Oberösterreich, 22. Jahrgang, Heft 1, 1972

nannte sich als Dichter nach dem Mädchen namen seiner Mutter Stibler. Er besuchte das Gymnasium in Linz und trat 1881 in das Priesterseminar ein. Schon während seines Theologiestudiums entstanden meh rere Bändchen mit lyrischen Stimmungs bildern. 1884 wurde Stibler zum Priester geweiht. Sein erster und in seinem Leben einziger Seelsorgeposten war Crieskirchen. Dort wirkte er als Kaplan, später als Pfar rer und schließlich als Dechant. Stibler gilt als der Sänger des Kobernaußer waldes, dessen Schönheit er entdeckt hat. Immer wieder hat er diese bäuerliche Land schaft vor Augen, die Wiesen, die Felder und Wälder. Vor allem das rauschende Wasser hat es ihm angetan: Bon Bründl sein'Hoam, Bo da örl af da Wiesn Da bin i dahoam. Und mitten in diese Natur stellt er in treffender Zeichnung seine Mitmenschen hinein: die Bauern, die Handwerker, die verschiedensten Dorfbewohner. Sie alle schildert er als naturverbunden, vollblütig, gelegentlich auch übermütig. Im „Linsadliad", einem kleinen Epos, bringt er die Ar beit von der Aussaat des „Linsad" bis zur „Leinwandweberei" in enge Beziehung zum Leben des Landvolkes. In zehn Gesängen erfahren das Glück und die Zufriedenheit einer Bauernfamilie eine verklärte Darstel lung. Im Jahre 1900 erblickte in einem kleinen Anwesen in Offenhausen bei Wels der Dichter Hans Reinthaler das Licht der Welt. Seinem Leben und Schaffen hat Ulrike Pazelt aus Wels einen Teil ihrer Disser tation, die sich mit der oberösterreichischen Mundartdichtung des 20. Jahrhunderts be faßt, gewidmet. Reinthalers Vater war der typische „Häuselmann" des Hausruckvier tels, der dem Maurerberuf nachging, wäh rend die Frau für die kleine Wirtschaft daheim zu sorgen hatte. Die Mutter war es auch, die ihren Kindern viele Sagen und Geschichten zu erzählen wußte. Als Elf jähriger kam Hans Reinthaler nach Hall in Tirol ins Gymnasium. Anschließend brachte man ihn ins Noviziat der Franzis kaner von Pupping. Der freiheitsliebende junge Mann löste sich jedoch bald wieder vom Orden und studierte weiter. Dann brach für ihn eine schwere Zeit an, die durch die Nachkriegswirrnisse noch zusätz liche Belastungen brachte. Nachdem er nicht daheim bleiben konnte, wurde er Sekretär bei einem Kohlengroßhändler, der ihn nach Wien mitnahm. Dort fühlte er sich Jahre hindurch einsam und elend. Zu sei nem eigenen Trost begann er zu dichten. Vor allem in der Sprache seiner Heimat, in der Mundart, schrieb er sich nun vieles von der Seele. Der Reihe nach erschienen seine Werke: ein Kindermärchenbuch, ein Band Mundartgedichte, ein Legendenspiel, ein weiterer Mundartband. Auch beruflich konnte er Erfolge verzeichnen. Nach dem zweiten Weltkrieg, den er an der Front er lebte, brauchte er lange, um wieder den not wendigen literarischen Anschluß zu finden. 1964 starb er. Reinthaler hat sich in seinen Werken mit großer Liebe und ebenso großer dichterischer Kraft der bäuerlichen Welt angenommen. Was immer er beschreibt, den Wechsel der Jahreszeiten, die Schön heit der Natur oder den bäuerlichen Men schen mit seiner harten Arbeit und seinen sozialen Problemen, aber auch mit seinem Leben: Immer spürt man die Tiefe seiner Empfindung, erlebt die Beherrschung der Sprache. In seinem letzten Werk,im „Zau berbrunn", stellt er die soziale Problematik der bäuerlichen Bevölkerung in den Mittel punkt. Dabei setzt er den Knechten und Mägden, deren Arbeit er gesehen hat, ein schönes Denkmal. Im Vorwort sagt er: „Die gebändigte Kraft der Maschinen ackert, sät und erntet. Knechte und Mägde sind selten geworden und kein Mahnmal und kaum ein Grabkreuz kündet von denen, die starben. Ihrem Gedenken widmet der Verfasser dieses Buch." Einen festen Platz in der Mundartdichtung nimmt der 1969 verstorbene Innviertier Hans Schatzdorfer ein. Sein Verdienst ist zweifach: einmal war er selbst ein bedeu tender Mundartdichter, zum anderen galt er als der beste Stelzhamer-Interpret, den unser Land in der Gegenwart besaß. 1897 in Großpiesenham als Sohn eines in bescheidenen Verhältnissen lebenden Tischlers geboren, verlor er schon mit fünf Jahren den Vater. Die Mutter mußte als Störnäherin für den Unterhalt der Kinder sorgen. Der Bub erlernte, da die Mittel zur Bestreitung eines Studiums nicht vorhan den waren, das Tischlerhandwerk. Nach der Heimkehr aus dem ersten Weltkrieg wurde er selbständiger Tischler. Aber das Einkom men aus dem kleinen Betrieb und der noch kleineren Landwirtschaft reichten kaum für das Lebensnotwendige aus. Erst 1939, nach dem Schatzdorfer Angestellter der Lager hausgenossenschaft in Ried i. 1. geworden war, besserte sich seine Lage. 1959 trat er infolge eines Augenleidens in den Ruhe stand und widmete sich fortan ganz der Mundartdichtung. Gemeinsam mit Dr. Zötl unternahm Schatz dorfer Jahre hindurch Vortragsreisen in Oberösterreich, um die Bevölkerung wieder stärker an Stelzhamer heranzuführen. Schatzdorfers großartige Vortragsweise sorgte dabei für einen vollen Erfolg. An Eigenschöpfungen liegen von ihm drei Bände in oberösterreichischer Mundart vor. Der Dichter erweist sich darin als feinfüh lender Bauernphilosoph, der alles, was ihn umgibt, mit heiterer Gelassenheit betrach tet. Wo andere geißeln und poltern, mahnt er mit weiser Nachdenklichkeit oder mit treffsicherem Spott. Übrigens hat auch er ein Epos geschrieben. Diese Verserzählung, das „Drahbröttlgspiel", kann mit Recht literarisches Interesse beanspruchen. Damit sind wir mit unserer Betrachtung bereits in die Gegenwart gekommen. Mit Freude können wir feststellen, daß die Mundartdichtung nach wie vor große Be deutung besitzt, ja, es hat den Anschein, als wäre unsere Zeit der Technik und des wirtschaftlichen Denkens drauf und dran, die Sprache des ländlichen Raumes neu zu entdecken. Es würde zu weit führen, wollte man auch nur die Namen aller oberösterreichischen Mundartdichter der Gegenwart anführen. Vielmehr sei in diesem Zusammenhang auf die von Prof. Dr. Johannes Hauer, Wels, herausgegebene Kleinbuchreihe „Lebendi ges Wort" hingewiesen, in deren Rahmen alljährlich die Dichtungen einiger Ober österreicher erscheinen. In letzter Zeit etwa waren vertreten: Hans Haager aus Bad Hall mit seinem „Gvatterbitter", in dem das Brauchtum des Gödnbittens dichterisch ver arbeitet wird; P. Emmerich Donninger, der das im Lande Erlebte und Erlauschte mit kräftigen Farben schildert; Franz X. Blasl, der sich als Menschenkenner und Tierlieb haber präsentiert; Rupert Ruttmann, der in seinem Bändchen „D'Herzsoatn" eine erfrischende Ausdruckskraft an den Tag legt; Leopold Gruher, der selbst längere Zeit Bauer war und im Bändchen „Innviertler Bluat" seinem Anwesen und seiner Umgebung sympathische Gedichte widmete, usw. Daß es in Oberösterreich darüber hinaus um den Nachwuchs an Mundartdichtern gut bestellt ist, hat der Festabend gezeigt, den der Stelzhamerbund anläßlich seines 90jährigen Bestehens am 16. März 1972 veranstaltet hat. Der Bogen spannt sich von dem schon durch mehrere Publikationen her bekannten Theodor Renzl, der von Salzburg aus noch immer seine Innviertier Heimat und die bäuerliche Welt seiner Ju gend besingt, bis zu dem Landesbeamten Hermann Hinterhölzl. Wer vom Bäuerlichen in der oberösterrei chischen Dichtung spricht, darf aber nicht nur die Mundartdichtung im Blickfeld haben. Er muß vor allem in den hochdeut schen Werken unserer Schriftsteller blät tern. Dies wird uns bewußt, wenn wir mit Richard Billinger einer jener großen Gestal ten begegnen, die das literarische Antlitz unseres Landes wesentlich mitgeprägt ha ben. Billinger wurde 1890 als Sohn eines Krämers und Landwirtes in St. Marien kirchen bei Schärding geboren. Nach den Gymnasialjahren am Kollegium Petrinum in Linz und am Gymnasium Ried studierte er an den Universitäten Innsbruck, Kiel und Wien. Er beendete jedoch sein Studium nicht, sondern lebte als freier Schriftsteller und Landwirt. 1920 war er in Wien zu finden, wo ihn der Hoftischler Bernhard Ludwig, einer der letzten Vertreter priva ten Mäzenatentums,in sein Haus aufnahm.

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