Oberösterreich, 22. Jahrgang, Heft 2, 1972

hat an und für sich nichts mit Lauriacum zu tun, sie ist die Besatzungstruppe des Lagers Carnuntum im 1. Jahrhundert, und so wird die Inschrift ein Beweis dafür sein, daß in dessen erster Hälfte im damals noch nicht römische Provinz gewordenen Noricum „ein Mandatar des benachbarten pannonischen Militärkommandos das Regiment führte"(A. Betz) und der Infanterist Titus Barbius Quintus von seiner Garnison Car nuntum nach Lauriacum abgestellt war, wo er im Dienst verstarb. Auch die Stelen gliederung entspricht einem Carnuntiner Exemplar, der Prototyp wird daher eben falls von dorther mitgekommen sein. Die Delphine über den Giebelschrägen, das Medusenhaupt im Tympanon, an dessen Schlangenhaaren Raben (?) picken, sind Jen seitssymbole, die beiden Hirtenattis des Sockelbildes jedoch nur allgemeine Figuri nen des Todes, keine Inkarnationen der Auferstehung und des ewigen Lebens. Die monumentale Giebelstele des Privatius Silvester und seiner toten Tochter Privatia Silvina aus dem (eher frühen) 2. Jahrhundert bezeugt erstmals das Be stehen einer eigenständigen Lauriacenser Bßdhauerwerkstatt (Tafelabb. 2; Höhe ohne Einlaßzapfen für die Bodenplatte 2,60 m; eiszeitliche Nagelfluh [Konglome rat] aus dem Bereich der Traun-EnnsPlatte). Das Material ist einheimisch und vor allem sind die Dargestellten richtige, echte Einheimische. Der Vater mit dicker, strähniger Haarkappe, versorgtem Antlitz, Halstuch, Untergewand und der Paenula, dem keltischen „Wetterfleck", das im Alter von zwölf Jahren gestorbene Töchterchen mit der typisch norischen Jungmädchen frisur, Gliederhalsband samt dem ebenfalls keltischen Halbmondanhänger (Lunula), Leibrock und Schulterumhang, sind aus dem Leben in die Porträtnische gebannt. Die Büsten sind ohne besondere Kunstfer tigkeit volkstümlich schlicht, eher zeichne risch-unplastisch aus dem Stein gehauen; wie aber der Vater mit seiner klobigen Rechten das Mädchen schützend an sich zieht, wie sich die Kleine vertrauensvoll an ihn anklammert, wie sich beide in Zusam mengehörigkeit leicht zueinanderwenden, das zeugt von einer warmen Menschlichkeit des Bildhauers, die ähnliche, manchmal bis zum Zerrbild absinkende Carnuntiner Grab steintypen durchaus vermissen lassen. Eine vereinfachte Wiederholung des Gie bels Tafelabb. 2 aus demselben Material (Tafelabb. 3; Länge 0,925 m) beweist, daß im Lauriacum des 2. Jahrhunderts der Ty pus der Privatius Silvester-Stele mehrfach vorhanden war. Die Besatzung des Standlagers Lauriacum stellte die Legio II Italica, die es um die Wende des 2./3. Jahrhunderts erbaute 12: Stadtmuseum Enns. Inv. R X148 (rechte Platte) und bis zum Ende der römischen Herrschaft am norischen Donaulimes hielt. Bereits aus dem frühen 3. Jahrhundert sind drei Grab steine von Angehörigen dieser Truppe er halten, zwei davon gehören derselben Werkstatt an. In der Ruine Spielberg bei Enns befindet sich der hohe, oben von einer Doppelvolute abgeschlossene Grabstein des Stabsfeld webels (Cornicularius) der Legion, Aelius Quartinus, den er bei Lebzeiten für sich, seine lebende Gattin, seine gleichfalls noch lebenden beiden Söhne und seine verstor bene Tochter errichtet hat (Tafelabb. 4; Höhe 2,33 m; Material wie Tafelabb. 2). Diese fünf Personen, deren Gesichter wahr scheinlich christlichen Eiferern des Mittel alters zum Opfer fielen, sind auch als Halb bzw. Zweidrittelfiguren in zwei Relief schichten wiedergegeben, hinten von rechts nach links Vater, verstorbene Tochter, Mut ter, vorne älterer und jüngerer Sohn. Alle sind nach der Mode ihres Standes und ih rer Zeit bekleidet, der Stabsfeldwebel, der ein Schwert in der Linken hält, mit der Militärtracht, der Ärmeltunika und dem V. - ■ '■ P ^5, , . kurzen Soldatenmäntelchen (Sagum), Frau und Tochter mit Untergewand und Um hang, die beiden Söhne wie der Vater. Vom Genius der Bildhauerei war der Ver fertiger bestimmt nicht angerührt. Es ist ein flach und hölzern komponiertes Grup penbild, die Innenzeichnung trocken und summarisch, alles geht irgendwie ärarischkorrekt zu, aber gerade das Bemühen um saubere Linienführung und treue Natur wiedergabe, militärische Strenge und patri archalische Würde durch vielfältige, liebe volle Arm- und Handverbindungen zu mil dern, erhebt das Werk über die Dutzend ware dieses Genres. Demselben Stelentypus gehört bei kleinen formalen Varianten der Grabstein des Knaben Capitonius Ursus an (Tafelabb. 5; erhaltene Höhe 0,92 m; Material wie Ta felabb. 2). Geändert hat sich das Menschen bild. Abgesehen vom Dreifigurenschema — hinten das Elternpaar, vorne in der Mitte der wie die kleine Silvina von Tafelabb. 2 zwölfjährig verstorbene Sohn —, sind die Protomen im Vergleich zu Tafelabb. 4 zier licher geworden, leicht rhythmisiert, die r cmkä

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