Oberösterreich, 23. Jahrgang, Heft 1, 1973

Die Weltwirtschaftskrise und die politi schen Verhältnisse der dreißiger Jahre stell ten sich jedoch einer Verwirklichung dieser Projekte entgegen. Erst im Zeichen des nach europäischer Hegemonie trachtenden „Dritten Reiches" wurde nach 1938 mit den finanziellen Mitteln eines Großstaates nicht nur die Realisierung der RheinDonau-Verbindung forciert, sondern erstand in Linz — übrigens auf der Basis früherer österreichischer Projektierungen — am Schnittpunkt der künftigen RheinMain-Donau-Wasserstraße, auf der Ruhr kohle und Erz aus dem Bamberger Revier herangebracht werden sollte, mit der Bahn linie, welche vom Erzberg in der Steiermark zur Donau führt, das erste schwerindu strielle Zentrum am schiffbaren Stromver lauf. Nunmehr begann man auch mit dem Aushub der Becken für den schon seit lan gem geplanten Linzer Handelshafen. Die nach fast völliger Zerstörung durch den Bombenkrieg im wiedererstandenen Österreich nach 1945 neu aufgebaute Lin zer Schwerindustrie kam in ihrer raumfül lenden und auf das Weltmarktgeschehen hinausgreifenden Dynamik nunmehr erst zur vollen Entfaltung. Obwohl die Reali sierung der Rhein-Main-Donau-Verbin dung zunächst in weite Ferne gerückt und die Donau durch die Demarkationslinie ge teilt war, kam durch den Rohstoffbedarf der Linzer Schwerindustrie und deren Exportlieferungen überhaupt erst wieder ein internationaler Donauverkehr in Gang. Der in den letzten Kriegsjahren eingestellte Bau des Linzer Handelshafens wurde 1948 neu aufgenommen und vollendet. Außer den drei Becken des Handelshafens wurde ab 1962 sodann das Hafenbecken VII für die Stickstoffwerke ausgebaut, von dem noch die zwei weiteren Becken des Tank hafens abzweigen. Nahezu drei Viertel des Linzer Donau umschlages, der heute mehr als das Zwan zigfache der Vorkriegszeit beträgt (jährlich zirka 4,5 Millionen Tonnen, 1972 trotz des langanhaltenden Niederwassers 4,73 Mil lionen Tonnen), vollzieht sich im Industrie hafen der VÖEST. Die Verkehrskonzeption für das Industriezentrum Linz hat sich so mit in der Praxis wesentlich weitläufiger und „gesamteuropäischer" entwickelt als ursprünglich nach 1938 geplant war; denn Linz ist heute ein Donauhafen für West und Ost — mit einem erheblichen An teil von Überseecransporten —, sei es, daß sie im derzeit noch gebrochenen Verkehr über Regensburg und die Nordseehäfen er folgen, sei es im Rahmen des Donau-SeeVerkehrs nach dem Vorderen Orient und in den Mittelmeerraum. Die oberösterrei chische Landeshauptstadt ist somit als Donauhafen trotz der Binnenlage ein Hafen für den Weltverkehr geworden. Das unter Anwendung des DOSDU (deutsch-österrei chischer Seehafen-Donau-Umschlagtarif) beförderte Volumen erreicht einschließlich der außerhalb dieses Tarifes transportier ten Erzmengen alljährlich bis zu einem Fünftel des österreichischen Übersee transits. Oberösterreich ist hieran zu etwa 90 Prozent beteiligt. Am österreichischen Donau-Seeverkehr, der von der DDSG in Zusammenarbeit mit der Sowjetischen Dampfschiffahrtsgesellschaft 1961 auf genommen wurde und 1972 nahezu 92.000 Tonnen umfaßte, ist der Anteil des Aufgabehafens Linz nicht geringer. Linzer Donauumschlag (Auch für das 19. Jahrhundert Angaben ohne Ruder- und Flußschiffahrt) Im Jahre Tonnen Im Jahre Tonnen 1860 39.000 1954 1,041.000 1870 67.000 1955 2,283.559 1880 32.000 1956 2,398.000 1893 39.000 1957 2,404.141 1900 87.000 1958 2,487.888 1910 123.000 1959 2,500.864 1911 151.000 1960 3,463.338 1924 33.000 1961 3,172.373 1927 198.000 1962 2,885.091 1930 161.000 1963 3,147.233 1938 268.000 1964 3,661.787 1947 79.000 1967 3,157.132 1948 696.000 1968 4,498.707 1949 844.000 1969 4,349.799 1951 1,521.667 1970 4,346.778 1952 1,950.236 1971 4,232.979 1953 2,230.000 1972 4,735.479 Von Oberösterreich aus erfolgte nach 1945 jedoch nicht nur eine Wiederbelebung des Güterverkehrs auf der Donau, sondern der oberösterreichische Stromabschnitt war auch der erste, auf dem nach Kriegsende wieder eine unter österreichischer Verwal tung stehende Personenschiffahrt auf genommen werden konnte. Zunächst leg ten die Passagierschiffe, die unter dem Zei chen der DDSG und der Flagge Rot-WeißRot fuhren, allerdings um einer Beschlag nahme durch die Besatzungsmacht zu ent gehen, nur auf dem südlichen bzw. dem rechtsseitigen, nicht russisch besetzten Donauufer an. Es handelte sich hiebei teils um Orte, für die bis in die dreißiger Jahre und in der ersten Nachkriegszeit wiederum die „Weißen Schiffe" der DDSG hinsicht lich des Personen- und Postverkehrs noch eine echte Versorgungsfunktion zu erfüllen hatten. Seither wurden diese Relationen, die vor dem Krieg von der Schiffahrt auch nach der Hauptsaison solange als möglich bis in den Spätherbst betreut wurden, vom Post-Autobusverkehr übernommen und ist die Personenschiffahrt auf dem Strom zu einer reinen Vergnügungsschiffahrt gewor den. Ihre Bedeutung für den Ausflugs- und Fremdenverkehr hat jedoch gerade in den letzten Jahren rapide zugenommen. Ob wohl die Personenschiffsflotte der DDSG auf ein Fünftel des Vorkriegsbestandes zu rückgefallen ist, befördert sie heute fast die gleiche Anzahl an Fahrgästen (1971 trotz des Niederwassers und hiedurch früh zeitiger Einstellung 505.000 Reisende, 1972 infolge irreparablen Ausfalles eines Passagierdampfers 370.000) wie die einst 22 großen Einheiten der Zwischenkriegs zeit. Die Tatsache, daß die Passagierschiff fahrt vor allem auch für den Ausländer fremdenverkehr eine unersetzliche Funktion innehat und gerade deshalb unter der österreichischen Flagge erhalten und den jeweiligen Erfordernissen der Zeit entspre chend ausgestaltet werden muß, geht nicht zuletzt auf die neuerlichen Anfangsentwickhmgen in Oberösterreich zurück. Die Passagierschiffahrt auf den fünf aus schließlich oder zu einem Großteil zu Oberösterreich gehörenden Salzkammer gutseen, dem Atter-, Hallstätter-, Mond-, Wolfgang- und Traunsee, wird von je weils einem Linienschiffahrtsunternehmen betrieben, die einschließlich des ständigen Verkehrs zur Bahnstation in Hallstatt jähr lich mehr als 800.000 Fahrgäste befördern. Sie sind sehr wesentliche Komponenten des normalen Personenverkehrs, vor allem aber in der Sommersaison des Fremdenund Ausflugsverkehrs. Außerdem zählt die der Handelskammer zugehörige Fach gruppe Schiffahrtsunternehmungen in Oberösterreich 7 Überfuhren bzw. Fähren, 29 Motorbootunternehmer, 4 Schiffsführer schulen, 2 Ruderschiffe und einen Hafen bugsierbetrieb. In welchem Maße die künftigen Investitio nen für die österreichische Donaugüter schiffahrt von Erwägungen bestimmt sein müssen, die sich auf den oberösterreichi schen Wirtschaftsraum richten, bekräftigt die Prognose, wonach in den achtziger Jah ren die Kapazität von 250 bis 300 Selbst fahrern notwendig sein wird, um die über den Rhein-Main-Donau-Weg zu erwarten den Roh- und Brennstofftransporte für die Linzer Schwerindustrie sowie andererseits deren Großgüterexporte bewältigen zu können. Das Transportvolumen auf der Schlüssel strecke Nürnberg—Regensburg des Europa kanals Rhein-Main-Donau, deren Fertig stellung für 1981 vorgesehen ist, wird laut dem Gutachten der ECE nach kurzer An laufzeit auf etwa 16 Millionen Tonnen geschätzt, hievon 9,3 Millionen Tonnen im internationalen Verkehr. Der österreichi sche Anteil hieran wird rund 5,8 Millionen Tonnen betragen, wovon mehr als die Hälfte auf Linz entfällt, dessen Donau umschlag sodann voraussichtlich auf sechs bis sieben Millionen Jahrestonnen ansteigen wird. Durch den Bau von Donau-Kraftwerksstufen wurden nach dem Kriege die Fahr wasserverhältnisse auf der österreichischen Donau wesentlich verbessert. Das erste nach den Empfehlungen der DonaukomisDas Donautal bei Grein in der durch den Kraftwerksbau veränderten Landschaftsform. — Foto: Wöhrl

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