Oberösterreich, 22. Jahrgang, Heft 2, 1972

Kurt Holter •• Wels im Ubergang von der Spätantike zum Mittelalter Die Stadt Wels an der Traun, in der Mitte einer fruchtbaren Landschaft gelegen, hat in ihrer Geschichte wechselvolle Epochen von Aufstieg und Niedergang erfahren. Es ist zweifellos die Verkehrslage, die als Ur sache anzuführen ist, warum an dieser Stelle der alluvialen Ebene der Welser Heide seit mehr als zweitausend Jahren mit einer Siedlung gerechnet werden muß. Einerseits ist in dieser Ebene gerade an der Stelle, wo heute der Stadtkern liegt, eine verhältnismäßig überschwemmungssichere Fläche gegeben — die Überschwemmungen in der Traunebene haben ja bis an den Be ginn unseres Jahrhunderts eine oftmals ver heerende Rolle gespielt. Andererseits öffnet sich die südlich der Traun gelegene TraunEnns-Platte mit einigen kleinen Seitentälern und ermöglicht einen hindernisfreien Zu gang nach Süden bis ins Kremstal. Schon in alten Zeiten war dies die natürliche Stra ßenlinie nach dem Süden, über den Pyhrn bis nach Italien. Diese verkehrsgeographischen Grundzüge waren bereits im Altertum bekannt. Die Frühzeit der römischen Epoche baute mit Sicherheit auf keltischen Voraussetzungen auf. Dem Keltentum entstammte der rö mische Name der Siedlung, der in umge schliffener Form noch heute das keltische Erbe der Stadt belegt. Bekanntlich nimmt die Fachwissenschaft an, daß das keltische Wels der Hauptort oder der Sitz eines kel tischen Teilreiches gewesen ist. In dieser Vermutung werden wir unterstützt, wenn wir feststellen, daß die Lage einer aus gegrabenen keltischen Hauptstadt im Nach barbereich, nämlich Manching an der Donau bei Straubing, der Hauptstadt der Vindeliker, dieselben lagemäßigen Voraus setzungen aufweist, wie wir sie für Wels festgestellt haben. Allerdings sind in Wels die Bodenfunde aus der Keltenzeit relativ selten und wir rätseln noch immer über die genaue Lage und die Ausdehnung der kelti schen Siedlung. Der Grund, daß man sie durch Bodenforschung noch nicht feststellen konnte, obwohl sie durch den Namen be legt ist, liegt wahrscheinlich darin, daß der Siedlungskern vor allem in dem Bereich lag, der durch das ganze Mittelalter hin durch besiedelt war und der noch besiedelt ist, so daß hier Ausgrabungen weder aus sichtsreich noch möglich wären. Beobach tungen der letzten Zeit haben bestätigt, daß weder das Gebiet westlich des Altstadt kerns, noch auch der Osten dieses Bereiches für ein solches keltisches Kerngebiet in Frage kommen, da ihre Siedlungsspuren erst mit der Spätzeit der römischen Epoche, d. h. nicht vor dem Ende des 2. Jahrhun derts nach Christi beginnen. Da der Übergang vom Keltischen zum Rö mischen in unserem Gebiet friedlich vor sich gegangen war, ist man wohl berech tigt, das früheste römische Wels und dessen keltischen Vorläufer räumlich gleichzuset zen. Man müßte diese daher innerhalb der Gräberfelder suchen, welche bis zum Ende des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts belegt waren, und kommt damit auf ein noch immer beträchtliches Areal, das inner halb von folgenden Straßenzügen von heute liegt: Polheimer- und Dr.-SalzmannStraße im Westen, Kaiser-Josefs-Platz im Norden und Bäcker- und Schmidt-Gasse im Osten. Die südliche Front war sicher schon damals von der Traun bestimmt, deren ge nauer Verlauf vor zweitausend Jahren je doch kaum rekonstruierbar ist. Gewisse Erd bauten im Westen der Stadt,im Bereich der heutigen Ortsgrenze, lassen vermuten, daß in früheren Jahren dort, im heutigen Sied lungsgebiet, ausgedehnte Überschwem mungsgebiete vorhanden waren. Wir ha ben einige Hoffnungen, daß es möglich sein wird, bei entsprechender Überprüfung des Fundmaterials in unseren Erkenntnis sen zu genaueren Vorstellungen zu gelan gen. Die Fundstellen der römischen Münzen aus der Zeit der Republik und der frühen Kaiserzeit sowie die frühe vorrömische Ke ramik müßten daraufhin überprüft wer den. Der Bereich des ältesten Ortskernes, der sicherlich nicht in dem gesamten angege benen Umfang besiedelt gewesen sein wird, wurde mit oder nach dem Ende des 2. Jahr hunderts nach Christi weit über die damals aufgelassenen Gräberfelder hinaus min destens auf das Vierfache erweitert. Mit der Rangerhöhung zur Colonia erhielt das römische Wels, wohl unter dem Eindruck der vorausgegangenen militärischen Kata strophe, turmbewehrte Stadtmauern, um gürtet mit Wällen und Gräben. Ihre Fun damente liegen noch heute in langen Linien im Boden. Und obwohl sie, vielleicht gleich zeitig mit dem Untergang des römischen Wels geschleift worden sein dürften, hat das frühe Mittelalter längs ihres Verlaufes einen mächtigen Wall errichtet. Dieser Wall ist erst im letzten Jahrhundert bis auf ge ringe Reste abgetragen worden. Er war das erste große Denkmal, das die Römerzeit an das Mittelalter weitergegeben hat, von dem hier die Rede ist. Von der Nordwestecke der erweiterten Stadt, etwa am Beginn der heutigen Unter führung nächst des Bahnhofes, zweigten schon damals zwei Straßen ab, eine nach Norden, der heutigen Eferdinger Straße entsprechend, die andere nach Osten. Sie war dort von einem großen Friedhof der Spätzeit begleitet, auch ein Meilenstein ist in ihrem Verlauf gefunden worden. In die sem Friedhof haben wir wiederum Zeug nisse für ein Weiterbestehen kulturellen Lebens gefunden. Gleich am Anfang des Friedhofes, knapp außerhalb der ehema ligen Stadtmauer, sind Germanengräber über den römischen gefunden worden. Baiern, die die Nachfolge des römischen Reiches angetreten hatten, wenn man so sagen darf, haben etwa im frühen 8. Jahr hundert an der gleichen ehrwürdigen Stätte wie die Römer ihre Toten beigesetzt. Aber auch die Umgebung der Straße nach dem Westen, in Richtung Salzburg, wies große und reich ausgestattete Gräberfelder auf. Die Geschichte dieser Straße nach We sten ist noch nicht geschrieben. Es kann aber kein Zweifel sein, daß sie Zeuge vie ler wichtiger Aktionen war, welche Ge schichte und Geschicke des Römischen Rei ches bestimmten. Sobald wir von Truppen verlegungen und Kaiserzügen von West nach Ost und von Ost nach West hören, kann damit gerechnet werden, daß auch die Straße Augsburg — Salzburg — Wien be troffen war. Die beiden Varianten der Strecke, die südliche über den Chiemsee und Salzburg, und die nördliche, die etwa bei Braunau den Inn übersetzte, trafen sich wieder vor Wels. Die Erforschung der zwei ten Variante auf österreichischem Boden ist noch ein großes Desideratum. In allen Fäl len zeigt sich aber die Bedeutung der Ver kehrslage von Wels in der damaligen Zeit,

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