Oberösterreich, 22. Jahrgang, Heft 1, 1972

mations-, Ausbildungs- und Revisionstätig keit für die Vorschußkassenvereine auch als Geldvermittlungsstelle fungiert. Bei dem Unternehmen, das Genossenschaftswesen in Oberösterreich weiter auszubauen, konnte sich der Oö. Landesausschuß der Unter stützung der k. k. Regierung sicher sein. Landesrat V. Kerbler, der Vater des oö. Ge nossenschaftswesens, wurde mit dem Stu dium der Einrichtung der schon bestehen den nö. Genossenschaftszentralkasse beauf tragt. In seiner Stellungnahme hielt V. Kerbler fest, daß es als nicht zu unter schätzender Vorteil anzusehen sei, wenn die Raiffeisen-Vorschußkassenvereine ver pflichtet sind, ihre Bestände bei einer Genossenschafts-Zentralkasse anzulegen, da auf diese Weise das Geld, das aus der Landwirtschaft kommt, in Form von Kre diten wiederum in die Landwirtschaft zu rückgeführt werden kann,„indem sie land wirtschaftlichen Genossenschaften, insbe sondere An- und Verkaufsgenossenschaf ten, Lagerhausgenossenschaften usw., leicht zugänglichen und billigen Betriebs kredit verschaffen kann." Auch wurde von Seiten des k. k. Ackerbauministeriums die Gründung land- und forstwirtschaftlicher Genossenschaften sehr gefördert und für die Gründung einer Genossenschafts-Zentralkasse die Auszahlung einer Subvention in Aussicht gestellt. Auf Grund des Berichtes des Oö. Landes ausschusses an den oö. Landtag hat dieser mit Beschluß vom 6. April 1900 dem Oö. Landesausschuß den Auftrag erteilt, die baldigste Errichtung einer Genossenschafts-Zentralkasse zu veranlassen. Schon am 20. Juni 1900 erfolgte die Eintragung der öö. Genossenschafts-Zentralkasse in das Genossenschaftsregister. In einem Über einkommen erklärte sich die öö. Hypothe kenanstalt bereit, als Zahlstelle für die Ge nossenschafts-Zentralkasse in der Art zu fungieren, daß die gesamten Rechnungs und Kassengeschäfte der Zentralkasse durch Beamte der Hypothekenanstalt besorgt wur den. Die Hälfte der verfügbaren Gelder der Mitglieder sollte als ruhiges Geld betrach tet und von der Zentralkasse in Wert papieren angelegt werden. Den restlichen Betrag sollte die Hypothekenanstalt in lau fender Rechnung übernehmen. Am 1. Juli 1900 nahm die Zahlstelle der Genos senschafts-Zentralkasse bei der Landes hypothekenanstalt ihre Tätigkeit auf. Gleich nach der Gründung der Genossen schafts-Zentralkasse waren ihr 149 Vor schußkassenvereine beigetreten. Im Jahre 1901 hatten 17 Raiffeisenkassen und vier Verkaufsgenossenschaften, darunter die Erste Zentral-Teebutter-Verkaufsgenossenschaft, die Mitgliedschaft erworben. Wirtschaftlich gesehen war die Zeit des ersten Weltkrieges für die Raiffeisen-Geldorganisation eine harte Probezeit. Anfäng lich mußte bei der Gewährung von Kredi ten große Zurückhaltung geübt werden. Später jedoch kamen alle Kreditwünsche voll zur Befriedigung. Trotz der Rückschläge, die der erste Welt krieg mit sich brachte, ging man nach 1918 sofort daran, einen Arbeitsplan für die Ge nossenschafts-Zentralkasse zu erstellen. Es sollte das Depotgeschäft bankmäßig aus gebaut, das Kontokorrentkreditgeschäft auf eine breitere Basis gestellt und den einzel nen Landwirten zugänglich gemacht, die Entgegennahme von fremden, nicht genos senschaftlichen Einlagen aufgenommen, der Kauf und Verkauf von Wertpapieren für Rechnung dritter Personen eingeführt, die Eskontierung von Wechseln, der Handel mit ausländischen Zahlungsmitteln und die Finanzierung von elektrischen Kleinbahnen forciert werden. Im Jahre 1922 setzte die Inflation ein und brachte zusammen mit den großen Kredit anforderungen eine vollkommene Erschöp fung der Barmittel. Durch die Währungs stabilisierung war es möglich, nach 1926 wiederum ein Anwachsen der Einlagen zu erreichen. In den Nachkriegsjahren war ein ständiger Zuwachs von Raiffeisenkassen zu verzeichnen. Bis 1931 wurden 268 der heute bestehenden Raiffeisenkassen gegründet. Das Jahr 1931 brachte die große Krise der Wirtschaft und des Geldwesens. In der Folge wurde ein Großteil der Einlagen bei allen Geldinstituten, so auch bei den Raiff eisenkassen, zurückgenommen. Dies wie derum machte die Einschränkung der Kre ditvergabe notwendig. Die strenge Einhal tung der Liquiditätsvorschriften und die Beachtung von wirtschaftlichen Grundsät zen machte es der Raiffeisen-Geldorganisation möglich, diese wirtschaftlich gesehen so schwierige Zeit verhältnismäßig gut durch zustehen. Im folgenden Jahr 1932 war die Krise trotz der allgemein schlechten Wirtschaftslage wieder überwunden. Die oö. Raiffeisenkassen konnten den Kredit wünschen abermals voll nachkommen. Man hoffte schon, daß die abgehobenen Einlagen zurückfließen; es mußte aber ein neuerlicher Rückgang zur Kenntnis genommen werden. In weiterer Folge mußten etliche landwirt schaftliche Genossenschaften aufgelöst wer den. Die Maßnahmen der Regierung und der Nationalbank haben 1933 eine Konsoli dierung der Währung herbeigeführt, so daß im Kreditwesen ein neuer Aufstieg einset zen konnte. Das Vertrauen zur österreichi schen Währung kehrte zurück. Damit wurde auch ein neues Ansteigen der Ein lagen verzeichnet. Große Veränderungen im Genossenschafts wesen traten mit der ökkupation Öster reichs durch das „Großdeutsche Reich" ein. Die Vorstandsmitglieder der Genossen schafts-Zentralkasse wurden bis auf zwei Herren ausgewechselt. Außerdem wurde sie in Raiffeisen-Zentralkasse Oberdonau um benannt. Die Raiffeisen-Zentralkasse erhielt durch die Neugründung der Lagerhaus genossenschaften einen großen Zuwachs an Mitgliedern. Außerdem wurden der Raiff eisen-Zentralkasse auf Grund der Gebiets veränderungen die Genossenschaften des Gerichtsbezirkes Aussee sowie der Kreise Krumau und Kaplitz angeschlossen. Von staatlicher Seite wurden Anordnungen er lassen, die sehr hart waren, wie Kredit wesengesetz, Legitimationszwang für Sparund Giroeinlagen, Auskunftspflicht der Geldinstitute gegenüber dem Finanzamt. Die Tätigkeit der Geldorganisation, die durch die Kriegsereignisse stark beeinträch tigt war, lag nach Kriegsende völlig dar nieder. Jedoch ging man 1945 unter der tat kräftigen Leitung des späteren Landes hauptmann-Stellvertreters Genossenschafts anwalt Kern bald daran, das oö. Genossen schaftswesen neu zu ordnen. Die entscheidende Wende trat 1947 mit dem Inkrafttreten des Währungsschutz gesetzes ein. Geld und Ware wurden zu einander in entsprechende Relation gesetzt. Das Geld gewann wieder an Bedeutung. Man ging daran, den bargeldlosen Zah lungsverkehr bei den Raiffeisenkassen ein zuführen. Ende 1950 war diese Maßnahme bei 203 von 286 Raiffeisenkassen realisiert. In der folgenden Zeit ist wie bei allen landwirtschaftlichen Genossenschaftsspar ten ein ständiger Aufstieg zu verzeichnen. Die Raiffeisenkassen führten neue Ge schäftssparten — Raiffeisen-Bausparen, Raiffeisen-Lebensversicherung — ein. Das Dienstleistungsgeschäft wurde und wird immer mehr ausgebaut. Waren 1955 nur 37 von 286 oö. Raiffeisen kassen hauptberuflich geführt, so hat sich das Verhältnis 1971 umgekehrt. 261 Raiff eisenkassen werden hauptberuflich und nur mehr 25 nebenberuflich geführt. Der oö. Raiffeisen-Geldsektor verwaltete zum 31. 12. 1955 542,2 Millionen Schilling Einlagen. Zum 31. 12. 1971 betrugen diese 7,292 Milliarden Schilling. Hafteten im Jahre 1955 insgesamt 501 Millionen Schil ling aus, so betrug das Kreditvolumen zum 31. 12. 1971 5,991 Milliarden Schilling. Im Jahr 1971 betreute die Raiffeisen-Geldorganisation 188.528 Mitglieder. B) Milchsektor Neben den vorhin genannten Vorschußkas senvereinen nach F. W. Raiffeisen hatte das damalige Genossenschaftsbüro, wie schon erwähnt, die Molkereigenossenschaften zu betreuen. Auf Grund der ungünstigen Ab satzmöglichkeiten von Getreide stellten sich viele Bauern auf Grünfutterwirtschaft um. Man befaßte sich mehr mit der Viehzucht und im Zusammenhang damit mit der Milchproduktion. Durch die Einführung der Zentrifuge auf dem bäuerlichen Hof wurde eine bessere Butterqualität erreicht. Auf Grund der Absatzschwierigkeiten — die Bauern waren weit weg vom Markt — konnten die Händler, die sich auf den Auf kauf von Butter und Eiern spezialisierten, den Preis bestimmen, der natürlich nicht

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