwicklung des Gast- und Beher bergungsgewerbes. Handwerk und Handel brachten sehr bald das Marktwesen im Lande zur Entfaltung und entwickelten sich neben der Urproduktion der Land- und Forstwirtschaft sowie des Bergbaues zu maßgeblichen Trägern der wirtschaftlichen Entwicklung. Die Güte der verwendeten Materialien und die fachlich gediegene Aus führung der handwerklichen Erzeugnisse und Leistungen haben dem Handwerk einen hervorragenden Ruf eingebracht und den Gewerbebetrieben aller Art eine solide Voraussetzung für die Weiterentwicklung geschaffen. Für das Entstehen und die weitere Ent wicklung der einzelnen Gewerbe war aber schon damals ein Umstand maßgebend, der vom Gewerbetreibenden selbst nur in sehr beschränktem Maße beeinflußt werden konnte, nämlich der Bedarf an den herzu stellenden Gegenständen und an den zu erbringenden Leistungen. Die Bedarfs schwankungen, deren Ursachen meistens außerhalb der Gewerbetreibenden lagen, rührten jeweils unmittelbar an die Existen zen der hievon betroffenen Betriebe. Auf solche maßgeblichen Umstände oder Er eignisse, die Ursachen von existenzbe drohenden Bedarfsschwankungen waren, kann hier nicht näher eingegangen werden; jedoch soll ein kurzer Hinweis auf die Naturereignisse, Mißernten, Kriege, Epi demien usw. im Lande selbst oder in den auswärtigen Einkaufs- oder Absatzgebieten genügen. Für die Tatsache, daß die Be darfsschwankungen viele Gewerbetreibende in ihrer Existenz arg bedrängten und in ihrer Entwicklung hemmten oder gar ver nichteten, enthält die Geschichte eines jeden einzelnen Gewerbes ungezählte Be weise. Um diesen wiederholt auftretenden und meistens auch existenzbedrohenden Be darfsschwankungen mit einigem Erfolg ent gegenzuwirken und die betrieblichen Exi stenzen krisensicherer gestalten zu können, kam es auch in Oberösterreich sehr früh zu Solidarisierungen der in bestimmten Ge bieten dieselbe Tätigkeit ausübenden Ge werbetreibenden in Gremien, Zünften oder Innungen, vor allem der handwerklichen Gewerbe. Zweck dieser Selbsthilfeorgani sation war es in erster Linie, die bestehen den Betriebe in ihren Existenzen zu sichern und die hiezu zielführenden Maßnahmen zu treffen. Im wesentlichen sind als solche Selbsthilfemaßnahmen zu nennen: durch gediegene Leistungen die Nachfrage zu er halten und zu steigern, für die soliden Leistungen das gerechtfertigte Entgelt zu verlangen, die Art und den Umfang der Gewerbeausübung den tatsächlich vor handenen Bedarfsverhältnissen anzupassen und schließlich auch die Anzahl der Ge werbebetriebe festzulegen. Diese wirt schaftlich durchaus richtige und vernünftige Zielsetzung hat einen wirtschaftlich ge sicherten, fachlich hervorragend ausgebil deten, betrieblich leistungsfähigen und ge sellschaftlich geachteten Gewerbestand her vorgebracht Der goldene Boden des Hand werks wurde sprichwörtlich. Es soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, daß in Einzelfällen Ängstlichkeit, Engstirnigkeit, Rücksichts losigkeit oder Geldgier einen unsozialen und wirtschaftswidrigen Zunftgeist ent stehen ließen, dem Unterlassungen oder Maßnahmen entsprangen, die einzelnen Betrieben oder Gewerben bis heute nach wirkende Vorwürfe eingebracht haben. Die erwähnten Selbsthilfeorganisationen trugen

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