Oberösterreich, 22. Jahrgang, Heft 1, 1972

wahrscheinliche: er gewinnt nicht nur Inge borgs Freundschaft, sondern führt auch die Versöhnung der beiden Väter herbei. Als Lyriker hat uns Gottschalk ebenfalls Kunstwerke von hoher Qualität geschenkt. Seine Gedichte „Der alte Knecht",„Die alte Magd", „Der Sämann", „Ernte", „Bauern tod" sind von ergreifender Schönheit. Es wurde hier versucht, auf die wichtigsten bäuerlichen Schriftsteller unseres Landes, bzw. auf die nennenswerten Werke unserer heimischen Literatur kurz einzugehen. Die Betrachtung wäre jedoch unvollständig, würde man nicht auch jene Autoren miteinbeziehen, die in ihren Werken das Ländlich-Bäuerliche berücksichtigt haben. Hier dient der ländliche Lebensraum als Kulisse für die Handlung, hier wird das Material, das aufbereitet ist, aus dem länd lichen Bereich genommen. Da ist zunächst Enrica Handel-Mazzetti, und zwar im be sonderen mit ihren beiden Romanen „Jesse und Maria" und „Die arme Margaret".Den ersteren hat die Dichterin in Steyr geschrie ben. Jesse von Veldendorff hat um das Jahr 1654 den biederen, gutmütigen Förster Schi nagl zum evangelischen Glauben bringen wollen. Durch eine Schuldforderung vermag er den einfachen Menschen so weit zu brin gen, daß er das wundertätige Gnadenbild von Maria Taferl, das er selbst ge stiftet hat, vom Berge holt. Maria, die schöne und pflichteifrige Frau des Försters, verhindert jedoch die Herausgabe des Bil des und wendet sich an die Jesuiten in Krems um Hilfe gegen die Feinde der Kir che. Stolz und vom Fanatismus erfüllt, ver teidigt sich der Förster vor der Reforma tionskommission und erschießt den ober sten Richter, als man die Förstersfrau und ihren Sohn aus dem Schloß vertreiben will. Maria, anfänglich ebenfalls fanatisiert und von dem Guten, das sie getan hat, über zeugt, wird alsbald von Reue gepackt, sie besucht ihren Mann im Kerker und söhnt sich mit ihm aus. Jesse erkennt sein Un recht und bezeichnet seine Handlungsweise als Verstoß gegen die Gewissensfreiheit. Er stirbt auf dem Blutgerüst, voll zum evangelischen Glauben stehend. In diese wuchtige, großangelegte Handlung sind viele Szenen von erschütternder Dramatik eingebaut, so etwa die Schilderung des vom katholischen Glauben bereits abgefallenen Landespergers, der wegen seiner Anhäng lichkeit an Jesse schließlich von den Bauern zu Tode getrampelt wird. Magna res est Caritas. Dieses Motto, das aus all den furchtbaren Begebenheiten durchleuchtet, mit denen uns Handel-Mazetti konfrontiert, wird auch in „Volks roman aus dem alten Steyr" sichtbar, der 1910 unter dem Titel „Die arme Marga ret" erschienen ist. Der Roman ist in das Jahr 1627, also in die Zeit kurz nach der Niederwerfung des Aufstandes der ober österreichischen Bauern durch Pappenheim, gestellt. Unter den Männern, die als Re bellen mit dem Tode bestraft wurden, be findet sich auch der Sekretär des Bauern bundes, Wolf Meier. Dessen junge Witwe hat in ihrem Schmerz bittere Vorwürfe ge gen den Statthalter von Linz ausgestoßen. Herberstorff läßt nun Margaret gefangen nehmen, um sie zu züchtigen und zu be strafen. Was Margaret an Roheiten und Grausamkeiten erlebt, ist drückend. Ein junger Leutnant will sie vergewaltigen. Erst als das Skapulier sichtbar wird, das ihm seine Mutter um den Hals gehängt hat und als ihn die sich wehrende Frau verzweifelt um Schonung bittet, läßt er von seinem Vorhaben ab. Margaret flieht mit dem Kinde und wird von einem katholischen Bürger aufgenommen. Dieser erstattet ge gen den Leutnant Anzeige. Der Missetäter wird zum Tode verurteilt und hingerichtet, obwohl Margarete um Gnade für ihn ge fleht hatte. Wir dürfen hier auch Adalbert Stifter, dem Sohn eines Flachshändlers und Leinenwe bers aus Oberplan, in unserer Betrachtung einen Platz einräumen. Stifter führt uns in allen seinen Erzählungen innig an die Na tur und die Menschen, die mit dieser Na tur verbunden sind, heran. Gleichgültig, ob es die Landschaft seiner Heimat, der Böh merwald ist, die majestätische Gletscher welt, das Salzkammergut, oder die Heide: überall läßt uns der Dichter die Großartig keit der Schöpfung erleben, das Bild einer liebenswerten Landschaft und das Bild von Menschen, von armen und reichen, von hochgestellten und bäuerlich-einfachen, die um das Wesentliche im Leben wissen und es anstreben. Da ist es einmal ein auf der Insel am Bergsee verschanzter Hagestolz, dann wieder ein eingebildeter Kranker, der durch die Heirat mit einem anmutigen Landmädchen und durch die starke Bindung an die Natur gesundet; hier das Mädchen vom weißen Haus neben der Milchbäuerin, das am ersten Beichttag dem Brauch gemäß die Gottesmutter um etwas bittet, sich in einen tüchtigen Holzknecht verliebt, aber beim Jagdfest mit einem feinen Herrn be kannt wird, den sie heiratet; dort der gut mütige Obrist, der sieht, wie der Bub der Witwe zwei Kühe auf seiner Wiese wei det und der trotz des Frevels die Kühe an die Witwe wieder zurückgibt; dann ist es wieder ein Mädchen, das von ihrem reichen Werber die höchste Liebe verlangt, ihn hei ratet, sich aber von ihm trennt, als er ihr nicht ganz treu ist; oder es ist eine Wirts frau, die unbeholfen und verschämt lä chelt, als der Künstler ihr mitteljähriges, gutmütiges Gesicht in die Mappe zeichnet; oder es ist ein Knabe, der Schafe hütet und dabei in der Natur auf Entdeckungsreise geht; oder es ist der Bauernbub, der durch fleißiges Studium und durch Geschenke den Eltern zu vergelten sucht, was sie für ihn getan haben: immer sind die Menschen auf dem Weg zur inneren Harmonie, zum tie feren Verständnis der Natur und zur Er kenntnis, daß hinter allem, dem wogenden Kornfeld und der Wiese im Morgentau, hinter dem blühenden Garten und dem rau schenden Wald das Walten Gottes steht. Wir müssen auch von der 1912 geborenen und in Leonding lebenden Dichterin Ger trud Fussenegger sprechen. Sie selbst stellt in einem Interview in der Anthologie „Wort im Gebirge" 1972 mit Recht fest, daß in ihren Büchern ein ziemlich breiter Fächer von Situationen, Motiven, Figuren vorhanden sei. „Da ist einmal ein gut bürgerliches, einmal ein bäuerliches, dann wieder ein halbproletarisches Milieu ... Da ist ein Landarzt aus Böhmen, ein Kunst händler aus Frankfurt, ein Tiroler Dorf pfarrer, eine tschechische Zirkusköchin." Wie sehr diese Feststellung zutrifft, könnte eine ausgiebige Vertiefung in ihre Romane und Erzählungen bestätigen. Hier soll nur auf einige, unser Thema berüh rende Beispiele hingewiesen werden. Der 1940 erschienene Roman „Die Leute auf Falbeson" bezeichnet schon im Titel den Namen eines Bauernhofes. Das Werk schil dert die Austreibung der Protestanten aus Tirol und stellt uns einen Mann vor, dem die Heimat lieber ist als das Bekenntnis. Er kehrt nach Jahren mit Frau und Sohn in der Überzeugung zurück, wesentlich sei nicht, daß man seine Überzeugung sichtbar zur Schau trägt, sondern daß man sie in seinem Inneren habe. Er scheitert jedoch, weil er sich nicht in die Gemeinschaft zu integrieren vermag, in der er lebt. Das Motto des Romanes ist die Lebensweisheit: „Was ist das Wort, wenn wir es nicht be kennen dürfen!" 1948 erschien der Roman „Die Brüder von Lasawa." Es handelt sich um einen historischen Stoff aus dem Drei ßigjährigen Krieg, in dessen Mittelpunkt zwei ungleiche Brüder stehen: der eine, Christoph, wächst in Tirol heran und ist so, wie die Menschen dort, in der Heimat ver wurzelt, der andere, Zdenko, lebt in Böh men und ist unruhig und unstet. Im Heer Tillys vor Magdeburg treffen sich die bei den wieder. Zdenko desertiert, Christoph soll ihn als gefallen melden. So kann er unter einem falschen Namen weiterleben, bis er sich dem Verlangen des Bruders fügt, seine Identität wieder anzunehmen. In dem Roman „Die Pulvermühle" stehen wir im Banne einer erregenden, manch mal geradezu unheimlichen Geschichte, die sich in einem entlegenen Dorf der Südtiro ler Bergwelt zuträgt. Es ist die Geschichte, die mit dem plötzlichen Verschwinden des Steinbruchbesitzers Lebandowsky beginnt und es ist eine Geschichte, an der weit gehend der Weiterbestand der Ehe von Ju lia und Jürgen Bojan hängt. Mit großer Liebe werden in die spannende Handlung hinein lebensvolle Bilder vom dörflichen Alltag in Lajon, aber auch von den kirch lichen und weltlichen Festen gegeben. Neben den Städten Prag und Pilsen sind es vor allem die benachbarten, tschechisch-

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