Oberösterreich, 22. Jahrgang, Heft 2, 1972

sentlichen erhalten blieb. Erhalten blieben aber auch die Vicinalstraßen, deren Erfor schung sich Herbert Jandaurek gewidmet hat. In zahlreichen Knotenpunkten und den ältesten Pfarrorten sind immer wieder Rö mersteine zu finden. Damit scheint ein gewisses Weiterbestehen der römischen Landesgliederung bis ins Mittelalter belegt, eine Gliederung, die verkehrsmäßig auf Wels als Mittelpunkt einer alten Straßen spinne hinweist. Wenn am Ende des 5. Jahrhunderts die Schriftquellen von einem Abzug der römischen Bevölkerung, besonders den östlichen Teilen unseres Lan des berichten, so kann dies nicht für die Gesamtbevölkerung gelten. Auch wenn sich große Teile der Stadtbewohner den ange ordneten Maßnahmen fügten, das Fortle ben alter Namen zeigt, daß diese weiter hin lebendig blieben. Es ist sehr auffallend, daß die wichtigste Quelle dieser Zeit, die Lebensbeschreibung des heiligen Severin,zwar eine Anzahl von Orten an Donau und Salzach nennt, aber den Namen des alten Wels völlig über geht. Entweder war die Siedlung schon so unbedeutend geworden oder vielleicht ist es dem Zufall zuzuschreiben, daß Severin in der Binnensiedlung nicht zu handeln und zu verhandeln hatte. Freilich sagen auch die Bodenfunde, daß im 5., 6. und 7. Jahrhun dert in Wels nur mit einer geringen Dichte menschlichen Lebens gerechnet werden kann. Man hat schon mehrfach gefragt, was für Gründe an diesem Niedergang schuld gewe sen sein können. Eine der Erklärungen weist auf den Hunnenzug unter Attila hin, dem die Stadt zum Opfer gefallen sein könnte. Tatsächlich gibt es in den Gebie ten des römischen Wels,in denen Beobach tungen an römischen Kulturschichten der Spätzeit gemacht werden konnten, vielfach gewaltige Brandschichten, die auf ein krie gerisches Ereignis als Anlaß des Unter ganges hinweisen. Auch finden sich in die sen Gebieten relativ wenige Folgen von Siedlungsschichten übereinander, was den Schluß nahe legt, daß diese Gebiete, die meist im Bereiche der Stadterweiterung von etwa 200 n. Chr. liegen, in der Zeit ihres Bestandes kaum größere Katastrophen er lebt haben, dann aber durch ein besonde res Ereignis zerstört und in weiten Teilen nicht mehr aufgebaut worden sind. Die Geschichte eines Einzeldenkmales scheint eine solche Annahme zu bekräfti gen. Wels besaß in seiner Blütezeit unter den Römern ein bronzenes Reiterdenkmal von ganz besonderem Wert. Vermutlich galt es dem Kaiser, der die Stadterhebung durchgeführt hatte, Kaiser Caracalla. In seiner Ausführung glich es weitgehend dem Denkmal des Kaisers Marc Aurel, das noch heute auf dem Kapitol in Rom steht, und man kann wohl sagen, daß es den Ver gleich mit diesem an Qualität nicht zu scheuen brauchte. Wir wissen von diesem Denkmal dadurch, daß man im Jahre 1756 bei niedrigem Wasserstand der Traun den Körper des Bronzepferdes fand, das seit her leider verschollen ist, während zwei weitere Teile, je ein menschlicher Fuß und ein Pferdefuß in Bronze, ebenfalls aus dem Flußbett der Traun zutage gekommen sind und in das Städtische Museum gelangten. Wir hoffen, daß in Kürze eine wissenschaft liche Abhandlung über dieses gewaltige Denkmal, das in der Stadtgeschichte einen besonderen Rang einnimmt, wird erschei nen können. Für unser Thema ist die Tatsache wichtig, daß dieses Denkmal offensichtlich zerschla gen und in die Traun gestürzt wurde. Her bert Mitscha-Märheim hat seinerzeit dar auf hingewiesen, daß dies in einer Epoche, die durch Materialmangel gekennzeichnet war, wie dies für die Spätantike gilt, ein ungewöhnlicher Vorgang war. Plündernde Germanen hätten sicherlich Beschläge oder Geräte aus dem kostbaren Erz ge schmiedet. Die Zerstörung muß als ein politischer Akt eines „Reichszerstörers" an gesehen werden, eben einer Persönlichkeit, wie sie Attila war. Es kann als sicher gel ten, daß Attila auf dem Marsch nach dem Westen die gleiche Straße genommen hat, auf der noch 378 Kaiser Gratian nach dem Osten marschiert war; sie ging über Wels. Ganz sicher hat eine solche Annahme ihre gute Berechtigung. Es mag freilich sein, daß ein solcher politischer Akt als Schluß effekt einer Entwicklung anzusehen ist. Den Hinweis darauf liefert etwa die Überprü fung der Funde von römischen Münzen, die aus der Zeit nach dem Beginn des 5. Jahr hunderts im Bereich von Wels sehr selten sind. Nach 450 sind sie fast ganz ver schwunden, während sie bis dahin fast 500 Jahre hindurch klares Zeugnis für die wirt schaftlichen Zusammenhänge gegeben hat ten. Die Zäsur stimmt etwa mit den Ver hältnissen in Wien überein, in der west lich benachbarten Provinz Rätien hat spä testens nach 406 die römische Verwaltung ihr Ende gefunden. Eingehende Untersu chungen können hier noch zu präziseren Ergebnissen führen. Es mag sein, daß in der Folgezeit das römische Leben im Stadtbezirk von Wels dezentralisiert und in gewissen Überresten, insbesondere in ländlichen Orten, weiter bestand. Anscheinend war das Verkehrsgefüge noch intakt und so wird auch Wels nicht gänzlich verödet geblieben sein. Im merhin dauert es von der vermuteten Ka tastrophe bis zur neuerlichen Nennung des Namens, nunmehr Welas (776), mehr als dreihundert Jahre. Diese dunkle Zeit wird nur durch wenige Funde aufgehellt, ist je doch nicht ganz fundleer, dazu kommt das Fortleben des Namens und die Fortführung römischer Grabfelder durch die bairische Bevölkerung. Unsere Frage geht natürlich dahin, wo die ser Restbestand, diese vermutlich kümmer liche Fortsetzung des ehedem blühenden Lebens, im Stadtbereich gesucht werden kann. Die allgemeine Ansicht vermutet die ses Fortleben im Bereich zwischen dem Trauntor und der Burg Wels, welcher vor allem jene Erwähnung von 776 gilt. Das hieße dort, an einem Arm der Traun, eine Art Schifferlände annehmen, die sowohl dem Flußverkehr als auch der Überfuhr bei Hochwasser gedient haben könnte. Diese Annahme besagt freilich, daß diese Restsiedlung, die zugleich in der Südwest ecke der römischen Stadt und damit viel leicht an deren sichersten Stelle lag, mit dem alten Siedlungskern der keltisch-rö mischen Siedlung, wie wir sie vermuten, nicht identisch war. Unserer Meinung nach wäre es jedoch falsch, nur dort den Wieder beginn des aufkeimenden mittelalterlichen Lebens zu suchen. Zur Erklärung muß auf die kirchlichen Verhältnisse in der „Stadt" eingegangen werden. Nicht weit von der Burg, aber doch in einem gewissen Abstand in nördlicher Rich tung, bietet sich die Lage der Stadtpfarr kirche, ehemals Johannes dem Täufer allein geweiht, und damit als Taufkirche bestimmt, als ein solcher Mittelpunkt an. Um 888 wird sie erstmals genannt und durch die Schenkung an einen karolingischen Hofkaplan in die Geschichte der späteren Stadt Wels verwoben. Die Ver bindung mit Kremsmünster, die erst unter Kaiser Maximilian 1. aufgehoben wurde, hat damals ihren Anfang genommen. Eine Chronik der Renaissancezeit spricht von einer Kirchweihe durch Rupert von Salz burg, eine Angabe, die uns wesentlich wei ter zurückführen könnte, wenn wir wüß ten, woher der Welser Chronist diese Nach richt genommen hat. Es ist nicht die einzige Salzburger Kirchweihe, die uns für die Geschichte von Wels einige Rätsel aufgibt. Im Bereich der Stadtpfarrkirche lag im Sü den der Friedhof; nach Norden, links und rechts vom Verlauf der heutigen Pfarr gasse, existieren noch heute unscheinbare Seitengassen, die kaum nur aus Notwen digkeit der in den letzten 500 Jahren dort ansässigen Handwerker erklärt werden können. Sie bilden fast dörfliche Grund rißverhältnisse. Es scheint sicher, daß dieser Bereich von den Veränderungen der „Grün derzeit" des 13. Jahrhunderts nicht betrof fen wurde. Er mag daher ebenfalls als ein altes Relikt gelten. Zugleich sei das Marktproblem angedeu tet. Mit der Erwähnung um 1056 besitzt Wels den ältesten Nachweis für eine der artige Funktion im heutigen Oberösterreich. Wenn die oben angedeutete Agrarkontinuität als These haltbar ist, könnte man vermuten, daß dieser Markt (ein Begriff, unter den sich nach Meinung der Wirt schaftshistoriker recht verschiedene Inhalte verbergen können) als örtlicher Markt, d. h. als Austauschort für agrarische Pro dukte, nie ganz untergegangen wäre. Wo mag er gelegen haben? Nächst der Pfarr-

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