Oberösterreich, 22. Jahrgang, Heft 2, 1972

Hannsjörg Ubl Der römische Soldat im Spiegel oberösterreichischer Bodenfunde Im Zuge der Einbeziehung des Alpenrau mes in das römische Reichsgebilde, einer Aktion, zu der sich Augustus durch geopolitische Umstände gezwungen sah, kam mit dem norischen Königreich das Gebiet des heutigen Oberösterreich unter römische Botmäßigkeit. Damit betrat, wenn auch nicht zum ersten Male, römisches Militär norischen und da mit heute österreichischen Boden, diesmal jedoch nicht im Zuge einer kurzfristigen Aktion, sondern um als Besatzungsmacht seine Lager zu errichten. Von etwa 15 v. Chr. bis hinein in die zum Mittelalter überlei tende Völkerwanderung schützte der römi sche Soldat die Donaugrenze, die im ober österreichischen Raum nicht nur Provinz-, sondern auch Reichsgrenze war. Fast ge nau 500 Jahre lang, bis zum befohlenen Abzug der Romanen aus Ufernoricum um das Jahr 488 n. Chr., war der römische Soldat mitbestimmend für das Geschehen in Noricum und Garant innerer und äuße rer Sicherheit. Waren es zunächst vielfach Männer itali scher Abstammung, sicher aber Söhne des Mittelmeerraumes, so diente schon bald nach der Okkupation der norische Jung mann unter römischen Feldzeichen und schützte, eine in der frühen römischen Kaiserzeit durchaus nicht übliche Vergünsti gung, in eigenen Regimentern den hei matlichen Boden. Später wurden die Re kruten im Garnisonsbezirk ausgehoben, eine Praxis, aus der sich im 4. und 5. Jahr hundert n. Chr. ein garnisonsgeborenes Grenzerheer entwickelte, das als bäuer liche Grenzmiliz den heimatlichen Boden nicht nur verteidigte, sondern auch bebaute und die Lager und Festungen nicht mehr bewohnte, sondern nur noch in Ausübung des Dienstes betrat. Wenn es heute wieder möglich ist, das Aus sehen des römischen Soldaten oft bis in kleinste Details seiner Ausrüstung zu re konstruieren und dem Wandel römischer Uniformen und Waffen folgen zu können, so ist dies nur zu einem geringen Teil den Nachrichten antiker Schriftsteller zu dan ken. Wohl haben diese vieles überliefert, ihre Nachrichten sind aber zumeist so allge meiner Art, schrieben sie doch für Zeit genossen, die genau wußten, was gemeint war, daß sie uns heute kein lebensvoll buntes Vorstellungsbild mehr zu geben ver mögen. Es blieb der Spatenforschung vor behalten, jenes Material zu liefern, das zu sammen mit den literarischen Quellen erst den römischen Soldaten — Infanterist oder Reiter, Gemeinen und Offizier — in Dienst oder Kampfanzug, vollgerüstet oder im Reisekleid, wiederzuerkennen ermöglicht hat. Weil der oberösterreichische Limesabschnitt in der frühen Kaiserzeit zu den nur schwach besetzten Grenzzonen des Reiches gehörte und erst im späten 2. Jahrhundert n. Chr. eine Legion ihr Lager am norischen Limes aufschlug, ist das militärische Fund material im oberösterreichischen Raum wohl nicht so zahlreich wie etwa an der römischen Rheingrenze oder am pannonischen Limes, und doch haben oberösterrei chische Fundplätze wie Enns, das antike Lauriacum, Linz, das antike Lentia, oder Wels, das römische Ovilava, eine nicht un beträchtliche Zahl von Funden geliefert, die die allgemeine Kenntnis römischer Mili tärausrüstung zu erweitern geholfen haben. Neben den Resten von Ausrüstungs-, Klei dungs- oder Waffenstücken, die besonders im Zuge der Ausgrabungen in den römi schen Grenzfestungen geborgen werden konnten, sind es die Soldatengrabsteine, welche das Wissen um Uniform und Be waffnung bereichert haben. Sie sind die sicherste Quelle, denn der Soldat selbst oder seine Angehörigen haben den Stein metz überwacht, daß Kleidung und Waf fen originalgetreu dargestellt wurden und auch nicht eine Kleinigkeit fehlte, sonst hätte nach antiker Vorstellung der Verstor bene im Jenseits womöglich Mangel gelit ten. Während der Aussagewert des Grabreliefs von der Kunst des Steinmetzen und der vollständigen Erhaltung der zugehörigen Grabinschrift abhängt, die Name,Herkunft, Rang, Truppe und Dienstalter des Ver storbenen nennt, sind Material und Boden lagerung des zufällig oder im Zuge einer militärischen Aktion verlorenen, oft aber auch wegen Unbrauchbarkeit absichtlich weggeworfenen Ausrüstungsstückes für dessen Erhaltungszustand verantwortlich und bestimmen seinen Wert. Über Truppenverteilung, Standortwahl und Aktionen des römischen Heeres am ober österreichischen Donaulimes während der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. schweigen die bekannten Quellen gründ lich. Daher herrscht auch Unkenntnis über das Aussehen der damals in Linz und Lorch stationierten Einheiten. Erst zum Jahre 69 n. Chr. berichtet Tacitus, daß das norische Provinzialheer acht Kohorten (Hilfstrup peneinheiten zu 500 und 1000 Mann In fanterie oder Einheiten gleicher Stärken, die neben der Infanterie auch Reiterabtei lungen im Stand hatten) und eine Ala (Kavallerieeinheit zu 500 oder 1000 Mann) umfaßte. Das Aussehen der Infanterie die ses Heeres läßt sich nach einigen Waffen und Ausrüstungsteilen rekonstruieren, die sich in Linz und Lorch gefunden haben. Diese Schwertscheidenbleche und Schnallen oder Beschläge von Wehrgehenken finden sich auf zahlreichen Grabreliefs rheinländischer Fundplätze, die den zeitgenössischen Soldaten der ober- und niedergermanischen Garnisonen darstellen, im Vergleich mit den Kleinfunden des oberösterreichischen Limesabschnittes aber auch die vollständige Ausrüstung der Truppen dieser Garnisonen widerspiegeln. Unter den Fundstücken von Linz und EnnsLorch befinden sich nicht wenige Teile von Pferdegeschirren, die es erlauben, auch für die an der Donau stationierten Reiter einheiten brauchbare Darstellungen unter dem rheinischen Reliefmaterial zu suchen. Hier mag das Grabrelief des in Köln be statteten Titus Flavius Bassus, Reiter der Norischen Ala, eine Vorstellung bieten, wie diese Reiter und ihre Pferde gerüstet und geschirrt waren. Die Waffen, großer, lang ovaler Schild, Lederkoller oder Kettenhemd und Langschwert keltischer Tradition, wohl aus gutem norischem Stahl, sind durchaus keine Waffen italischer Herkunft. Römische Konstruktion ist der Helm,zu dem ein pas sendes Backenblech unter den Waffenfun den aus Ovilava im Museum zu Wels ver wahrt wird. Im späten 1. und frühen 2. Jahrhundert n. Chr. wurden, bedingt durch kriegerische Unternehmungen an den Grenzen der öst lichen Donauprovinzen, die schließlich zur Eroberung Daciens führen sollten, am no rischen Limesabschnitt TruppenVerschie bungen nötig. Aus dieser Zeit stammt das Relief vom Grabaltar eines römischen Reiters aus Ovilava, 1. Hälfte 2. Jahrh. n. Chr. Oö.Landesmuseum Linz (CIL III 5634—11784; Ubl, Waffen Kat. Nr. 133 Taf. 46/175.)-Foto; Eiersebner

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