Oberösterreich, 22. Jahrgang, Heft 2, 1972

v>,-vv Wohl durch eine vorüberziehende Gruppe machten unsere neolithischen Bauern die erste Bekanntschaft mit einem Werkstoff, der nicht Stein, nicht Knochen oder Holz war. Eine flache, fast zierliche Axt, die nicht bei jedem unachtsamen Hieb zersprin gen konnte, ein schimmernder Dolch mit glatter, nie gekannter Schärfe und eine prächtig glänzende Gewandnadel, wo man bisher solche aus Knochen oder gespalte nen Eberhauern getragen hatte. Gegen stände, die man erstmals nicht selbst fer tigen konnte. Das Geheimnis der Herstel lung lag in Händen der ersten technischen Spezialisten der Menschheitsgeschichte: der Kupferschmelzer und Gießer. Bisher hatte man sich darin genügt, vor handene Materialien einfach zu benützen. Mit dem Kupfer war erstmals die Mög lichkeit bewußt geworden, vorhandene Stoffe einem Umwandlungsprozeß zu un terziehen. Bald erkannten die Gießer, daß das weiche Kupfer durch die Zugabe von Zinn beträchtlich an Härte und Wider standskraft gewann. Die Frühzeit des Me talles, die Bronzezeit, war angebrochen. Ebenso bedeutend wie der neugefundene Werkstoff war jedoch das heraufdäm mernde Bewußtsein, daß die Erde wohl noch um einiges mehr barg als totes Ge stein. Von diesem Punkt an war die wei tere Entwicklung unausbleiblich und hin sichtlich weiterer Entdeckungen und Tech niken nur noch eine Frage der Zeit. Der Bronzeguß leitete ein blühendes Zeit alter, das „Mittelalter der Vorgeschichte", ein. Es scheint, als hätten die Möglichkeiten des neuen Materiales einen lange zurück gestauten Gestaltungswillen formhaft frei gesetzt. Unter einem erstaunlichen Fein gefühl für den Werkstoff und seinen Cha rakter entstand ein homogener Formen schatz von einfacher, vollendeter Schönneit, wie ihn — trotz prunkvollster Erzeug nisse — keine kommende Zeit mehr errei chen sollte. Es war noch der Mensch, der ohne technische Verfremdung das Schöne im Sinne des „angenehmen Anblicks" formte. Man stand am Anfang einer schier unerschöpflichen Formenwelt, die bis zu einem gewissen Grad aufgeschlossen, dann durch menschliche Ungeduld übersteigert wurde, um später — in krampfhafter Suche nach dem Neuen — in technischen „Ver fahren" und Charakterlosigkeit zu zer platzen. Hatte man bisher für den eigenen Lebens bedarf produziert, so übten die Bronze schmelzer nun ein Gewerbe aus, indem sie für andere produzierten. Allein um den Zahlungswert zu schaffen, mußte daher die Nahrungsherstellung über den Eigenbedarf hinaus gesteigert werden. Dem folgte fast zwangsläufig die erste unproduktive Tätig keit, die nun zum Beruf werden konnte. Der Händler wurde zum festen Bestandteil der Gesellschaft. Der Ackerbauer gewann ein bedeutendes Mehr an Zeit, da ihm die Geräteherstellung abgenommen war. Jedes Steingerät war eine Einzelanfertigung, ein „Prototyp", gewesen. Das Metallgußver fahren hingegen erlaubte nun die SerienLinke Seite: Schmuck aus Gehäusen von Meeresmuscheln (Spondylus). Jungsteinzeit liche Grabbeigaben aus Rutzing Oben: Bronzedolch mit erhaltenem Griffstück aus fLirschgeweih. Grabfund aus dem Gräber feld Haid Rechts: Aus der Formenwelt der frühen Metall zeit: Henkeltasse und Bronzearmreifen aus dem Gräberfeld Haid

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