Oberösterreich, 22. Jahrgang, Heft 1, 1972

Wolfgang Sperner Vom Jahrmarkt zur Internationalen Messe Interessante Entwieklungstendenzen in Oberösterreich Es ist eine der liebenswerten Seiten des Österreichers, daß er selbst die ernsten Dinge gerne mit einem heiteren, un beschwerten Beiwerk verbrämt. Man ver anstaltet internationale Messen, die in ihrer fachlichen Struktur zu Magneten für die Fachwelt geworden sind und Millionensum men in Bewegung bringen, aber man läßt das ernste Wirtschaftsgespräch zugleich vom Trubel des Schaustellerbetriebes be gleiten. Manch schwergewichtiger Messeab schluß wird vom Rhythmus der Blasmusik und dem süffigen Goldgelb des Bieres leichtgemacht und angeregt. In dieser Mi schung von Jahrmarkt und Messe liegt da bei gar nichts Abschätziges, denn selbst der neueste Brockhaus charakterisiert den Be griff „Messe" mit den Sätzen: „Von der Zusammenkunft bei der religiösen Messe im Kirchdorf, bei der man Handelsgeschäfte abschloß, zur in regelmäßigem Abstand am gleichen Ort stattfindenden Veranstaltung mit Marktcharakter, zu der der Zutritt grundsätzlich dem Fachbesucher vorbehal ten ist." Ein Dreieck, das von den Orten Wels, Ried und Urfahr gebildet wird, konzentriert heute das Messe- und Marktgeschehen von Oberösterreich. In Wels und Ried sind es die Internationalen Landwirtschaftsmessen, die gesamtösterreichische Bedeutung errun gen haben, und in Urfahr wird alljährlich zweimal „der größte Jahrmarkt Öster reichs" abgehalten. Dabei haben sich im Verlauf der Geschichte die Gewichte bei den Marktplätzen bedeu tend verlagert. Namen, die heute im Zu sammenhang mit Messen kaum einer mehr nennt, wie Enns und Linz, hatten einst große Bedeutung, und andererseits haben sich aus einfachen Jahrmärkten in der jüngsten Vergangenheit Ausstellungsplätze entwickelt, die stetig in ihrer wirtschaft lichen Bedeutung wachsen. Man wird da her auch heute gut tun, nicht geringschätzig von irgendeinem Markt zu berichten, es kann, wie die Geschichte zeigt, leicht sein, daß unter tüchtigen Organisatoren und rühAuf geht's — Blasmusik und Unterhaltung gehören zum festen Bestand aller oberöster reichischen Volksfeste. — Foto: Schütz. rigen Gemeindevätern manch ein „billiger Jahrmarktsort" zu ungeahnter Blüte entfal tet wird. Blicken wir in die Jahrhunderte zurück, so zeigt es sich, daß der Raum Oberöster reichs schon im Frühmittelalter ein inter nationaler Schnittpunkt des Handels war. Vom Westen her kamen Schiffe die Donau herab. Sie brachten Salz aus Bayern und die von ferne kommenden Slawen führten Rinder, Pferde, Lebensmittel, Honig, aber auch Sklaven herbei, mit denen auch die Bayern handelten. Die alte Römerstraße nach Salzburg bekam wieder Bedeutung und ließ den Handelsplatz Wels aufblühen, und mit dem Spital am Pyhrn (1190) und der 1290 erstandenen Raststation des Klosters zu Engelhartszell wurde ein brei ter Fächer des Fernhandels aufgemacht. Zu dem bildeten seit eh und je die Flüsse Enns und Traun ideale Verkehrswege für Salz und Erz. So kam es, daß die seit dem Jahre 1191 bestehenden Jahrmärkte zu Enns, die zwei Wochen vor Pfingsten begannen und bis Pfingsten dauerten, der Begegnung zwi schen dem Westen und Osten dienten. Oberösterreich nahm in der frühmittelalter lichen Wirtschaft eine Vorrangstellung ein. Enns war im 12. Jahrhundert für den Raum Osterreich das, was heute im internationa len Blickfeld Wien ist. Wien stand damals, wie dem Ennser Mautbuch des Jahres 1525 sowie dem Ebersdorfer Mautbuch zu ent nehmen ist, als Handels- und Marktplatz gegenüber Enns weit im Hintergrund. Wie Hoffmann in seiner Wirtschaftsgeschichte Oberösterreichs vermerkt, bevorzugten die Oberdeutschen seit dem 16. Jahrhundert die Märkte von Linz und Krems gegenüber dem Wiener Platz. Es war sogar so, daß die Wiener bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts immer zu den Linzer Märkten zum Waren einkauf kamen und erst nach den großen Mauterhöhungen des Jahres 1672 aus blieben. Die Ennser Märkte waren also im 12. Jahr hundert Österreichs internationaler Han delsplatz. Das Einzugsgebiet der periodi schen Märkte reichte von Maastricht in Holland bis Rußland. Während vom We sten Textilien, Pfeffer und Fische kamen, brachte man vom Osten Edelmetalle, Wachs, Häute, Wein und Getreide. Enns war damals der Donauhafen für den Traungau, den Machtbereich der Otakare und des damaligen „Zentralraumes in Oberöster reich". Wäre es nicht denkbar, daß mit der geplanten Realisierung eines neuen Donau hafens in Enns in Zukunft neuerlich Enns zu einer internationalen Bedeutung als Handelsplatz aufsteigen könnte? Als später durch die Landstände der poli tische Schwerpunkt im Lande ob der Enns nach Linz gerückt wurde, traten die Linzer Märkte die Nachfolge von Enns an. Es handelt sich um den Bartholomäusmarkt (schon von 1382 nachgewiesen) und um den Ostermarkt. Beide sind seit dem 14. und 15. Jahrhundert beurkundet und zählten seit dem 15. Jahrhundert zu den bedeutendsten Handelsplätzen des Landes. Die Märkte von Linz hatten im Mittelalter europäische Bedeutung. Aus einem Kauf mannsbericht des Jahres 1506 geht hervor, daß damals beispielsweise Oberländer aus Memmingen mit sächsischem und schlesischem Gewand und Leinwand nach Linz kamen. Hier trafen sie Nürnberger und Salzburger mit Venedigerware, aus Böh men kamen Wachs, Unschlitt, Pferde und Häute und aus dem steirischen Judenburg wurde Eisen herangebracht. Die Linzer Messen verdankten dabei ihre internatio nale Bedeutung nicht nur dem Warenhan del, sondern auch dem hier abgewickelten Giro- und Wechselverkehr. Sie gehörten zu den wichtigsten europäischen Wechselmes sen. Kaufleute aus Italien, Frankreich, Spa nien, Ungarn, Böhmen, Mähren und Deutschland kamen nach Linz. Welche wirtschaftliche Bedeutung diese Linzer Mes sen einst hatten, geht daraus hervor, daß im Jahre 1593 der Umsatz auf einem ein zigen Linzer Markt auf vier Millionen Gul den geschätzt wird. Das Ende der Linzer Märkte setzte dann im 17. Jahrhundert ein. Kaiserin Maria The resia beklagte zu Anfang ihrer Regierung den Niedergang der berühmten Linzer Märkte und Landeshauptmann Thürheim nannte im Jahre 1745 in einem Bericht an die Kaiserin als Ursache dafür die Konkur renz durch die Märkte zu Passau und Salz burg sowie die hohe Maut.

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