Oberösterreich, 22. Jahrgang, Heft 1, 1972

Josef Haunschmidt Historische Entwicklung der landwirtschaftlichen Genossenschaften in Oberösterreich Eine Darstellung der Entwicklung des land wirtschaftlichen Genossenschaftswesens in Oberösterreich zu geben ist nicht möglich, ohne des Mannes zu gedenken, der die Grundsätze für das landwirtschaftliche Ge nossenschaftswesen aufgestellt hat — Fried rich Wilhelm Raiffeisen —, geboren am 30. März 1818 in Hamm a. d. Sieg. Die Zeit, in die F. W. Raiffeisen hineingeboren wurde, war sehr bewegt. In Österreich kam es damals zur Durchführung und Voll endung eines der Ziele Josefs II., der Be freiung der Bauern von der drückenden Fron- und Robotleistung. Im Jahre 1848 wurde auf Antrag des 25jährigen Abgeord neten zum Reichstag in Wien Hans Kudlich die vollständige Befreiung der Bauern durchgesetzt. Der Bauer mußte nun neben der rein durchführenden Tätigkeit auch das für die Eandwirtschaft notwendige planende Wirtschaften übernehmen. F. W. Raiffeisen wurde im Alter von 27 Jahren zum Bürgermeister der Lands gemeinde Weyerbusch (Westerwald) be stellt und lernte hier aus direktem Erleben die Not der bäuerlichen Bevölkerung seiner Gemeinde kennen. Die christlich-sozialen Grundsätze, nach denen er handelte, durch ziehen wie ein roter Faden sein Lebens werk. Eine seiner ersten rasch eingeleiteten Hilfsmaßnahmen war die Schaffung von Arbeitsplätzen durch den Ausbau von Stra ßen, sowie den Neubau eines Schulhauses. Doch die Mißernte des Jahres 1846 zeigte, daß es am Allernotwendigsten, nämlich an Lebensmitteln, fehlte. Durch die Verteilung von Mehl und Brot an die hungernde Be völkerung versuchte Raiffeisen zu helfen. F. W. Raiffeisen bemühte sich anfangs, durch karitative Einrichtungen — wie den Brotverein von Weyerbusch und den Heddesdorfer Wohltätigkeitsverein — die ärg ste Not zu überwinden. Eine endgültige Besserung der sozialen Verhältnisse konnte er durch die genannten Einrichtungen je doch nicht erreichen. Raiffeisen stellte fest, daß mit Wohltätigkeit allein das Übel der Armut der Landbevölkerung nicht abzu schaffen war. Als Ursache der Not der bäuerlichen Bevölkerung erkannte Raiff eisen deren Kreditlosigkeit, sowie deren Ausbeutung durch wucherische Eeihgeschäfte. Aus dem Heddesdorfer Wohl tätigkeitsverein, der sich gegen den Wu cher beim Viehhandel richtete, ist schließlich der Anhausener Darlehenskassenverein hervorgegangen. Nach der Übernahme des Bürgermeisteramtes von Anhausen grün dete F. W. Raiffeisen auch hier im Jahre 1862 einen Wohltätigkeitsverein, aus dem später der erste Darlehenskassenverein her vorgegangen ist, dessen System die heuti gen Raiffeisenkassen entsprechen. Der Grundstein für die mächtige Organisation, die heute zum Wohl der Menschen die ganze Welt umspannt, war gelegt. Zweck dieser Vereine nach F. W. Raiff eisen war es, der Verelendung des Bauern standes dadurch entgegenzuwirken, daß den Bauern Geld zu einem tragbaren Zinssatz zur Verfügung gestellt wurde und es auf diese Weise dem Bauernstand möglich war, Altes und neues Geschäftsgebäude der Raiffeisenkasse Losenstein. — Foto des neuen Ge bäudes; M. Eiersebner ■1 M ||] ^

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