Einer der wenigen Jugendstilbauten in Linz ist das Eckhaus Scharitzerstraße 12 — Südtiroler straße, in dem 1908 das neu geschaffene Ge werbeförderungsinstitut seine Wirksamkeit begann. — Foto: Bibliothek der Handelskam mer für Oberösterreich gewerbetreibenden unter den Wählern weitaus die Majorität bilden." Diese Gliederung der für die Kammer wahlberechtigten Selbständigen war gleich sam ein Spiegelbild der Wirtschaftsstruktur des Landes an sich. Noch war Oberöster reich ein überwiegend agrarwirtschaftlich orientiertes Land. Von den 745.000 Ein wohnern gehörten mehr als die Hälfte ihrer Existenzgrundlage nach zur Landund Forstwirtschaft, nur 17 Prozent lebten von der gewerblichen Wirtschaft. Der Wert der bäuerlichen Ernte erreichte etwa das Dreifache der Wertschöpfung von Industrie und Gewerbe. Gerade in diesem Bereich bahnte sich jedoch ein tiefgreifender Wan del an, — bedingt durch das Aufkommen der Maschinen und Entwicklungen im Pro duktionsgeschehen, — ebenso aber auch durch die Entwicklung des modernen Ver kehrs mit seinen Möglichkeiten zur Be wältigung der Massenbeförderung, — nicht zuletzt aber durch die Kodifizierung des neuen Gewerberechtes von 1859. Die nach langen Geburtswehen erlassene Gewerbe ordnung stand im Zeichen liberal-freiwirt schaftlicher Tendenzen und brachte eine wohl modifizierte, aber doch sehr weit gehende Gewerbefreiheit. Schlagartig stieg die Zahl der gewerblich Selbständigen im Lande an, was vielfach zu düsteren Progno sen Anlaß gab. Die Zahl der Gewerbetreibenden in Ober österreich hatte Anfang 1859 39.727 be tragen, sie erhöhte sich allein in der zweiten Jahreshälfte von 1860 um 3223 und erreichte 1861 nicht weniger als 44.337. Allerdings war damit ein Kulminations punkt erreicht. 1868 war die Gesamtzahl wieder auf 39.585 abgesunken; es hatte eine Anpassung an die tatsächlich gegebe nen Erfordernisse stattgefunden, was die Kammer zu der triumphierenden Feststel lung veranlaßte, „daß die Freiheit der Be wegung am allersichersten für die Hebung des Wohlstandes wirkt, und daß die Frei heit der Gewerbe keineswegs zum Proleta riat führte, sondern im Gegenteil eine hö here Produktion der einzelnen Gewerbe ins Leben gerufen hat". Diese Feststellung ist allerdings auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu be ziehen und weniger auf das Gewerbe im engeren landläufigen Sinne des Wortes. Die Gewerbefreiheit führte zu einem Ausleseund andererseits einem gewissen Konzen trationsprozeß, der vorwiegend den größe ren und mittleren Unternehmungen zugute kam. Der Produktionswert dieser 3200 be- ■ ■•i MM Hap>r • m 5^. iLy-, j Iii r--- i 1 f il n deutenderen Erzeugungsstätten, zu denen auch die etwa 300 Fabriken zählten, stieg allein von 1863 bis 1868 von rund 9 auf mehr als 17 Millionen Gulden bzw. auf fast das Doppelte an. Die Zahl der Arbeiter in diesen Betrieben erhöhte sich hierbei nur von 8969 auf 11.467 bzw. um ein knappes Drittel. Das Gespenst der Arbeits losigkeit war in breiten Bevölkerungskrei sen immer gegenwärtig und berührte mit hin auch das von einer möglichst weitge streuten Kaufkraft abhängige Kleinge werbe. Daß es hierbei um weit mehr als die Hälfte der gewerblich Selbständigen ging, läßt z. B. die Statistik über das „Summarium der Fabriken, Handlungen, Gewerbe und freien Beschäftigungen" aus 1860 er kennen, laut der von 42.575 Unternehmern in Oberösterreich 25.836 in Erzeugungs und Leistungssparten tätig waren, die unseren heutigen Kriterien nach dem Ge werbe zugeordnet werden müßten. Die Liste der Berufe macht hierbei deutlich, in welchem Umfange sich bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die allgemeinen Lebensverhältnisse geändert haben und wie einschneidend in vielen Bereichen der Umstellungs- und Anpas sungsprozeß auf die gewandelten Bedürf nisse und Marktbedingungen gewesen ist. Manche der gewerblichen Berufe, die vor hundert Jahren verschiedentlich noch recht zahlreich präsent waren, muten heute etwas kurios an bzw. müssen in ihrer Benennung erst gewissermaßen auf die jetzigen Be zeichnungen übersetzt werden. So gab es 1860 in Oberösterreich immerhin noch zehn
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