Oberösterreich, 22. Jahrgang, Heft 2, 1972

-«fl Umweltschutz hat Vorrang — Lenzing hat Pionierarbeit geleistet ,}Nas tun Sie für den Umweltschutz" so wird häufig gefragt. Was wurde nun wäh rend der letzten Jahre, wo man sehr laut mit dem Wort Umweltschutz umgeht, zur Besserung dieses Problems erreicht? Die Politiker haben in allen Ländern der zivilisierten Welt Ministerien für Umwelt schutz geschaffen. Man ist dabei, neue Ge setze und Verordnungen auszuarbeiten. Die mit Umweltschutz befaßten Industrien prei sen ihre Verfahren und Apparate im ver stärkten Maße an. Die Öffentlichkeit wird in immer umfassenderem Maße mit diesem Fragenkomplex konfrontiert. Die Forschung ist auf diesem Gebiet in einem verstärkten Umfang tätig. Neue Verfahren, die dem Umweltschutz dienen,werden bekannt. Man muß aber feststellen, daß großn Projekte zur Verbesserung der Wasser- und LuftBeschaffenheit nur langsam, also Schritt für Schritt, verwirklicht werden können und große Summen Geldes erforderlich machen. Vielfach müssen Herstellungsverfahren ge ändert werden, um eine Linderung der Ab wasser- und Luft-Probleme zu ermöglichen. Nur muß man über das Kapital verfügen, um diese mitunter tiefgreifenden Änderun gen durchführen zu können. Und selbst wenn finanzielle Mittel zur Verfügung ste hen, so dauert es Jahre, bis man in den Ge nuß dieser Verbesserungen kommt, weil die Planungen für jede Fabrik mit gewissen Abwandlungen eigens durchgeführt werden müssen und ihre Zeit erforderlich machen. So ist das auch bei der Fabrikation von Sulfitzellstoff. Sulfitablauge fließt schon nahezu 100 Jahre in die Flüsse ab. Das soll nun plötzlich geändert werden. Es ist selbstverständlich, daß das nicht von heute auf morgen gelingt. Die Zellstoffabrik der Chemiefaser Len zing AG. ist eines der größten und poten testen Sulfit-Zellstoffwerke Zentraleuropas; sie liegt an einem kleinen Vorfluter, der Ager,dem Abfluß des Attersees. Um die Abwasserverhältnisse erträglich zu gestalten, mußte sich diese Fabrik mit Maß nahmen zur Rückhaltung der Sulfitablauge vom Vorfluter seit mehr als 3 Jahrzenten in immer intensiverem Maße befassen. Viele Vorschläge wurden überdacht, labora toriumsmäßig im Rahmen von Forschungs aufträgen und Arbeiten behandelt, Modell versuche durchgeführt. Man dachte auch an die chemische Aufarbeitung der Sulfitab lauge, nicht allein in Lenzing, sondern welt weit. Alle Versuche, die darauf abzielten, die Sul fitablauge in der Gesamtheit dem Flußlauf fernzuhalten und nicht nur etwa einen klei nen Teil, nämlich die vergärbaren Zucker durch Erzeugung von Sulfitsprit oder in et was stärkerem Maße durch Erzeugung von Torulahefe herauszunehmen, sind geschei tert. Die Heterogenität der Sulfitablauge ist zu mannigfaltig, um hier zu einem Erfolg zu kommen,der etwa der Aufarbeitung des Rohöles gleichkommt. Daher ist nur noch die Verwendung der Sulfitablauge als Brennstoff übrig geblieben, und das gelang nach Kenntnis des säure festen Stahles infolge der Entwicklung von ökonomisch arbeitenden Eindampfanlagen,, im Zusammenhang mit einer besonderen Technik bezüglich der Gewinnung der Ab laugen aus dem Rohzellstoff. Diese Entwicklungen wurden in Lenzing systematisch verfolgt und es gelang etwa ab 1955, eine vollkontinuierlich arbeitende Erfassung, Eindampfung und Verbrennung für Kalziumbisulfitablaugen in Betrieb zu halten. Die Kenntnis der Erfassung, Eindampfung und Verbrennung von Kalziumsulfitabiauge führte dann in Lenzing zu einer weiteren Entwicklung, nämlich der Verfahrensum stellung von Kalzium- auf Magnesiumbisulfit, wodurch der Chemikalienkreisprozeß von Magnesiumoxyd und Schwefel ermög licht wurde. Diese kontinuierliche Abiaugenwirtschaft führte zur Schaffung des Brennstoffes „ein gedickte Sulfitablauge" mit einem Trocken gehalt von ca. 55 Prozent und einem Heiz wert von 1.850 kcal/kg, einer Schwefel rückgewinnung von 70 Prozent des einge setzten Schwefels und einer Magnesiumoxyd-Rückgewinnung im Ausmaß von 85 Prozent des eingesetzten Magnesium oxyds. Der Brennstoff „eingedickte Sulfit ablauge" ist auch heute noch der billigste Brennstoff im Vergleich mit öl. Gas und Kohle. Durch diese Möglichkeiten „Gewinnung von Brennstoff und Rückgewinnung von Chemikalien" ist das Verfahren wirtschaft lich. Durch diese Verwertung der Sulfitablauge wird in Lenzing das Holz zu etwa 40 bis 43 Prozent je nach Qualität des Zellstoffes und die Ablaugeninhaltsstoffe zu 95 Pro zent, insgesamt das Holz dann zu etwa 97Prozent verwertet. Daraus geht hervor, daß die Lenzinger Zell stoffabrik eine Pionierarbeit auf dem Ge biete der Abwasser- und Luft-Verbesserung geleistet hat, die aber, wie beschrieben, in einer jahrzehntelangen, zielbewußten Ar beit zustande kam und auch noch weitere Jahre fortgesetzt werden muß. Die Kosten für diese technologischen Ände rungen haben bis Ende 1972 mehr als 140 Millionen Schilling erforderlich ge macht.

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