Oberösterreich, 23. Jahrgang, Heft 3/4, 1973

Franz Wenninger Oberösterreichisches Zunftleben Bis weit ins 13. Jahrhundert stehen uns auf oberösterreichischem Boden keine Quellen über eine handwerkliche Betätigung im Sinne einer gewerblichen Gewerbeaus übung zur Verfügung. Wir wissen nur, daß die weit voneinander wohnhaften Men schen selbst ihr Brot buken, den Stier mit eigener fiand schlugen, ihr Geschirr form ten, Flachs und Wolle spannen und im Hausbetrieb das erzeugten, was sie zum täglichen Leben brauchten. Erst in der zwei ten Hälfte des 13. Jahrhunderts führte diese Betätigung zum handwerklichen Erwerb. 1259 bestimmte Bischof Otto von Passau die Abgaben, die ein ungelernter Bäcker, wenn er backen wollte, zu leisten hatte^ und da und dort tauchen, urkundlich beleg bar, Berufsbezeichnungen und Handwer kernamen auf. In dem 1316 von den Her zögen Otto und Heinrich der Stadt Schär ding verliehenen Freiheiten sind die den Bäckern, Fleischern, Wirten und Salzferti gern erlaubten Tätigkeiten genau gere gelt-. Wir ersehen daraus, daß in der Zeit vor und während der Städte- und Märkte gründungen neben den in den Klöstern und auf dem Lande vorherrschenden Lohn- und Störwerkern ein neuer Handwerkertyp im Entstehen begriffen war, nämlich der des seßhaften und behausten Vollhandwerkers. Auf diesen waren die Städte in ihren Grün dungszeiten angewiesen, sie boten daher den ihren Grundherrschaften entlaufenen Handwerkern Schutz, wogegen diese sich befleißigten, sich nutzbar und unentbehr lich zu machen, was ihnen umso leichter möglich wurde, als ihnen sowohl die Sorge um die bürgerliche Nahrung, wie auch der Schutz der Stadtgrenzen mitanvertraut war. Die Bedeutung des Handwerks jener Zei ten läßt sich aus der Verfügung Herzog Albrechts vom Jahre 1377 erkennen, in der dieser allen Handwerkern aus anderen Or ten die Erlaubnis erteilte, ungehindert in die Stadt Enns zu ziehen und dort in glei cher Weise wie die schon seßhaften ihre Arbeit zu verrichten®. Dementgegen war man aber überall, wo sich grundherrschaft liche und städtische Interessen berührten und der Bedarf an Handwerkern gedeckt schien, bemüht, ihren weiteren Zuzug ein zudämmen bzw. die Belieferung der Stadt bewohner durch die vor den Stadtmauern wohnhaften Gäumeister zu unterbinden. So waren beispielsweise den zur Herrschaft Orth gehörenden Traundorfern nach dem den Gmundnern von Herzog Rudolf 1360 verliehenen Meilenrecht nicht nur das Brot backen und Weinschänken, sondern auch das Schnitzen hölzerner Figuren und die Anfertigung von Werkzeugen aus Holz verboten''. Da die Grundherrschaften aus verständlichen Gründen ihre handwerkli chen Untertanen ebenfalls schützten und daher die gegen diese gerichteten Verfü gungen wenig Erfolg zeitigten, begannen die Handwerker bald, sich vorerst, im Ge gensatz zu späteren Zeiten, noch auf frei williger Basis und häufig auch in Form von religiösen Bruderschaften als „Einungen" zusammenzuschließen. Die Bildung echter handwerklicher Vereinigungen ist in Ober österreich erstmals in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts nachweisbar, doch treten diese hier fast nie unter der Bezeichnung „Zunft", sondern meist als „Zeche", „Bru derschaft" oder „Handwerk" auf. Erstmals stoßen wir 1328 und 1343 auf die Zechen der Schiffsleute von Enns und Gmunden und 1343 auf das Handwerk der Riemer zu Linz®; in der zweiten Hälfte dieses Jahr hunderts folgten die schon vor 1359 be zeugte Linzer Bäckerzeche, die Erhardizunft der Linzer Schuster, die der Braunauer Bäkker, die Flößerzeche Wels, die Zeche der Klingenschmiede und Schleifer zu Klein raming und Dambach, sowie die Bäckerze chen von Gmunden und Freistadt u.a. Dann mehren sich in den heimischen Archiven die Handwerksordnungen, in denen oft auf „uralt Brauch und Gewohnheit", wie auch auf mündliche Überlieferung hingewiesen wird. Während die ersten zünftischen Zu sammenschlüsse lokal bedingt waren, kam es in der Folge bei zahlenmäßig geringen Handwerken oder bei solchen, die aus wirt schaftlichen Gründen als geschlossene Ein heit auftreten wollten, zum Zusammen schluß in größere Verbände, wie z.B. der Hafner der sieben landesfürstlichen Städte Oberösterreichs, oder der Leinenweber, de ren Hauptlade letztlich 80 oberösterreichi sche Weberzünfte umfaßte. Einzelne zünfti sche Handwerksverbände erstreckten sich über die Landesgrenzen, so z. B. die Ver einigung der redlichen Messererwerkstätten Österreichs, der vorerst nur die Messerer von Steyr, Wien, St.Pölten, Wels und Krems und nachmalig auch die von Stein bach und Vöcklabruck zugehörten. Der stärkste Handwerkerverband war aber der der Steinmetzen und Maurer „deutscher Nation" zu Straßburg und Wien, der sich über das ganze damalige deutsche Reich erstreckte®. Der von der Haupthütte Wien 1618 den Grieskirchnern ausgestellte Hüt tenbrief weist auf das hohe Alter dieses Verbandes hin, da in ihm die Aufnahme dieses Handwerks in die „von der allerdurchläuchtigsten großmächtigsten königli chen Mayestät Barbarossa vor fünfteinhalbhundert Jahren privilegierten Haupthütten zu Straßburg und Wien der beiden Hand werke" ausgesprochen wird'. Die Bezeich nung „deutscher Nation" weist auf die zahlreichen, zumeist in den Klosterhütten beschäftigten lombardischen Angehörigen dieser Berufe hin, die sich ebenfalls zu sammenschlössen. F. Berndt berichtet von einer Zunft welscher Bauleute in Steyr®, bis 1646 blieb aber den Welschen die Zugehö rigkeit zu den den Bauhütten Straßburg oder Wien angeschlossenen Handwerken ver wehrt. Erst in dem den Linzern am 11. Mai 1646 von Kaiser Friedrich III erteilten Hüt tenbrief ist erstmals von den Steinmetzen und Maurern „deutscher und welscher" Na tion die Rede®. Daß sich auf heute ober österreichischem Boden schon frühzeitig, be dingt durch seine örtliche Lage und die be sitzrechtlichen Verhältnisse, handwerkliche und zünftische Einflüsse verschiedener Rich tungen trafen, bezeugt die Tatsache,daß sich z.B. im Torbogen der Burgruine Schaunberg das Hüttenzeichen der Bauhütte Wien befindet, während im Innviertel der präch tige Türbeschlag einer der drei Eggelsberger Kirchentüren im Ornament die 8-Form des Straßburger Bauhüttenschlüssels auf weist'®. Noch deutlicher tritt diese Erschei nung im überregionalen Zusammenschluß der Handwerker einer Sparte zu einer Zunft zu Tage, wie beispielsweise der der vier redlichen Werkstätten der kleinen Eisenzieher von Freistadt, Budweis, Neuhaus und Wels". Im Gegensatz zum übrigen Österreich las sen sich im obderennsischen Raum vier Hauptgruppen von Zünften feststellen, a) die „geschenkten", b) die „ungeschenk ten", c) die „geschlossenen" und d) die „gesperrten" Zünfte. Die ersten beiden un-

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