Oberösterreich, 22. Jahrgang, Heft 2, 1972

i V ts. mr- : Die Gesamtzahl der Erdbevölkerung wird für die Jungsteinzeit auf 5 bis 20 Millionen geschätzt. Kaum mehr als etwa 100 Men schen dürften damals zu gleicher Zeit in der Welser Heide gelebt haben. Eine Zeit spanne von etwa dreitausend Jahren brachte für die bäuerlichen Ansiedlungen in unserem Raum keine größeren wirt schaftlichen Reformen und, abgesehen von Pflug und Webstuhl, auch keine allzu be deutenden Erfindungen. Bei aller Arbeit hatte man sein gutes Auslangen und mit der Entwicklung des Hackbaues zur Fflugkultur blieb mehr Zeit für andere, nicht lebensnotwendige Bedürfnisse, für nicht zum täglichen Gebrauch nötige Dinge, wie Schmuck, Gefäßverzierung und anderes mehr. Die Auffassung, der erst mähliche, dann stürmische Aufbruch der Menschheit in das technische Zeitalter sei in seinem vollen Umfang unbedingte Notwendigkeit gewe sen, um die ständig wachsende Weltbevöl kerung ausreichend ernähren zu können, wird widersprochen von den Vertretern der Hypothese, daß erst die entsprechende tech nologische Entwicklung die Voraussetzung für ein rascheres Bevölkerungswachstum zu schaffen vermag (Thomas Malthus, um 1800). Das Aufkommen von Spekulations wirtschaft und erfolgreichem, wirtschaft lichem Schmarotzertum ist ebenfalls nicht gerade geeignet, die Motivation zu unter mauern. Hier könnten auch die heute noch auf der Stufe unserer steinzeitlichen Vor fahren lebenden Jägerstämme interessieren, die ohne das Allerweltsproblem der Ge burtenbeschränkung ihren angestammten Lebensraum bis heute nicht übervölkert haben. Der Mensch hatte also die wahrscheinlich bedeutendste Entdeckung seiner Entwick lung gemacht. Er hatte gelernt, das Wachs tum von Pflanze und Tier zu seinen Gun sten zu steuern, ja sogar den Artbestand zu beeinflussen und gezielt zu verändern. Dahinter steht eine umfangreiche und de taillierte Kenntnis der natürlichen Umwelt und die Verwertung dieses Erfahrungswis sens in einem erstaunlich kühnen, produk tiven und wohl ersten schöpferischen Denk prozeß. Der neolithische Bauer verfiel nun nicht etwa der Selbstherrlichkeit. Zwar war er sich seiner Rolle als Veränderer der Dinge bewußt, fühlte aber gleichzeitig, daß das Geheimnis des Wachstums nicht Teil sei ner Macht war. Er erhob daher die Frucht barkeit der Erde zum Mythos, aus dem sich seine Religion und sein Weltbild formte. Die Erde mit ihrer unerklärbaren Wachstumskraft wurde zur fruchtbaren Muttergottheit. Man nahm und lebte vom göttlichen Besitz und fühlte wohl auch etwas wie Schuld. Naturerscheinungen wur den als fordernde Äußerungen in den My thos einbezogen. Nach dem Winter mußte erneute Fruchtbarkeit beschworen werden. War die Saat in die Erde gelegt, lag das Gelingen bei der Gottheit, deren Gunst man zu erhalten trachtete. Dafür stand das „Frühlingsbrauchtum", die neolithische Wurzel unserer Bauernbräuche, die erst in jüngster Zeit dem technischen Rationalis mus erliegen. Es waren Fruchtbarkeitsriten und Opferbräuche, die vom Geräte-, Fruchtund Tieropfer bis zum Menschenopfer und rituellem Kannibalismus reichten. Zwei große Feuerstellen mit den Über resten derartiger Handlungen wurden knapp außerhalb der Siedlung von Haid festgestellt. — Es war die Zeit Abrahams, der auf ein traumhaftes Zeichen seines Got tes bereit war, mit eigener Hand den Sohn zu opfern. Gegenüber, in einiger Entfernung zum Siedlungsrand, lag der Bestattungsplatz. 24 Gräber, Männer, Frauen und Kinder, Arme und Beine angewinkelt, in seitlicher Schlaf stellung. Als Beigaben Knochen- und Mu schelschmuck, Steingeräte und feingearbei tete kugelige Tongefäße mit eingeritzter Mäanderverzierung und graphitbemalter Oberfläche, ursprünglich wohl gefüllt mit Speisevorrat. Nach Jahren des Anbaues an derselben Stelle ging das Wachstum merklich zu rück. Man wußte nichts über die Notwen digkeit der Düngung, erkannte aber die Ursache. Darin lag zumeist der Grund für das Verlassen urzeitlicher Siedlungen. Man zog weiter und nahm neue, unverbrauchte Erde unter den Pflug. Oft erst nach meh reren hundert Jahren kehrte man an einen alten Siedlungsplatz, mit erholtem Boden, zurück. Der Bronzedolch Am Beginn des zweiten vorchristlichen Jahrtausends kündigte sich mit nie vorher gesehenem, rötlichem Glanz ein Geschehen von ungeheurer Tragweite an, das im wei teren Verlauf Wesen und Lebensart des Menschen entscheidend beeinflussen sollte.

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