Bezirks straßen modernen Verkehrssystems war die 1851 gegründete Handels- und Gewerbekammer. Sie trat vehement für den Bau von Eisen bahnen, für die Forcierung des Donauver kehrs, ebenso aber auch für die Ausgestal tung des Straßennetzes ein. „Das Straßen wesen in einem Lande wie Oberösterreich, dessen einzelne Teile von Eisenbahnen noch nicht berührt werden, ist von höchster Wichtigkeit", betont sie in ihrem Jahres bericht für 1870 und fügt stolz hinzu; „Oberösterreich besitzt verhältnismäßig eine größere Länge von Straßen als andere Provinzen". Die Straßenbaupolitik im Lande kann sich also schon auf eine lange Tradition berufen. Das oberösterreichische Straßennetz umfaßte 1870 folgende Län gen: Aerialstraßen Landes- Bezirks- (heutige Straßen Straßen Bundes straßen) 704 km 125 km 1566 km Zum Vergleich der heutige Zustand (Ende 1972 — ohne Autobahn, Gemeindestraßen etc.): 1482 km 1147 km 3294 km Die geographische Situation der österrei chisch-ungarischen Monarchie, die nur an der Adria an das Meer grenzte, sowie die wirtschaftliche Struktur mit ihren indu striellen Massierungen in Böhmen, Mähren und Galizien brachte es mit sich, daß die Verkehrspolitik in der franzisco-josephinischen Zeit vor allem auf den Ausbau der Nord-Süd-Transversalen, auf Wege nach Triest, dem wichtigsten Seehafen der Mo narchie, ausgerichtet war. Dies traf ins besondere für die österreichische Reichs hälfte zu. Zumal war in der West-OstRichtung ja ohnehin die Donau vorhanden, an der allein in Wien, Budapest und Linz fast ebensoviel Güter umgeschlagen wur den als in allen Adriahäfen zusammen genommen. Noch zur gleichen Zeit, in der mit der Vollendung der Pyhrnbahn (1905) ein neuer leistungsfähiger Schienenweg PragLinz—Triest eröffnet wurde, sanktionierte Kaiser Franz Joseph ein Reichsgesetz „be treffend den Bau von Wasserstraßen" (1901), das u. a. wiederum eine DonauMoldau-Verbindung vorsah, die im Raum von Linz münden sollte. Durch die Zersplitterung des 624.000 Qua dratkilometer großen, fast völlig autarken Wirtschaftsgebietes der Monarchie und die Verselbständigung des heutigen österrei chischen Staatsgebietes im Jahre 1918, noch mehr jedoch durch die europäische Kon stellation nach dem Ende des zweiten Welt krieges verlagerte sich das Schwergewicht der Hauptlinien des österreichischen Ver kehrssystems in die West-Ost-Richtung, wenngleich die Bedeutung der Nord-SüdLinien für den Gütertransit nicht übersehen werden soll. Immerhin kamen diese Rela tionen infolge der Auswirkungen des „Eisernen Vorhanges" nach 1945 zunächst ebenso zum Erliegen wie der Verkehr nach Osten. Österreich war hierdurch gezwun gen, sich zuvorderst in seiner Verkehrs politik nach dem westeuropäischen Wirt schaftsraum zu orientieren. Erst nach Ab schluß des Staatsvertrages im Jahre 1955 und der folgenden politischen Entspannung in Europa gewann die zentraleuropäische Mittlerfunktion des neutralen Österreich auch verkehrspolitisch wieder zunehmend an Bedeutung, wobei vom Wirtschaftlichen her die Dynamik besonders von der Ent wicklung in Oberösterreich ihren Ausgang genommen hat. Verkehrsland Oberösterreich heute Obwohl heute der Anteil Oberösterreichs am österreichischen Staatsgebiet und an der Gesamtbevölkerung etwa je ein Siebtel be trägt, hat jeder fünfte in der gewerblichen Wirtschaft Österreichs Beschäftigte seinen Arbeitsplatz im Bundesland zwischen Inn und Enns. Oberösterreichs Industriepotenz ist heute mehr als siebzehnmal so groß wie vor dem Krieg. Der Exportanteil des Bun deslandes umfaßt im Durchschnitt der letz ten Jahre zirka ein Viertel der gesamtösterreichischen Ausfuhr. Diese Wirtschaftsexpansion ist in entschei dendem Maße wieder auf die Gunst der Verkehrslage zurückzuführen. Im ober österreichischen Raum kreuzen sich Magi stralen des europäischen Eisenbahn- und Fernstraßennetzes, die zu den bedeutsam sten Verbindungen des Kontinents gehö ren, mit der Großschiffahrtsstraße der Do nau, die bereits 1981/82 über den Europa kanal Rhein—Main—Donau Teil einer kon tinentalen Transversale des Schwer- und Massengutverkehrs vom Atlantik bis zum Schwarzen Meer sein wird. Die Dominanz in Produktion und Außen handel findet ihr Gegenstück im Verkehrs geschehen, in welchem Oberösterreich gleichfalls eine beachtliche Vorrangstellung einnimmt. Auf den Bereich der Bundes bahndirektion Linz entfallen rund 45 Pro zent des Güterumschlages der ÖBB und etwa 32 Prozent der Frachteinnahmen. Linz ist mit durchschnittlich vier bis nahezu fünf Millionen Jahrestonnen (1972 trotz des lang anhaltenden Niederwassers ca. 4,73 Millionen Tonnen) der größte Umschlag platz an der gesamten oberen — nicht etwa nur der österreichischen — Donau. Im ge werblichen Inland-Güterfernverkehr auf den Straßen nimmt Oberösterreich den dritten Platz ein. Im grenzüberschreitenden Güterversand liegt das Bundesland ebenso wie beim Güterempfang im grenzüber schreitenden Straßengüterverkehr weitaus an der Spitze aller Bundesländer. So ent fallen etwa 40 Prozent des grenzüberschrei tenden Verkehrs mit der Bundesrepublik Deutschland auf Oberösterreich. Auch im frachtbrieffreien Güterverkehr auf der Straße (unter 80 km Entfernung) liegt Oberösterreich an vorderster Stelle. Der Anteil am Werkverkehr erreichte nach den letzten Stichprobenerhebungen rund 18 Pro zent des TransportVolumens und 23 Prozent der Tonnenkilometer-Leistung. Linz—Frank furt ist eine der bestfrequentierten Flug verbindungen der AUA. Ein wesentliches Merkmal der oberöster reichischen Industrie und ihrer Wett bewerbssituation besteht darin, daß sie nicht nur in ihrer Standort- und branchen mäßigen Struktur transportorientiert ist und sein muß, sondern daß andererseits für sie infolge der großen Massengutbewe gungen die Transportkosten eine wesent lich größere Rolle spielen als im übrigen Bundesgebiet. Die Roh- und Brennstoff bezüge der Linzer Schwerindustrie sind bis zu 80 Prozent des Warenwertes mit Be förderungskosten belastet — und der Anteil des Transportaufwandes am Gesamtumsatz des Unternehmens beträgt rund ein Achtel. Was für den Import zutrifft, gilt auch für den Export. Hierbei ist nicht bloß der hohe Prozentsatz von Schwer- und Massengut ausschlaggebend, sondern auch die Entfer nung der Absatzmärkte. Die handelspoli tisch durchaus positiv zu bewertende brei tere Streuung der oberösterreichischen In dustrieexporte bedingt andernteils höhere Transportkosten. Bei einer wertmäßigen Aufgliederung der Industrieexporte nach Wirtschaftsräumen ergeben sich für die gesamtösterreichischen Ausfuhren und die oberösterreichischen annähernd folgende Entfernungsquoten: Exporte d. österr. d. oö. Industrie Industrie Ungefähre Entfer nung des Empfän gers von Österreich 200- 1.000 km 200- 2.000 km und mehr 3.000-20.000 km Gewichtsmäßig verlagert sich in Oberöster reich die Aufteilung noch wesentlich stär ker zu den weiten Entfernungen. — In un gleich größerem Umfang als für die ge samtösterreichische Industrie trifft es somit für jene Oberösterreichs zu, daß die Kon kurrenz des Auslandes sowohl beim Roh stoffbezug wie insbesondere bei der Liefe rung der Erzeugnisse mit wesentlich gerin geren Transportkosten kalkulieren kann als die heimischen Unternehmungen. Damit seien nur einige der Gegebenheiten angedeutet, mit denen sich eine oberöster reichische Verkehrspolitik auseinanderzu setzen hat — Faktoren, die sowohl in der verkehrsmäßigen Infrastruktur begründet sind, als auch in der Besonderheit des ober österreichischen Wirtschaftsgefüges und seiner überregionalen und internationalen Verflechtungen. Der Verkehr ist jener Wirtschaftsbereich, in welchem die Technik in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch ungemein
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