Oberösterreich, 22. Jahrgang, Heft 2, 1972

Inschriften hinweist, „welche bisher zu we nig beachtet wurden oder gar unbemerkt blieben", sondern auch dem Wunsche Aus druck verleiht, „daß man allenthalben den Überbleibseln der Vorwelt eine größere Aufmerksamkeit schenkte, und die Auffin dung derselben bekannt machte, wodurch die Lage manches alten Ortes genauer be stimmt und so auch verschiedene Stellen der alten vaterländischen Ccrchichte näher be leuchtet werden könnten". Der gleichen Ge sinnung entspringt ein Erlaß Kaiser Franz' I. aus dem Jahre 1812, in dem die Ablieferung aller Bodenfunde an das k. k. Münz- und Antikenkabinett in Wien ver ordnet wird, eine Verfügung, die im Jahre 1828 wiederholt und durch die Weisung vermehrt wurde, daß aufgefundene römi sche Inschriftsteine an der Außenwand der nächstgelegenen Kirche einzumauern sind. Derselben Gesinnung entspringt auch das Bemühen, sich einen Überblick über die er haltenen Reste der Vergangenheit zu ver schaffen und die vorhandenen Fundgegen stände zu registrieren. Dafür ist die 1827 bis 1833 erschienene „Geschichte, Geo graphie und Statistik des Erzherzoigthumes Österreich ob der Enns und des Herzogthumes Salzburg in vier Bänden von Be nedikt Pillwein charakteristisch, da sie be reits eine Fülle römerzeitlicher Bodenfunde, oft ganz bescheidener Art, anführt. Die daraus entspringenden Absichten, die noch vorhandenen Denkmäler der Vergangen heit zu sammeln und zu konservieren, fan den in Oberösterreich ihren Niederschlag durch die im Jahre 1833 erfolgte Kon stituierung des „Vereines des vaterländi scher!^ Museums für Österreich ob der Enns", der in seinen Statuten ausdrücklich die Absicht kundtut, in seine „vaterlän dische ^ammlung historischer Denkwürdig keiten" auch solche einzubeziehen, die „die römische Vorzeit" repräsentieren. Als glückliche Fügung des Geschickes muß es bezeichnet werden, daß für diese Be strebungen der richtige Mann zur Verfü gung stand; der Florianer Chorherr und Professor für lateinische Philologie und Weltgeschichte am Linzer Gymnasium Jo sef Gaisberger wurde zum „Vater der ober österreichischen Altertumsforschung". In methodischer Hinsicht, vielen seiner Zeitgenossen voraus, vereinigte er in seiner Person den rastlosen Eifer des Sammlers mit umfassender publizistischer Tätigkeit, die der wissenschaftlichen Auswertung des Fundmaterials galt. Es ist daher nicht ver wunderlich, daß unter den ersten Erwer bungen des neuen Museums die „römi schen Ausgrabungen" weit überwiegen. Im Linzer Museum, das damals in sechs Zim mern im zweiten Stock des damaligen Beamtenwohnhauses auf der Promenade untergebracht war, landeten neben den beim Eisenbahn-, Straßen- und Kanalbau gemachten Zufallsfunden auch die Fund stücke der ersten planmäßigen Ausgrabun gen in Oberösterreich, die auf Betreiben Gaisbergers 1838 bis 1840 in Schlögen und 1841 in Oberranna durchgeführt wurden, sowie mehrere Privatsammlungen, wie die des Ennser Syndikus Johann Baptist Kain. Durch Gaisbergers hingebungsvolle Tätig keit herrschte ebenso in den folgenden Jah ren in Oberösterreich auf archäologischem Gebiet reges Leben, das auch dann noch fortdauerte, als er sich im Feber I006 nach fast vierzigjähriger Lehrtätigkeit in sein Stift St. Florian zurückzog. Denn auch von dort behielt er als getreuer Mentor die verschiedenen Untersuchungen im Auge. Die Grabungen, die in den Jahren 1852, 1854, 1857 und 1861 in Lauriacum statt fanden, brachten ebenso reiche Ergebnisse wie die in Wels vom Jahre 1856 und die im Namen des Museums veranstalteten Unter suchungen der Jahre 1864 bis 1868 in Überackern, deren Ergebnisse man damals noch für römisch ansah, und in Windischgarsten 1868/69. Gaisbergers Verdienste um die Sicherung und Betreuung der heimi schen Bodenfunde erhielten aber ihre Krö nung dadurch, daß er in echt wissenschaft lichem Verantwortungsbewußtsein der For derung nachkam, das gesamte Fundgut durch saubere und genaue Publikationen für die Wissenschaft zu erschließen. Seine ernste und gewissenhafte Arbeitsauffas sung, die unscheinbaren Kleinfunde römi scher Zeit als „sprechende Urkunden über Sitten und Gebräuche der in unserem Lande wohnenden Römer" anzuerkennen, hebt seine Publikationen turmhoch über so man che Veröffentlichung seiner Zeitgenossen hinaus. Auch nach Gaisbergers Tod waren Männer am Werk, die sich mit Eifer und Freude der Bodenfunde annahmen, so etwa Josef Straberger, der von 1880 bis 1905 als Ku stos der vorgeschichtlichen und römischen Sammlungen am Linzer Museum wirkte, der Welser Franz von Benak, die Ennser Edmund Schmidel und Gustav Stockham mer u. a. Ihren Berichten und Vorlagen, die sie als Korrespondenten und Konservato ren der „k. k. Zentralkommission zur Er forschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale" in deren „Mittei lungen" veröffentlichten, ist freilich manch mal anzumerken, daß den speziell nicht vorgebildeten Berichterstattern die immer schwieriger werdende Behandlung des Fundgutes nicht immer leichtgefallen ist. Es ist daher von großem Vorteil gewesen, daß sich in den Jahrzehnten um die Jahr hundertwende Gelehrte aus Wien, wie Wil helm Kubitschek und Eduard Nowotny, mit den Problemen der oberösterreichischen Al tertumskunde eingehender befaßten. Den noch war in diesen Jahren ein gewisses Überwiegen der gerade damals aufblühen den Forschung zur Vor- und Frühgeschichte gegenüber der Beschäftigung mit der Rö merzeit unverkennbar. Auch die durch nahezu sechs Jahrzehnte ungefährdete Vor rangstellung des Linzer Museums Francisco-Carolinum als zentraler Sammelpunkt in Oberösterreich erfuhr um die Jahrhun dertwende eine Einschränkung: 1892 wurde das Museum in Enns, 1902 das in Wels gegründet. In Enns waren die immer zahlreicher zutage tretenden Funde aus dem Boden des alten Lauriacum, die an Ort und Stelle erhalten v\erden souten, Anlaß zur Gründung des Museumsvereines, der in den ersten Jah ren seines Bestehens sogar eigene Grabun gen veranstaltete, deren Ergebnisse er in seinen „Jahresberichten" bzw. „Mitteilun gen" publizierte. Eine entscheidende Wende in der Erforschung von Lauriacum trat aber erst ein, als im Jahre 1904 die Limeskom mission der österreichischen Akademie der Wissenschaften Oberst Maximilian Grol ler von Mildensee mit der Oberleitung der Grabungen in Lauriacum betraute. Die in mehrjähriger Arbeit bis 1919 fortgeführten Grabungen haben die Anlage und Innen einrichtung des Lagers der 2. Italischen Le gion im wesentlichen klargestellt. Die er gänzenden Nachuntersuchungen von Alexander Gaheis in den Jahren 1923 und 1929 bis 1933 und von Josef Schicker bis 1933 sowie die Grabung des öster reichischen Archäologischen Institutes un ter Erich Swoboda haben das bereits ge wonnene Bild nur noch weiter abgerundet. In Wels gelang es durch die von Ferdinand Wiesinger vor allem in den Jahren 1917 bis 1919 betriebene planmäßige Bodenfor schung und durch jahrzehntelange unab lässige Beobachtung und Auswertung aller Bodenbewegungen wenigstens einiger maßen Klarheit über die Topographie des alten Ovilava zu gewinnen. Nach Wie singers Tod befaßte sich Gilbert Trathnigg (+ 1970) im Rahmen seiner Tätigkeit als Direktor des städtischen Museums mit der Welser Bodenforschung, die wegen der dichten Verbauung des Geländes große Probleme aufwirft. Die Arbeit der Gegenwart ist charak terisiert durch gezielte systematische For schung im Gelände und reiche Publika tionstätigkeit, die nicht nur in den vom Bundesdenkmalamt herausgegebenen „Fundberichten aus Österreich", sondern vor allem in einem reichen landeskund lichen Schrifttum, wie den „Jahrbüchern" des Oberösterreichischen und des Welser Musealvereines, den „Oberösterreichischen Heimatblättern u. a. ihren Niederschlag findet. Die Städte Linz und Enns standen lange im Mittelpunkt der stark aktivierten Forschung. Den Auftakt für eine rege Grabungstätig keit in Linz bildete schon zwischen den beiden Weltkriegen die Aufdeckung des großen Gräberfeldes auf dem Gelände der Kreuzschwestern; die nach der Zerstörung des zweiten Weltkrieges verstärkt einset zende Bautätigkeit gab die willkommene Gelegenheit zu mehreren Notgrabungen im Bereich der Linzer Altstadt. Sie führten zu wichtigen Forschungsergebnissen, wie zur

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