Oberösterreich, 22. Jahrgang, Heft 1, 1972

nach dem Dreißigjährigen Krieg aus dem deutschböhmischen Raum in das Mühlvier tel eingewandert ist und hier den Zehent hof erworben hat, über den Bewirtschafter des Hofes nach der Bauernbefreiung von 1848, der sich nur schwer von der Natural wirtschaft zur Wirtschaftsweise des Mer kantilismus umstellen kann, bis zu der Titelgestalt Bartholomäus Rodauer. Diese verkörpert den modernen, aufgeschlossenen Bauern, der fachlich gebildet ist und be triebswirtschaftlich vorbildlich arbeitet. Die jeweilige Handlung wird immer wieder ge schickt in die historisch-politischen Verhält nisse hineingestellt. Romane aus dem bäuerlichen Leben schenkte uns Mimi Eckmair-Treudenthaler. Die Schriftstellerin wurde 1910 in Steyregg geboren. So ist sie schon von ihrer Her kunft her mit der Landschaft an der Do nau und dem Mühlviertel eng verbunden. Diese Verbindung wurde noch vertieft, nachdem sie jahrelang mit ihrem Gatten, dem Schulmann und Lyriker Carl Martin Eckmair, in Fürling bei Gutau gelebt hatte, ehe sie nach Linz übersiedelte. Über den frühen Beginn ihrer schriftstellerischen Arbeiten schreibt Mimi Eckmair: „Meine erste Areit brachte eine Zeitung, als ich kaum von der Schule weg war. Ihr folgten viele Erzählungen und Novellen. In der Einsamkeit einer Waldschule, wo ich mit meinem Mann und unserem Buben lebte, schrieb ich die beiden Romane ,Welt hin term Wald' und ,Die Königskerze'. Mein Roman ,Das starke Herz' verschwand samt dem Verlag unter den Bomben und die Zweitschrift ging mit dem Großteil unserer Habe in den letzten Kriegstagen daheim zugrunde. Das war unangenehm, aber weit aus leichter hinzunehmen als alles andere, was geschah in dieser Zeit." Und dann fährt sie fort: „Nun lebe ich in der Stadt, aber meine Heimat sind die Wälder und Auen geblieben." Ihr hat sie den erlebnis starken Roman „Die silberne Brücke" ge widmet. Es ist die Geschichte des tüchti gen und innerlich starken Mädchens Ka tharina, das zusammen mit ihrem Bruder Michl am Lambprechthof in Kirchschlag aufgewachsen ist. Neben den beiden Romanen „Das Mäd chen von St. Florian" und „Das goldene Gewand" erschien von Mimi Eckmair-Freudenthaler auch ein Band Erzählungen un ter dem Titel „Der gestohlene Erzengel." Es sind zum Teil heiter-liebenswürdige Ge schichten über Begebenheiten im Haus des Mesners Sebastian: der kleine Adam be kommt ein Schwesterchen, er hat aber einen Bruder erwartet; Adam geht zum ersten mal in die Schule und beißt die Lehrerin in die Hand; in der Titelgeschichte entführt Adam, die Folgen nicht ahnend, die Statue des Erzengels von der Kirche, um der Schwester zu zeigen, wie ein Engel aus schaut. In einer anderen Geschichte hört der Mesner, der in der Sakristei ge stürzt und dabei auf die glühenden Kohlen im Glufaß zu sitzen gekommen ist, vom Bett aus, daß Barbara verschwunden ist! Da will er am Karfreitag die Glocken läuten, um der Tochter die Richtung anzu geben, wo das Mesnerhaus steht, dabei ist die auf den Turm geklettert, um zu sehen, ob die Glocken tatsächlich nach Rom geflo gen sind; zu Pfingsten klappt es mit dem Herablassen der Taube aus der Deckenluke der Kirche nicht usw. Aber auch ernste Geschichten enthält der Band: etwa jene von Peterseil und dem Adventkranz, die damit einsetzt, daß in der Schule vom Adventkranz eine Kerze verschwindet. Alle halten nun Peterseil, dessen Vater im Ge fängnis sitzt, für den Dieb; oder die Ge schichte von Jakob mit den gelähmten Bei nen, dem Philine zu einem schönen Som mer und zur Gesundung verhilft; oder die Erzählung von Adam und seinem Garten, den er zum Paradies machen will, seit An gela, das Zirkuskind, kommt und seine Arbeit anerkennt, usw. Eine Klasse für sich ist Hanns Gottschalk. Auch er kommt aus dem Bäuerlichen und verarbeitet in seinen Werken bäuerliche Motive. 1909 im oberschlesischen Lenschütz geboren und einem dahin einge wanderten westfälischen Bauerngeschlecht entstammend, ging Gottschalk nach dem Besuch der Dorfschule an das Gymnasium in Cosel an der Oder und studierte an schließend an den Universitäten Wien und Breslau. 1937 promovierte er zum Dr. phil. Nachdem er kurze Zeit im Pressearchiv am Deutschen Institut der Universität Breslau tätig gewesen war und mit seinen ersten Gedichten und Erzählungen die literarische Welt auf sich aufmerksam gemacht hatte, brach der zweite Weltkrieg aus, der für ihn besonders bittere und folgenschwere Aus wirkungen brachte: den Verlust dreier Brü der, die Zerstörung des Heimes in Breslau, die Vertreibung aus der Heimat. Nach einer entbehrungsreichen Wanderung, die ihn in das Mühlviertel, ins Steyrtal und in das Salzkammergut brachte, fand Gottschalk in Linz ein neues Zuhause. Hier lebt er seit her als freier Schriftsteller sowie als Redak teur und freier Mitarbeiter von Zeitschrif ten und Zeitungen. Bereits 1940 hatte Gott schalk den Roman „Der Fremde im Dorf" geschrieben, in dem er den Leser in eine Welt abgrundtiefer Leidenschaften hinein stellt. Mit Recht schrieb Fischer-Colbrie 1949, es scheine in diesem Werk fast, als geisterten die unheimlichen Gespenster- und Hexensagen der westfälischen Ahnenhei mat durch die Handlung, die naturalistische und mystische Elemente verbinde. Es ist ein sündiges Dorf, das uns gezeigt wird, aber auch ein Dorf, in dem der Bildhauer Johannes, der „Fremde", lebt und arbeitet. Sein von der Liebe zu Kat, dem reinen Mädchen inmitten einer verderbten Welt, inspiriertes Madonnenbild bewirkt Besin nung und Umkehr. Ein Roman, hinter dem nicht zuletzt das Bekenntnis des Künstlers zu seiner Aufgabe steht. Dieser Gedanke findet in den Romanen „Meister Dominus" und „Fährmann Gottes" seine Fortsetzung. Echt bäuerliches Milieu vermittelt Gott schalks wohl bedeutendster Roman „Es rauscht ein Strom." Hier hat der Dichter noch einmal den geliebten Menschen seiner Heimat, die über den Grenzstrom setzen mußten, ein Denkmal gesetzt. Zugleich hat er das Flüchtlingsproblem mit einer Mei sterschaft bewältigt, die ans Herz rührt. Gottschalk, der am eigenen Leib die ganze Härte und Bitterkeit dieses Weges aus der Heimat erlebte und erlitt, klagt nicht, er verzweifelt nicht, er nimmt nicht Rache. Er bändigt vielmehr das Flüchtlingslos und auch die Flüchtlingshoffnung in die Worte: „Denn allen, die da wandern, nicht weil die Sehnsucht sie treibt, muß eine Heimat wer den. Anders fällt auch die Pforte der ewi gen Heimat zu." Inhaltlich läßt uns der Dichter die Geschichte eines Flüchtlings er leben, der über den rauschenden Grenz strom setzt und sich in einem Bauernhof als Knecht verdingt. Hier findet er in der opfernden Liebe zu Julia, die um ihren nicht mehr heimkehrenden Liebsten trauert, die Kraft zu neuem Beginnen. Innerlich verwandt mit diesem Roman ist die Novelle „Der Weg nach Petropowka." Der Krieg hat der Bauerntochter Janka den liebsten Menschen, Julian, entrissen. Janka kommt über diesen Verlust lange nicht hin weg, der Tote bleibt unsichtbar lebendig. Sie steht vor dem Kornfeld an der Koppel und hört die Worte, die Julian zur Mutter gesprochen hatte, ehe er fortging. Sie wird durch Nikol, Julians ältesten Bruder immer zu an ihren Geliebten erinnert. Als sie Da niel Querner, der Sohn des Quernhofbauern mit selbstloser Liebe umwirbt, da muß sie erst mit dem fertig werden, was ihr auf der Seele lastet. Sie kann ihm die Hand erst reichen, nachdem sie innerlich den Weg nach Petropowka gegangen war. „Der Opfergang der Seele zu den Toten der großen Kriege muß geleistet werden", erläutert Fischer-Colbrie, „damit die Erde ein einziges Vaterland des Friedens werde." In das bäuerliche Leben greift neben vielen Geschichten, die er schrieb, auch die Novelle „Der Sohn" ein. Adalbert, der Sohn des Bauern Schafhütlin hat heimlich Latein ge lernt, um am Gymnasium studieren zu können. Der Vater willigt ein, doch der Zu fall will es, daß Adalbert in der Schule ne ben Ingeborg Erklenz zu sitzen kommt. Ingeborgs Vater war in früheren Jahren der beste Freund des Bauern gewesen. Beide hatten sie dieselbe Schule besucht, in der nun ihre Kinder unterrichtet werden. Auf einmal aber hatten sie sich verfeindet und waren aus der Schule geflogen. Adalbert versucht, zu Ingeborg über das Trennende hinweg eine Brücke zu bauen. Es gelingt ihm anfangs nicht. Erst als er sich ganz und aufrichtg bemüht, geschieht das Un-

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