Oberösterreich, 22. Jahrgang, Heft 2, 1972

den lang aus dem Seeboden, im Durch schnitt einen halben Meter; manche ragen nur gering aus der Kulturschicht heraus, und andere sind zur Gänze darunter ver borgen. Der im Wasser steckende Teil be sitzt eine gewisse Härte, das im Boden ver ankerte Holz ist weicher. Der Durchmesser der Pfähle beträgt zwischen 10 und 25 cm. Sie stehen scheinbar ungeordnet nebenein ander — wie beiläufig eingerammt. Bisher ist es nicht gelungen, daraus Hausgrund risse zu erkennen. Aus dem Seeboden ge zogene Pfähle ließen an ihrer Spitze deut lich die Schlagspuren der Steinwerkzeuge erkennen. Die in den Jahren 1962 und 1963 vom Hei matmuseum Mondsee fortgesetzten Gra bungen durch Taucher in der Station See brachten ebenfalls eine reiche Ausbeute. Die vielen Bruchstücke von Gefäßen, es handelt sich um etliche tausend, wurden in Kistchen verstaut und in die vom Heimat museum eingerichtete Restaurierwerkstätte transportiert, wo Oberlehrer i. R. Karl Fornather jahrelang sich der überaus müh samen Arbeit des Zusammensuchens und Zusammensetzens der Bruchstücke unter zog. Restaurierbar ist ein Gefäß nur dann, wenn es als Ganzes in seiner Form gesichert erscheint. Das Profil vom Boden bis zum Mundstück muß lückenlos vorhanden sein. Liegen im allgemeinen bei einer Land grabung die Teile eines zerbrochenen Ge fäßes nahe beisammen, so-sind sie auf dem Seeboden oft weit verstreut und wurden in der Kulturschicht durch mancherlei Ein flüsse umgelagert. Durch die Taucher ka men hier erstmals Gefäße von einer Größe, allerdings in zerbrochenem Zustand,zutage, wie sie bis dahin in Pfahlbausiedlungen Österreichs noch nicht geborgen worden sind. Es handelt sich vermutlich um eine Art von Vorratsgefäßen, mit einer Höhe von 40 bis 50 cm. An das Restaurieren schloß sich das Inven tarisieren. Jedes Gefäß wurde vermessen, in seiner Größe und Form festgehalten und schließlich auch photographiert. Anschlie ßend wurden die Funde der Pfahlbausamm lung des Heimatmuseums Mondsee eingeodnet. Daß Restaurieren auch ein spannendes Abenteuer sein kann, zeigt die Geschichte des Wiedererstehens des größten der ge fundenen „Vorratsgefäße". Wesentliche Bruchstücke dieses dickwandigen Gefäßes waren bei Taucharbeiten eines Sommers gefunden worden. Der Bestand reichte aber nicht aus, um es in seiner ganzen Form wiedererstehen zu lassen. Am Profil fehlte das obere Ende — das Mundstück. Bei den Grabungen im folgenden Jahr wurde durch einen glücklichen Zufall in der Wirrnis der Kulturschicht das fehlende Stück gefunden. Nun konnte das Gefäß in seiner ursprüng lichen Form rekonstruiert werden. Von den Pfahlbauuntersuchungen 1960 bis 1963 am Mondsee wurde unter dem Titel „Jahrtausende tauchen aus den Fluten" ein Film hergestellt. Darin wurden die Gra bungsarbeiten unter Wasser,das Bergen von Funden, die verschiedenen Bergungsmetho den, das Pfahlfeld in der Station See und die Restaurierungsarbeit festgehalten und wird schließlich versucht, die Mondseekul tur an Hand der geborgenen Funde leben dig werden zu lassen. Die Jungsteinzeit brachte die Menschheit einen gewaltigen Schritt vorwärts, bedeu tete einen tiefen Einschnitt in ihrer Ent wicklung. Der Mensch hatte den Schritt von der rein aneignenden Wirtschaftsweise der Altsteinzeit zur erzeugenden getan und wird nun seßhaft. Aus dem Sammler und Jäger ist ein Ackerbauer und Viehzüchter geworden. An die Stelle des Faustkeils tritt fein gearbeitetes Werkzeug, eine hand werkliche Stufe ist erreicht. Die größten Erfindungen des Menschen der Jungstein zeit sind die Töpferei, das Schleifen und Bohren des Steins und der Beginn des Spinnens und Webens. Die Morgenröte der Geschichte geht damit über unserem Lande auf. Wissen wir auch nichts über Art und Her kunft der Menschen in den Pfahlbauten, so tut sich doch mit der aus dem Seeboden gehobenen Hinterlassenschaft die Welt der Pfahlbauern vor uns auf; ihre Lebensfüh rung wird lebendig, wir erkennen die Eigenart einer frühen Kulturperiode unse res Landes. Hier liegen die Anfänge eines Bauerntums in unserer Landschaft. Vor 4000 Jahren wurden an den Ufern des Mondsees bereits Weizen und Gerste ge baut; dieses Getreide kommt unserem heu tigen schon nahe, wie die Funde beweisen. Mahlsteine zeugen davon, daß dem Men schen das Verarbeiten des Getreides bereits vertraut war. Diese Urmühle bestand aus einem größeren Mahlstein und einem klei neren Reibstein. Mühsam wurden dazwi schen die Körner zerquetscht und zerrieben. Alles Tun des Menschen gipfelte im Sichern der Ernährung, seine Hauptsorge galt dem Vorrat für den Winter und dem Überleben schlechter Ernten. Buchen- und Haselnüsse waren auch ein Bestandteil der Nahrung, ebenso war den Pfahlbauern eine kleine Form des Apfels bereits bekannt. Ihre Schnüre und grobe Gewebe stellten sie aus Bast her. Daß ihnen eine primitive Form des Spinnens und Webens vertraut war, ist aus dem Vorhandensein von Spinnwirteln, Webergabeln und Webgewichten zu ent nehmen. Als Haustiere hielten sich die Pfahlbauern Rind, Schaf, Ziege, Schwein und Hund. Sie müssen auch eifrige Jäger gewesen sein, davon künden die vielen Knochenfunde. Aus ihnen ist zu entneh men, daß damals Hirsch und Reh, Wild schwein, Bär und Wolf unsere Wälder be völkerten. Aus Knochen, Geweih und Gehörn wurde vielerlei Werkzeug angefertigt: Schaber, Nadeln, Pfriemen, Ahlen und Beile in ver schiedenen Formen und von einer vielfäl tigen Verwendbarkeit. Stein war der wichtigste Rohstoff für das Werkzeug der Mondseeleute. In Gebrauch befanden sich rundgeschliffene Klopfer und Reiher, Flachbeile in verschiedenen Größen und Formen. Die Hammeraxt besitzt be reits ein fein gebohrtes Loch zum Einsetzen eines Stieles. Der Knaufhammer gehört in seiner geschwungenen Formgebung zu den wichtigsten Leitfunden der Mondseekultur. Vorhanden sind auch verschiedene Formen von Steinkeulen. Der Stein mußte eine ge wisse Härte besitzen und durfte vor allem nicht splittern. Es mußte dazu Material aus der Urgesteinszone herangeholt werden. Vielleicht war der geeignete Stein auch Handelsware. Häufig verwendet wurde Serpentin. Durch Johann Offenberger 1972 in die Wege geleitete, petrographische Un tersuchungen an den Steinwerkzeugen aus dem Bestand des Heimatmuseums Mond see in Wien ergaben, daß neben Serpentin und Feuerstein auch Diabas, Diorit und Tonalit verarbeitet wurden. Zum Zerkleinern des Steines und seiner groben Ausformung wurde eine Art Stein säge verwendet. Als Schneide diente ein Stein mit größerem Härtegrad. Die fein ge bohrten Löcher in den Lochbeilen wurden mit Hilfe eines Steinbohrgerätes ange bracht. Unter Verwendung eines härteren Sandes als Reibstoff wurde in langer, mühe voller Arbeit das Loch gedreht. Man nimmt an, daß hiezu Holunderrohr verwendet wurde, das nur rund um den Bohrkern arbeitete. Ein erstaunlich entwickeltes Ge fühl für die Form ist erkennbar. .Vus Stein waren auch die Messer der Pfahlbauern; sie wurden aus Feuerstein gearbeitet und besitzen eine sichelförmige Krümmung. Die Schneide ist nicht ge schliffen, sondern geschlagen und zwei schneidig. Die Schärfe dieser Sichelmesser blieb bis heute gut erhalten. Die wichtigste Jagdwaffe waren Pfeil und Bogen. Ihre Pfeilspitzen schlugen die Pfahl bauern aus Feuerstein; sie verstanden es, die Kanten mit scharfen Schneiden zu ver sehen und daraus eine tödliche Waffe zu machen. Die Spitze wurde im oben gespal tenen, hölzernen Pfeilschaft mit Schnur und einer Harzmasse befestigt. Knöpfe wurden aus Stein und Knochen gefertigt und mit feinen Bohrungen versehen. Uralt ist der Wunsch der Menschen nach Schmuck, oft wohl auch eng verbunden mit einer religiösen Sinngebung. Tierzähne, versehen mit feinen Bohrlöchern, wurden, auf einer Schnur aufgefädelt, um den Hals getragen. Schutz vor bösen Einflüssen mag ein Beweggrund gewesen sein, oder auch der Glaube, daß mit dem Tragen der TierMahlstein und Vorratsgefäß aus der Pfahlbau siedlung See im fdeimatmuseum Mondsee. — Foto: Schwaighofer

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