Oberösterreich, 23. Jahrgang, Heft 3/4, 1973

deutenden Beschäftigtenstand, der aller dings konjunkturbedingt sehr starken Schwankungen unterworfen war. Zur Ver meidung eines zu stark wachsenden Industrieproletariats trachteten die verant wortlichen Landesstellen in Oberösterreich, neben der Gründung industrieller Unter nehmungen auch den gewerblichen Klein betrieb zu fördern. Dies war nun eine Aufgabe, der sich die 1851 gegründete „Handels- und Ge werbekammer" in besonderer Weise an nahm. Viele Jahre der neuabsolutistischen Epoche des jungen Kaisers Franz Joseph, die dem Revolutionsjahr von 1848 folgte, erachtete sich die Kammer nicht nur als Wortführerin des sich politisch mündig fühlenden liberalen Bürgertums, sondern gewissermaßen auch als Gesamtrepräsen tanz der oberösterreichischen Bevölkerung. Und obwohl extrem freiwirtschaftlich ein gestellt und jeglichen zunftmäßigen Be schränkungen abhold, betonte die Kammer zugleich die besondere Förderungswürdig keit des Kleingewerbetreibenden sowie des sen Recht auf gleichwertige Mitbestim mung in der Wirtschaftsorganisation. Sie verfolgte in dieser Richtung oftmals eigene Wege einer progressiven Fortschrittspolitik, die sie von den Wirtschaftsvertretungen anderer Kronländer unterschieden. So war sie nicht nur ein unentwegter Verfechter eines freien Spiels der Wirtschaftskräfte, sondern ebenso ein Vorkämpfer einer ge meinschaftlichen Bewältigung jener Pro bleme, wie etwa der Aufbau eines gewerb lichen Bildungswesens, der Errichtung von Kreditinstituten usw., die nur durch einen Zusammenschluß der Kräfte gelöst werden konnten. In diesem Sinne nahm die „Handels- und Gewerbekammer des Landes ob der Enns" schon vom ersten Jahr ihres Bestandes eine kämpferische Stellung gegen das auch für die Wahlen in die Kammer damals allge mein geltende System des Steuerzensus ein. Ausgehend von dem Gedanken, daß die Mitsprache des Staatsbürgers in öffent lichen Angelegenheiten von seiner Steuer leistung abhängig sein soll, waren auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen nur jene Handels- und Gewerbetreibenden aktiv wahlberechtigt, die 1850 mit einer Erwerbssteuer belegt waren, welche minde stens zehn Gulden erreichte. Hierdurch war nicht einmal ein Zehntel der selbständig Erwerbstätigen wahlberechtigt. Unter dem Motto „Jeder Handels- und Gewerbetrei bende hat gleichen Anspruch auf die Ver tretung seiner Interessen" begann die ober österreichische Wirtschaftsvertretung ein zähes Ringen, das 1868 zu einem ersten Erfolg führte. Durch das „Definitive Reichsgesetz über die Handels- und Ge werbekammern" wurde der oberöster reichische Steuerzensus auf fünf Gulden herabgesetzt. In späteren Jahrzehnten folgten dann etappenweise weitere Er mäßigungen, die jedoch mit einer Ein teilung in Kurien verbunden waren. Diese Kurieneinteilung und damit auch die letzten Regelungen nach einem Steuerzensus wur den erst geraume Zeit nach dem ersten Weltkrieg aufgehoben. Zur Zeit der Gründung der oberösterreichi schen Handels- und Gewerbekammer wur den im Lande rund 37.500 Gewerbetrei bende gezählt. Hiervon waren nur 707 Selbständige aus dem Handelsstande und 2850 aus dem Gewerbestande für die Kammer wahlberechtigt. Durch Halbierung des Steuerzensus 1868 schnellte die Zahl der Wahlberechtigten auf 10.430 empor, hiervon 2412 Kaufleute und 8018 Personen aus dem Gewerbestande. Hierzu stellte die Kammer in ihrem „Summarischen Bericht" über die Jahre 1868/69 fest: „Die Kammer hat in ihrem Gutachten die Absicht aus gesprochen, daß alle Gewerbetreibenden wahlberechtigt sein mögen, allein dieser Grundsatz konnte nicht durchdringen. Des sen ungeachtet beweist nun das Verzeich nis der Wahlberechtigten, daß die KleinDie BIbllotliek der Handelskaeinier Oberösterreich s <■ - 1 . Iii .Iii ElMMiilBBBaffli Linz, Handelskammergebäude, Eingang Mozartstraße, Haustor '■'I steht als öffentliche Bibliothek Interessenten Zirka 46.000 Bände, rund 1000 Jahrbücher, aus allen Bevölkerungskreisen zur Verfügung. Zeitungen und Zeitschriften. H Freie Benützung des Lesezimmers, kostenlose Bücherentlehnung. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag täglich von 8 bis 12.30 Uhr und von 13.30 bis 16 Uhr, jeden ersten Samstag im Monat von 9 bis 12 Uhr. auptsächliche Fachgebiete der Bibliothek: Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Rechtswissenschaften, Betriebswirtschaft, Technologische und gewerbliche Fachliteratur.

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