Oberösterreich, 23. Jahrgang, Heft 3/4, 1973

Deckblatt der Handvverksordnung der Zimmer leute von Freistadt aus dem Jahre 1594. — Foto: H. Lackner terschieden sich in der Hauptsache durch die bei den geschenkten Zünften vorge schriebene Wanderpflicht und dem An spruch des Wandernden auf das „Ge schenk" = Reiseunterstützung; zur Gruppe der „geschlossenen" zählten all jene Zünfte, die für längere Zeiten die Aufnahme ins Handwerk ausschlössen. Die für das oberösterreichische Zunftwesen interessanteste Gruppe ist aber die vierte, die der „gesperr ten" Zünfte, von denen es im ganzen alten deutschen Reich solche nur in zwei Städten gab, nämlich in Nürnberg und Freistadt*-. Den dieser Gruppe angehörigen Mitglie dern war nicht nur das Wandern verboten, sie waren, um keine Fertigungsmethoden oder Erzeugungsvorteile der Konkurrenz verraten zu können, vom ersten Tag der Aufnahme in die Zunft an die Stadt ge bunden, aus der sie ohne Erlaubnis nicht ausziehen durften. Zu solchen Handwerken zählten die Alabasterer, Beckenschlager, Brillenmacher, Decken- und Teppichmacher, Gold- und Silberdrahtzieher und eine Reihe anderer. Die Stärke des zünftischen Handwerks lag in seiner Organisation, der Versammlungs freiheit, dem Zunftzwang und der eige nen Gerichtsbarkeit in inneren Angelegen heiten. Über das Zunftwesen ist schon viel geschrieben worden. Positives und Negati ves. Ein objektives Urteil läßt sich jedoch nur bilden, wenn man die Zeiten und Be dingungen, unter denen das Handwerk einst zu leben hatte, einer eingehenden Prüfung unterzieht. Ohne die Zunft als Schutzverband hätten Meister und Gesellen nicht bestehen können, denn die Hand werker waren lange Zeit gegenüber dem Vollbürger und Handelsherren nur zweitrangige Bürger. Eine Ausnahme bildete hier die Stadt Eferding, in der die Handwerker sogar Hauptträger des Wirtschafts- und Gemeinwesens der Stadt waren*®. Macht kämpfe, wie sie in den großen Reichsstäd ten zwischen Patriziern und Handwerkern ausgetragen wurden, flammten in Ober österreich nur vereinzelt und in geringem Ausmaß auf, so z. B. in Steyr, als dort 1506 die Handwerker gegen den Rat der Stadt aufstanden'"*. Die Ursache lag wohl darin, daß es in Oberösterreich nur in dieser Stadt ein Patriziat im üblichen Sinne des Wortes gab, wenngleich auch anderswo der gesell schaftliche Abstand zwischen Bürgertum und Handwerk ein sehr großer war. Die unterschiedlichen Kleidererlässe lassen die Gegensätzlichkeiten jener Zeiten erkennen, im besonderen war es aber die Monopol stellung der reichen Handelsherren, die diese nicht abgeben wollten, z.B. das den Handwerkern von diesen streitig gemachte Recht, in vermieteten Häusern Gewerbe auszuüben, welches 1530 ein Eingreifen Kaiser Ferdinands nötig machte, um den Handwerkern ihre alten Privilegien zu sichern*''"'. Die recht unterschiedliche Stellung der Handwerker in Oberösterreich erweist sich daraus, daß noch im 16. Jahrhundert in Steyr nur 3 Messerer als Angehörige des vornehmsten und stärksten Handwerks der Stadtregierung zugezogen*" und in Linz erst 1676 ein Handwerker in den Rat der Stadt gewählt wurde*'. Hingegen hatte in Freistadt schon 1397 Petrus der Fleischmann die Stadtrichterwürde inne*" und auch in Eferding und anderen Orten Oberöster reichs versahen frühzeitig Handwerker ihre Aufgaben im Stadtrat*". Die im Handwerk immer mehr um sich greifende Spezialisierung führte dazu, daß Steyr 1525 mit 22 Zechen an der Spitze der oberösterreichischen Städte stand und bis 1655 in Linz an die 50 Zünfte Handwerksfreiheiten erhalten hatten. Die oberöster reichischen Handwerksordnungen unter schieden sich in ihren Grundzügen wenig von denen der Nachbarländer. Sie regelten die Pflicht zur Teilnahme an den von der Zunft gebotenen Gottesdiensten und Pro zessionen, enthielten die Vorschriften über die Höhe der Umlagen, die Wahl der Zech meister, das Aufdingen der Lehrlinge und das Ledigsagen (Freisprechen) derselben, die Meisterstücke und sonstigen Bedingun gen für die Aufnahme ins Handwerk, die Wanderschaft, sowie arbeits- und sozial rechtliche Bestimmungen über Arbeitszeit, Zahl und Entlohnung der Gesellen und die Fürsorge für erkrankte oder in Not geratene Zunftmitglieder, weiters sonstige dem ge meinsamen Vorteil zuträgliche Maßnah men, wie das Verbot des Abwerbens von Arbeitskräften, des Fürkaufes, der Pfu scher- und Störerei usw. In der ersten Zeit des sich entwickelnden Handwerks gab es noch keine gelernten Gesellen, erst mit dem Entstehen der Zünfte wurde eine geregelte Lehrzeit obligat. Im Freistädter Bäckenrecht aus dem Jahre 1397 ist davon die Rede, daß die Leute vom Land die Kinder in die Stadt geben, um das Handwerk zu erlernen®". Ein Mindestalter war anfänglich nur in we nigen Zunftordnungen vorgeschrieben. Manche Handwerke verlangten ein „ziembliches" Alter, andere schrieben ein solches von 15 oder 16 Jahren vor. Grundverschie den war die Dauer der Lehrzeit; die Zim merer von Gmunden, Wels und Waizenkirchen begnügten sich mit einer zweijäh rigen, die Schuhmacher von Kremsmünster, die Schmiede von Schwertberg, die Maul trommelmacher von Mölln und die Drechs ler von Orth schrieben drei Jahre vor. Die Grieskirchner Weber, die Lebzelter aus Schärding und die Schuhmacher aus Orth verlangten vier, die Maurer und die Stein metzen sowie die Steinbacher Messerer fünf und die Sarleinsbacher Schuster sechs Jahre, wobei bei letzteren der Lehrling nach drei Jahren Lohnempfänger, aber erst nach wei teren drei Jahren freigesprochen wurde. Die längste Lehrzeit kennen wir bei den Steyrer Goldschmieden, wo sie sieben bis neun Jahre betrug. Von einer regelmäßigen Ent lohnung, einer Lehrlingsentschädigung, ist in den meisten Ordnungen nur allgemein die Rede. So erhielt bei den Steyrer Haf nern der Lehrling im vierten Jahr Lohn und ein gebührendes Kleid, die Kirchdorf-Micheldorfer Sensenschmiedordnung aus dem Jahre 1604 billigte einem Junger im ersten

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