Oberösterreich, 22. Jahrgang, Heft 2, 1972

Lothar Eckhart Römische Bildhauerschulen in Enns Fotos; Max Eiersebner Der Boden des alten Lauriacum in der Pro vinz Noricum bzw. Ufernoricum (heute die Katastralgemeinde Lorch der Stadtgemeinde Enns), seit den Jahren um 200 n. Chr. Legionslager und römische Biirgersiedlung, hat eine Anzahl von figürlichen Grabdenk mälern hergegeben, die es erlauben und auch verdienen, erstmals unter dem Ge sichtspunkt von Werkstattzusammenhängen betrachtet zu werden (erste Vorarbeiten von H. Ubl, der auf Anregung des Verfassers die Ornamentähnlichkeit einer bestimmten Steingruppe herausstellt: JbOÖMV. 116, 1971 [1. Abhandlungen], S. 139 ff.; auch JbOÖMV. 115, 1970 [I. Abhandlungen], S. 109 ff.). 'j,-" ■ Serien von Sepulkralreliefs aus Lauriacum stehen hinsichtlich ihrer Form und Zeit stellung, der Besonderheiten ihres Men schenbildes und der eigentümlichen Ver sinnbildlichung mythologisch-transzenden ten Gedankengutes in der Austria Romana einzigartig da; sie haben beispielsweise kaum etwas gemein mit denen des pannonischen Carnuntum (Petronell bis Bad Deutsch-Altenburg), der römischen Lager festung und autonomen Stadt am österrei chischen Donaulimes mit dem reichsten derartigen Steinmaterial. Die figürlichen Grabsteine Carnuntums gehören fast zur Gänze dem 1. und 2. Jahrhundert an, kaum daß der eine oder andere noch ins 3. JahrIm HP 1 , ■ Wfi hundert zu datieren ist. Hingegen setzen die figürlichen Grabsteine von Lauriacum so recht erst mit dem 3. Jahrhundert ein und reichen weit bis ins 5. Jahrhundert, in eine Zeit, aus der sonst in Österreich schon lange kein Zeugnis provinzialrömischen plastischen Schaffens mehr bekannt ist. Vergleichsweise ist augenfällig, wie sehr die „späten" Lauriacenser Reliefs an hand werklichem Können, Gemütstiefe, Phanta sie und liebevoller Wertschätzung der menschlichen Erscheinung den „frühen" Bildern von Carnuntum mit ihrer oft nicht mehr unterbietbaren Primitivität, Einfalls losigkeit und Herzensöde überlegen sind. Es spricht dies gegen die Ansicht von der angeblichen ärarischen Gleichmacherei kul turellen Lebens am oberösterreichischen Donaulimes. Militär war in Lauriacum wie in Carnuntum dominierend, aber, abgese hen von einer differenten, weil zeit- und herkunftsbedingten Grabsteintypik, welch ein Unterschied in der Bilder- und Gedan kenwelt! Soldaten waren hier wie dort die Besteller, aber sie hatten keinen Einfluß auf die Ausformung der Motive, auf die Quali tät der Arbeit. Für die Grabreliefs zeichnen die einheimischen Bildhauer und Stein metzen verantwortlich, zunächst als Lehr linge Roms, später als emanzipierte, wenn auch mustergebundene Meister, und im unterschiedlichen Bevölkerungssubstrat am Strom dürfte der wahre Grund für das erstaunliche Qualitätsgefälle von West nach Ost, von Lauriacum nach Carnuntum lie gen: die illyrisch-keltische (bojische) Misch bevölkerung des Carnuntiner Raumes scheint eben künstlerisch weitgehend steril, wie der (unbekannte) Keltenstamm von Lauriacum mit manchen guten Geistern der (Grab-)Bildnerei gesegnet gewesen zu sein. In Lauriacum-Enns steht für das 1. Jahr hundert n. Chr. die Grabstele der Gens Barbia allein (Tafelahb. 1; Höhe ohne Einlaßzapfen für die Bodenplatte 2 m; wei ßer Importmarmor). Für den toten Vater, die tote Mutter und den toten Bruder stif ten zahlreiche Kinder bzw. Geschwister aus der Familie der Barbier pietätvoll den Stein, für uns interessant ist der mit 25 Jahren abgeschiedene Bruder bzw. Sohn Titus Barbius Quintus, der aktiver Soldat der Legio XV Apollinaris war. Diese Legion 11: Stadtmuseum Enns. Inv. R X126 (linke Platte)

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