Oberösterreich, 22. Jahrgang, Heft 2, 1972

*4^ Jungsteinzeitliche Formen. Grabbeigaben aus dem Gräberfeld von Rutzing-Haid. — Fotos; Eiersebner Die Schmelzwässer der in die Alpen zu rückweichenden Gletscher hinterließen als „Ufer" die weite, flache Niederterrasse der Welser Heide. Donauaufwärts, aus den niederösterreichischen Lößgebieten, die ihre Vorfahren als Eiszeitjäger durchstreift hat ten, stießen einzelne Gruppen des Jung steinzeit-Menschen. Sie waren auf der Suche nach geeignetem Land für die sich neu entwickelnde Lebensform. Man brauchte mehr denn je die Nähe ständig vorhandenen Wassers. Jede Besiedlung, jede Kulturströmung erfolgte entlang der Flußtäler. Gegen die Mitte des 5. vorchristlichen Jahr tausends bog wohl eine solche Gruppe in die Traunebene ein. Was man nach nicht allzulangem Weg vorfand, muß Gefallen gefunden haben: ebenes Land, locker be standen von Kiefern-, Birken- und Hasel gruppen, mitunter ein Wald von Eichen, Linden und Ulmen, im Rücken begrenzt und überragt von der mächtigen Lößdecke einer höheren Geländestufe und vorne die Böschung zum tieferliegenden Wasser der Traun, das sich, von bewachsenen Inseln in viele kleine Arme geteilt, als vielver sprechendes Revier anbot. Zudem zwei kleine, ruhige Bachläufe, die. Buchten und Tümpel bildend, zwischen Baumgruppen und freien Grasflächen die Terrassenebene durchzogen. Letzteres muß bestimmend für die Wahl des Ortes gewesen sein, denn zwischen der steilen Uferböschung und den flach eingebetteten Bachläufen wurde die Siedlung errichtet. Bis genügend Bäume gefällt und zugerich tet, bis die Hütten erbaut waren, behalf man sich anscheinend mit überdeckten Gruben als Notquartier. Diese dienten spä ter zur Aufnahme von Siedlungsabfall. Im Inhalt dieser Gruben spiegelt sich die ganze Lebensart der frühen Siedler und Bauern. Neben angebratenen und aufgeschlagenen Knochen des kleinen domestizierten Urrindes finden sich in großer Menge solche des noch halbwilden Hausschweines, von Schaf und Ziege. Daß der Jagd zur zusätz lichen Fleischbeschaffung ihre Bedeutung zukam, zeigen Knochenfunde von Hirsch, Bär, Wildschwein, Reh, Biber und Grau gans. Daß der Hund geschätzter Haus genosse war, beweisen zahlreiche Fraßspu ren an den Knochenabfällen. Auf gleiche Weise bestätigen Kleinnager ihre Existenz als steinzeitliche „Untermieter". Funde von Wirbelknochen zeigen, daß beträchtlich große Fische gefangen und verzehrt wur den, ebenso wie Bachmuscheln und Wein bergschnecken, die kaum in einer aufge lassenen Herdgrube fehlen. Auch Spuren übrigen Schaffens finden sich in Fülle. Eine Vielfalt von Abfällen der Werkzeugfabri kation, zerbrochene Gefäße und Geräte, geben Aufschluß über Material und Ar beitstechnik, über Herkunft, Kulturbezie hungen und früheste Handelswege. Bei nahe jede Tätigkeit kann durch Funde spe zialisierter Stein- und Knochengeräte hand werkstechnisch durchleuchtet werden. Der Mensch der Jungsteinzeit war sich selbst genug. Sein Leben war nicht mehr — und noch nicht wieder — Überleben. Es war nicht mehr Jagd und Suche und noch nicht Kampf und Aufbruch. Er lebte mit seiner Sippe autonom. Wohl fand eine gewisse Arbeitsteilung innerhalb der Großfamilie und zwischen den Geschlechtern statt. Um so mehr konnte der Bedarf ohne Kauflei stung innerhalb der Dorfgemeinschaft ge deckt werden. Der Mensch hatte erstmals eine funktionierende und befriedigende seßhafte Lebensform entdeckt.

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