Oberösterreich, 22. Jahrgang, Heft 2, 1972

Links: Abb. 2: Luftbild des Kirchberges von Attersee. — Foto: Fliegerbrigade, Bildkompanie Rechs: Abb. 3: Attersee auf einem Stich des 16. Jahrhunderts Im Sommer 1970 wurde nun in Attersee mit einer systematischen archäologischen Ausgrabung begonnen und es erhebt sich die Frage, warum dies gerade hier gesche hen ist. Besonders seit dem Ende des zweiten Welt krieges hat sich im Rahmen der weitge spannten archäologischen Interessen ein neues Teilgebiet etabliert, die „Mittelalter archäologie". Man hatte erkannt, daß die erprobten Verfahren der Archäologie,in er ster Linie die Spatenforschung, also die Ausgrabung, aber auch andere Methoden, wie etwa die Keramiktypologie, durchaus geeignet sind, für Zeiten, aus denen schein bar ausreichende schriftliche Quellen vor handen sind, zusätzliche wichtige Neu erkenntnisse zu gewinnen. Nach einigen älteren Vorarbeiten waren es besonders die Untersuchungsergebnisse, die in den bom benzerstörten Stadtgebieten gewonnen wurden, die diesem jüngsten Zweig ar chäologischer Forschung einen starken Auf trieb gaben. Heute stellt die Mittelalter archäologie (die ihre Tätigkeit bis in die Neuzeit herauf erstreckt) einen wesentli chen Bestandteil archäologisch-historischer Forschung in allen europäischen Ländern dar. Auch in Österreich werden seit meh reren Jahren mittelalterarchäologische Aus grabungen und Forschungen mit gutem Er folg betrieben. Im Vordergrund des Inter esses stehen die „Wüstenforschung", das ist die Erforschung verödeter, abgekomme ner dörflicher Siedlungen, und besonders die archäologische Burgenforschung. Auf der Suche nach Zwischengliedern zwischen den bereits gut erforschten westeuropäisch-süd deutschen und den ostösterreichischen Erd hügelburgen stießen wir auf die Anlage Attersee-Kirchberg, die — soweit oberfläch lich erkennbar — ganz im Typus der hoch mittelalterlichen Erdburgen erbaut war. Dies und die Tatsache, daß sich in jüng ster Zeit die deutsche Geschichtswissen schaft besonders intensiv mit dem Pro blem der archäologischen Erforschung von Königspfalzen und Königshöfen beschäftigt hat, ließ uns unter Berücksichtigung der hi storischen, archäologischen und topogra phischen Situation gerade Attersee als wich tiges und interessantes Grabungsobjekt er scheinen. Dank der verständnisvollen Hilfe der Kulturabteilung des Amtes der oberösterreichischen Landesregierung konnten die notwendigen Mittel aufgebracht wer den, die durch Zuschüsse des Fonds zur För derung der Wissenschaften in Wien etwas vermehrt wurden. Auch Gemeinde und HeiZSSfSZSl"-' - -V A , matverein Attersee unterstützen die Gra bung in mancherlei Beziehung. Die Hauptfragen, die vor Beginn der Gra bung zu stellen waren, und die — wenn möglich — durch die archäologische Unter suchung geklärt werden sollen, sind: 1.) Ist der von der historischen Forschung postu lierte bayrische Herzogshof in Attersee rea liter nachweisbar, wo befindet er sich und wie sah er aus? 2.) Wo befand sich die in Urkunden genannte curtis (Königshof) der Karolinger (am Kirchberg, oder, wie man che annehmen, auf dem Schloßberg), wie war diese curtis gestaltet, war sie befe stigt oder unbefestigt? 3.) In welcher Form übernahmen die Bamberger Bischöfe den ihnen von Heinrich II. geschenkten Königs hof und in welcher Weise und wann bauten sie ihn zu einer Burg aus? Was waren die weiteren Schicksale dieser Burg? 4.) Wie alt ist die Wehranlage auf dem Schloßberg und steht sie in irgendeinem Zusammen hang mit der Kirchberganlage? 5.) Welche Vorgängerbauten stecken in den beiden Atterseer Kirchen, der katholischen Pfarr kirche Mariä Himmelfahrt auf dem Kirch berg, als alte Schloßkirche bezeichnet, und der heute evangelischen Pfarrkirche Sankt Martin im Dorf? In welchem Zusammen hang stehen die beiden Kirchen zu den vor handenen Anlagen? 6.)In welchem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen die Abb. 4: Der Kirchberg von Attersee von Nor den; im Vordergrund der Suchschnitt 1970 durch Plateaurand, Graben und Wall. — Foto: K. Kaus

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