Oberösterreich, 22. Jahrgang, Heft 1, 1972

1922 wurde er von der Tänzerin Grete Wiesenthal als Dramatiker entdeckt. Als bald genoß er die Förderung von Hugo von Hofmannsthal und Max Melk 1923 erschie nen die ersten Gedichtbände Billingers „Lob Gottes" und „Über die Äcker", die den Dichter rasch berühmt machten. 1924 erhielt er den Literaturpreis der Stadt Wien. Den lyrischen Erfolgen folgten bald auch jene auf dem dramatischen Gebiet. Seine Stücke wurden auf großen Bühnen auf geführt. Und schließlich schrieb Billinger eine Reihe von Prosawerken, die schon bei ihrem Erscheinen als große literarische Lei stungen gewürdigt wurden. Seit dem Ende des zweiten Weltkrieges bis zu seinem Tod im Jahre 1965 lebte der Dichter in Nie derpöcking am Starnbergersee. Hofmannsthal nannte das Erscheinen seiner Lyrikbände ein Ereignis, „dessen Beson derheit darin liege, daß Billinger ein Bauernsohn sei. Seine Gedichte beschränk ten sich wohl auf die Gefühls- und Vor stellungswelt dieses Standes, im Ausdruck dieser Motivenwelt aber zeigten sie eine so große Kraft und eine so hohe Originalität, daß sie durchaus als hohe Literatur anzu sehen wären." Tatsächlich zählen Gedichte wie „Wir Bauern", „Der Knecht", „Die treue Magd", „Notburga", „Über die Äcker", „Der Pflüger", „Der Säer-Ruf", „Ein Brotlaib" u. a. zu den schönsten ihrer Art. In seinen Dramen wird uns immer wieder der Zwiespalt vor Augen geführt, in dem der Bauer seiner Zeit steckte: es ist der Zwie spalt zwischen dem Christentum und den Relikten aus der heidnischen Vorzeit, zwi schen der Frömmigkeit und dem ungezähmten Triebleben, zwischen der alten bäuer lichen Kultur und der städtischen Zivilisa tion, zwischen der von den Alten übernom menen bäuerlichen Lebensform und dem anbrechenden technischen Zeitalter. So erle ben wir im „Tanz- und Zauberspiel vom törichten Bauern, von der Windsbraut und dem Heiligen", wie das „Perchtenspiel" im Untertitel heißt, den Kampf zwischen dem alten Zauberwesen im bäuerlichen Innvier tel und den Heiligen, die von der katholi schen Kirche verehrt werden. Im Mittel punkt des Kampfes steht der derb-sinnliche Knecht Peter. Bei der Uraufführung des Werkes im Rahmen der Salzburger Fest spiele 1928 spielte die Wiesenthal die schöne Perchtin. In dem Drama „Rauhnacht", zu dessen Erstaufführung in München 1931 Alfred Kubin das Bühnenbild gestaltete, sind die Dämonen nicht mehr Phantasie, sondern Menschen von Fleisch und Blut. Billinger zeigt uns in diesem Stück mit einer grandiosen Meisterschaft die geradezu pathologische Triebhaftigkeit der Men schen, die bis zum Lustmord führt. Der Held des Stückes, der heimatlos gewordene Simon, ist ein getriebener Mensch, einer der „jeden Schritt nachgibt wie ein Sumpf." Der Dichter hat in der „Rauhnacht" auch den Gegensatz zwischen Land und Stadt und damit im Zusammenhang das Problem der Landflucht, das bereits im Perchtenspiel anklingt, bis ins Metaphysische durchleuch tet. Der Gegensatz zwischen Technik und Natur, zwischen Traktor und Pferd, aber auch zwischen Bauern und Dienstboten ist das Thema des Dramas „Rosse." Die Aus einandersetzung zwischen der alten und der neuen Welt,deutlich gemacht in der in einer Wirtshausszene gezeigten Gegnerschaft zwischen Händler und Roßknecht, ist eine auf Leben und Tod. In den gleichen Motiv kreis findet Billingers erstes Stück nach dem zweiten Weltkrieg, „Der Zentaur", zurück. Der Zentaur ist ein Roßmensch, der dem Franz in den „Rossen" gleicht. Auch in den anderen Dramen und in den Komö- - V i'-i. ujr ■>- V ' I i». . . . . Kostümaufnahme von den Entwürfen Professor Walter Ritters für die Linzer Aufführung von Richard Billingers „Rauhnacht". Foto: M. Schindelar.

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