Oberösterreich, 22. Jahrgang, Heft 1, 1972

Wohnen, Garten und 'Erholung" durch geführt. Die kräftigen Impulse, die der blühende oberösterreichische Agrarraum für die Ent faltung des Ausstellungswesens brachte, fanden einen besonders fruchtbaren Boden in der stets aufgeschlossenen Agrar- und Handelsstadt Wels. Vielleicht spielte hier auch die internationale Entwicklung eine Rolle. Im Zeichen der Industrialisierungs welle und des wirtschaftlichen Aufschwungs hatten die erfolgreichen Weltausstellungen von London (1851 und 1862), Paris (1855 und 1867), von Wien (1873) und Philadel phia (1876) gezeigt, daß man weithin inter essiert war, auf einem Platz vereint, das gezeigt zu bekommen, was es an Neuerun gen in der Wirtschaft weithin gab. Schon seit dem Jahre 1870 konkretisierten sich die Projekte eines Welser Volksfestes, dann kam der Krieg dazwischen, doch 1878 war es soweit. Die Initiative kam vom Bürger tum. Es wurde im Jänner 1878 ein „Bür gerkomitee zur Abhaltung einer gewerb lichen und landwirtschaftlichen Ausstel lung" gebildet und als im Mai 1878 die Stadtgemeinde Linz mitteilte, daß in der Landeshauptstadt kein Volksfest stattfin den werde, sprangen die Welser flugs in die Bresche. Am 6. September 1878 wurde auf der Haubstenwiese auf 29.150 m- Aus stellungsfläche das erste Welser Volksfest mit Messe eröffnet. Es wurden landwirt schaftliche und gewerbliche Maschinen, Mö bel, Saatgut und Vieh gezeigt und auch Be lustigungen aller Art geboten. Das erste Welser Volksfest erreichte 56.000 Besucher. Der Erfolg weckte die Lust, nun regelmäßig solche Ausstellungen durchzuführen, wobei man sich mit Ried darauf einigte, daß Wels - in allen geraden und Ried in den ungera den Jahren Messen abhalten würden. Das zweite Volksfest im Jahre 1880 war vor allem durch eine technische Attraktion markiert: Das Volksfest war elektrisch be leuchtet, eine Sehenswürdigkeit, die ganz besondere Zugkraft hatte. Schon von jeher verstanden es die Welser, die Massen zu bewegen. So wurden beim Volksfest des Jahres 1924 etwa 160.000 Besucher gemel det, 1938 waren es gar 400.000 und nach dem zweiten Weltkrieg setzte der Sprung zur „Millionenmesse" ein. Als im Jahre 1948 die erste „Nachkriegs messe" ihre Tore öffnete, gestalteten 326 Aussteller die Industrie- und Gewerbe schau zu einem Großerfolg, den der dama lige Bundespräsident Dr. Renner mit den Worten würdigte: „Ich betrachte die Wie dergeburt des Welser Volksfestes als einen Markstein in der Geschichte von ganz Österreich." Die Zahl der Aussteller wuchs indes auf heute 2000 an, das Ausstellungs gelände ist nun 310.000 m- groß, davon sind 156.000 m- reine Ausstellungsfläche und davon wieder 47.000 gedeckte Fläche. 22 große Hallen, von denen vier ein neues Hallenzentrum bilden, werden allen An sprüchen gerecht. So wurde in der Halle 20 der erste Rollsteig errichtet, der in einer Halle in Österreich besteht. Er überwindet bei vierzig Meter Länge sechs Meter Höhen unterschied und läßt die Besucher völlig ohne Stiegensteigen, faktisch „im Gleiten", in den ersten Stock gelangen. Im Jahre 1954 hat die Welser Messe erstmals die Millio nenbesucherzahl überschritten. Seit 1956 führt die Welser Messe den Titel „Öster reichische Zentrallandwirtschaftsmesse". Der Trend zur reinen Fachmesse, den Wels dabei durch rigoroses Ausscheiden fach fremder Branchen beschritt, hat sich gelohnt. Wels wurde hier zum Spitzenreiter einer Messeidee, die heute in Österreich immer mehr Anklang findet. Ansatzpunkte dafür waren eigentlich schon im Jahre 1949 ge geben, als vom 30. April bis 8. Mai eine Gastgewerbe- und Fremdenverkehrsausstel lung abgehalten wurde. Der Erfolg führte Links: Plakatentwurf von Professor Wilhelm Dachauer für das Rieder Volksfest 1927. — Oben: Landmaschinenschau beim Welser Volks fest. — Unten: Tiervorführungen beim Rieder Volksfest 1967.

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