Oberösterreich, 22. Jahrgang, Heft 1, 1972

LANDWIRTSCHAFT IN OBERÖSTERREICH Hochschulprofessor Dr. Hans Bach Gestern Bauer — heute Landwirt Dipl.-Ing. Karl Pelz Gegenwartsentwicklung der landwirtschaftlichen Produktion Oberösterreichs Dr. Josef Haunschmidt Historische Entwicklung der landwirtschaftlichen Genossenschaften in Oberösterreich Ing. Karl Kaineder Die Mechanisierung in der Landwirtschaft Oberösterreichs Dr.Otto Watzel Die bäuerliche Arbeit als künstlerisches Motiv Dr. Karl Pömer Das Bäuerliche in der oberösterreichischen Dichtung Dr.Friedrich Samhaher Das Projekt eines Bauernkriegmuseums in Beuerbach Ing. Mathias Schwarz Die landwirtschaftliche Fachschule in Oberösterreich Wolfgang Sperner Vom Jahrmarkt zur internationalen Messe — Interessante Entwicklungstendenzen in Oberösterreich Dipl.-Ing. Josef Anderl Die Bedeutung des Waldes für die oberösterreichische Landwirtschaft Schriftleitung: Dr. Otto Wutzel Das nächste Heft der Zeitschrift „Ober österreich" (Winterheft 1972, Erschei nungstermin Dezember 1972) behandelt das Thema: Oberösterreich in Prähisto rie und Archäologie. Das Umschlagbild wurde nach einem Farbkreideblatt von Professor Vilma Eckl gestaltet. Kulturzeitschrift OBERÖSTERREiCH Kunst, Geschichte, Landschaft, Wirtschaft, Fremdenverkehr. Halbjahreszeitsdirift. Erscheinungstermine Juni und Dezember. 22. Jahrgang, Heft 1, Sommerheft 1972. Diesem Heft liegen Prospekte zu den Büchern Franz Eppe!, Das Waldviertel (Verlag St. Peter, Salzburg) und Robert LÖbl, Oberösterreich in Farben (Tyrolia-Verlag, Innsbrudc, und Ober» österreichischer Landesverlag, Linz) bei. Wir bitten um freundliche Beachtung. Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Oberösterreichischer Landesverlag; verantwortlich für den Inhalt im Sinne des Pressegesetzes: Doktor Otto Wutzel, sämtliche Linz, Landstraße 41, Ruf 26721. — Druck: Oö. Landesverlag Linz. — Jahresabonnement (2 Hefte) S 60.— Einzelverkaufspreis S 35.—.

Hans Bach Gestern Bauer — heute Landwirt Augustinerchorherrenstift Reichersberg, neu eingerichtete Werktagskapelle in der Prälatur, barocke Freskenmedaillons an der Decke mit allegorischen Darstellungen des Landlebens Mit dem Wandel der wirtschaftlichen und sozialen Situation verändern sich vielfach auch die Begriffe und Worte. Man spricht — soweit es sie noch gibt — von Land arbeitern und Landarbeiterinnen, aber nicht mehr von Knechten und Mägden. Früher waren alle, die eine Landwirtschaft betrie ben, Bauern, heute überwiegt die Bezeich nung „Landwirt". Knecht und Magd waren als Gesinde mit dem Hof, auf dem sie dienten, eng ver bunden; es bestand ein persönliches Abhängigkeits-, aber auch Zugehörigkeitsverhält nis zum Hof. Das Verhältnis des Land arbeiters zu dem Betrieb, auf dem er ar beitet, ist mehr sachlich bestimmt. Eine ähnliche Bedeutungsverschiebung vollzog sich auch zwischen den Bezeichnungen Bauer und Landwirt. Landbewirtschaftung ist eine Berufs- und Lebensform. Beim Bauern lag die Beto nung auf der Lebensform. Das Ansehen und der soziale Status des Bauern waren von der Größe seines Hofes bestimmt. Heute entscheidet vielmehr das berufliche Können, die fachliche Tüchtigkeit. Das Ver hältnis des Landwirts zu seinem Betrieb ist stärker als früher sachlich motiviert. Der junge Übernehmer z. B. zögert nicht, den Hof zum Nebenerwerbsbetrieb zu machen und das Haupteinkommen außerhalb der Landwirtschaft zu suchen, wenn das Ein kommen aus dem Hof nicht ausreicht; der Nebenerwerbslandwirt ist nicht mehr der Bauer im früheren Sinne. Die Ausdrücke Bauer und Landwirt wer den zwar vielfach noch synonym, d. h. abwechselnd füreinander gebraucht, ohne daß man streng unterscheidet. Es gibt da auch Unterschiede zwischen den Ländern. Meiner sozialempirischen Untersuchung über den „Bildungsstand auf dem Agrarsektor" wurde ein einheitlicher Frage bogen für alle Bundesländer zugrunde gelegt. Dabei zeigte sich, daß die befragten Schüler etwa in Tirol stolz als Bezeich nung für den Beruf des Vaters „Bauer" nannten (zuweilen auch da, wo der Vater hauptberuflich schon nicht mehr auf dem Hofe arbeitete), während das in anderen Bundesländern durchaus nicht der Fall war; im ganzen überwog aber als Berufs bezeichnung für landwirtschaftliche Be triebsleiter die Bezeichnung „Landwirt". Ohne diese Verschiedenheit der Benennun gen zu überschätzen, kann man doch sa gen, daß sich darin ein sozialer Sachverhalt widerspiegelt, nämlich die Tatsache, daß sich die Landwirtschaft selbst im Räume der modernen Wirtschaft und Gesellschaft gewandelt hat. Hinter dieser Umbenennung vom Bauern gestern zum Landwirt heute steht die Tatsache einer umwälzenden Wandlung. Im Bereich der Landwirtschaft haben sich alle Teilgebiete des Daseins verändert, der agrarische Umbruch ist total. Er erfaßt die Produktion und die Vermarktung der Land wirtschaft sowohl wie die Agrarverfassung, die Agrarstruktur, das Agrarrecht, den Auf bau des Betriebes und des Dorfes. Es ver ändern sich die agrarischen Arbeits- und Familienverhältnisse sowie alle Gemein schaftsformen des Landes. Der Status der landwirtschaftlichen Bevöl kerung in der Industriegesellschaft ist von jenem der Agrargesellschaft völlig verschie den. Abwanderung, Motorisierung, Frem denverkehr, Pendlerei und Massenmedien haben den Agrarbereich wirtschaftlich und sozial umgewandelt. Wo heute noch Brauch und Sitte auf dem Dorfe gepflegt werden, handelt es sich meist nur noch um Frem denverkehrsattraktionen. Wie die menschliche Mitwelt wird auch die räumliche Umwelt des Landes ver ändert. Das Dorf, das nun nicht mehr nur bäuerlicher Lebensraum ist, bekommt ein völlig neues Gesicht; es entstehen neue Siedlungsformen, das Verkehrsnetz wird dichter. Der Umbruch umfaßt nicht nur alle Zweige des Landbaus und des Landlebens, sondern er vollzieht sich auch überall in der Welt, wo sich die Agrargesellschaft zur Industrie gesellschaft entwickelt. Symptome dieses Umbruchs sind stets die gleichen: Unkon trollierte Abwanderung, landwirtschaftliche Disparität und soziale Unbehaustheit der ländlichen und landwirtschaftlichen Bevöl kerung. Der mit der Gesamtentwicklung der mo dernen Gesellschaft zusammenhängende Umbruch in der Landwirtschaft stellt nicht nur diese oder jene Erscheinung, sondern die überlieferte Landwirtschaft als Ganzes in Frage; nicht nur die alte Agrartechnik und -betriebsweise, auch die typische Ver bindung von Arbeits- und Lebensform, die wir bäuerlich nennen, wird vielfach als überholt empfunden. Von Grund auf ver ändert hat sich auch die Agrarstruktur mit ihren Produktions- und Vermarktungs einrichtungen. Die Tendenz geht zur Ver-

größerung der Betriebseinheiten und zu gleich wächst das Gewicht der landwirt schaftlichen Nebenerwerbsbetriebe. Die landwirtschaftliche Produktion und Pro duktivität wurde durch Mechanisierung und Chemisierung wesentlich gesteigert, wobei aber die Auswirkungen auf die Umwelt nicht übersehen werden sollten. Trotz einer geradezu sturzflutartigen Abwanderung eines sehr großen Teiles der landwirtschaft lichen,familienfremden und familieneigenen Arbeitskräfte konnte die landwirtschaft liche Selbstversorgung noch gesteigert wer den. Auf den Gesamtraum bezogen, hat sich der Industrialismus so ausgewirkt, daß ne ben den aufstrebenden industriellen und städtischen Ballungen im ländlichen Raum vielfach agrarische Passivräume entstanden sind. Während die wirtschaftlichen Wachs tumsgebiete durch ein gutes Einkommen, eine leistungsfähige Infrastruktur und eine rege Bautätigkeit ausgezeichnet sind, wer den die Passivräume wirtschaftlich und so zial ausgelaugt; es kommt zur Verarmung und Entsiedelung dieser agrarischen Ge biete. Man spricht mit Recht von der sozialen Frage der Landwirtschaft im 20. Jahrhun dert, von der Agrarkrise in der modernen Industriegesellschaft. Man kann zwar nicht bezweifeln, daß die Umschichtung der Ar beitskräfte aus der Landwirtschaft in andere Berufe und Wirtschaftszweige notwendig ist, doch muß man sich fragen, ob diese Abwanderung in dem Ausmaß und in dem Tempo und ohne die notwendige Vorberei tung sich vollziehen mußte, wie dies tat sächlich geschehen ist. Diese Frage nach dem richtigen Maß gilt auch gegenüber der Rationalisierung der Landwirtschaft und der Entwicklung in der Betriebsgrößen frage. Die Reaktion auf den Umbruch in der Landwirtschaft kann passive Resignation oder aktive Integration sein. Resignation äußert sich im Unbehagen, daß die Öffent lichkeit heute vielfach in der Agrarfrage empfindet und kommt auch zum Ausdruck im Unbehagen, daß sich in der Landwirt schaft selbst ausbreitet. Das öffentliche Un behagen mag z. T. auf die Unkenntnis zurückzuführen sein, die in der Agrarfrage herrscht. Man weiß im allgemeinen und auch in wissenschaftlichen Kreisen verhält nismäßig wenig über die eigentlichen Pro bleme der Landwirtschaft im Industriestaat. Ein solches Nichtwissen, Nichtkennen, Nichterkennen und Halbwissen führt aber mit großer Wahrscheinlichkeit zu Miß trauen und Ablehnung. Das Unbehagen in der Landwirtschaft beruht auf der Tatsache, daß die Zahl der Arbeitskräfte in der Land wirtschaft zwar notwendig abnimmt, aber dennoch die Disparität, das Mindereinkom men der Landwirtschaft dadurch kaum ver mindert wird. Die resignierende Landwirt schaft, die sich in der Industriegesellschaft isoliert fühlt, igelt sich ein. Das öffentliche Unbehagen an und in der Landwirtschaft ist ebenso unfruchtbar und unberechtigt wie die landwirtschaftliche Resignation. Die Lösung des modernen Agrarproblems liegt vielmehr in der aktiven Integration, in der wirtschaftlichen und sozialen Ein gliederung der Landwirtschaft. Diese Inte gration hat sich in zwei Richtungen zu voll ziehen: Einmal von der Landwirtschaft zur Ge samtwirtschaft und Gesamtgesellschaft, aber auch von der Gesamtheit her zur «rf

mi Wik"!' i f"i; i ■ . 3 { f^. 'W ^ f 1 Oberösterreichisches Landesmuseum, Graphi sche Sammlungen, Inv. Nr. Ha 2080: Alois Greil, Taufgang aus dem 17. Jahrhundert (nach einem im Stift Kremsmünster befindlichen Original), Aquarell. — Historische Bauern trachten. — Foto: M.Eiersebner Das moderne Maschinenbild in der Landwirt schaft Landwirtschaft, zum Agrarbereich, der be wußt in die wirtschaftliche, politische und soziale Aktivität unserer Gesellschaft ein bezogen werden müßte. Die von der Landwirtschaft ausgehende Integrationsbewegung würde sich auswir ken als Berufsbejahung und in einer wirk samen wirtschaftlichen Selbsthilfe. Mittel und Wege einer solchen Integrationsbestre bung wären eine gründliche, intensive Aus bildung und Bildung, fachliche, berufs ständische und regionale Zusammenschlüsse und die Herausstellung einer aktiven Füh rungsschicht in der beruflichen Selbstver waltung und in den ländlichen Gemeinden. Von der Gesamtgesellschaft her wäre die landwirtschaftliche Integration in der Weise zu fördern, daß die naturbedingten Erzeugungs- und Vermarktungsbedingungen der Landwirtschaft anerkannt und berück sichtigt und der agrarisch-ländliche Bereich durch eine ausgleichende regionale Wirt schaftspolitik und eine vorausschauende Naturgrundlagen- und Raumordnungspoli tik ausgebaut würde. In einer integralen, ganzheitlichen Sicht kämen auch die gesell schaftspolitischen Leistungen der Landwirt schaft zur Geltung, die bisher in der mo dernen Gesellschaft zuwenig beachtet wur den, wie sie die Landschaftspflege und die sozialstabile Wirkung selbständiger Fami lienbetriebe darstellen. Nur einer integrier ten Landwirtschaft wird es möglich sein, auf die Dauer die nachhaltige Fruchtbar keit des Bodens und die als Erholungsraum benötigten Kulturlandschaften zu erhalten. Die Landwirtschaft stellt eine Synthese von Natur, Technik und menschlicher Arbeit dar. Es darf keiner dieser Faktoren verge waltigt oder vernachlässigt werden, wenn die Landwirtschaft ihre Aufgabe in Wirt schaft und Gesellschaft auf die Dauer be friedigend erfüllen soll. Gegen die Trends einer kommerziellen, spekulativen Land wirtschaft auf der einen Seite und einer verplanten, kollektivistischen Landwirt schaft auf der anderen stellen wir das Leit bild des Familienbetriebes in der Land wirtschaft. Eine kommerzialisierte Land wirtschaft führt nur allzuleicht zur Aus beutung des Bodens, sie gefährdet die Na turgrundlagen; eine kollektivistische Land wirtschaft widerspricht unseren gesell schaftspolitischen Vorstellungen und Zie len. Der Landwirt heute hat die gleiche Aufgabe und Verantwortung wie der Bauer gestern, nämlich den ihm anver trauten Boden pfleglich zu nutzen, zur dauernden Bodenfruchtbarkeit beizutragen und die von ihm geschaffenen Kulturland schaften zu erhalten.

Karl Pelz Gegenwartsentwicklung der landwirtschaftlichen Produktion Oberösterreichs Von der Wissenschaft und Technik, sowie über die Änderung des NachfrageVerhal tens der Verbraucher erhält unsere Wirt schaft ständig eine Vielzahl von neuen Im pulsen,die ihren Niederschlag in einem per manenten Umstellung- und Anpassungs prozeß finden. Die Landwirtschaft ist als integrierender Bestandteil der Gesamtwirt schaft davon nicht ausgenommen, das be weisen die vielfältigen Verschiebungen im Gefüge der Produktion sowie letztlich die einschneidenden Änderungen, denen der landwirtschaftliche Betrieb als Träger der Produktionsleistung unterworfen ist. Strukturwandel — Ursachen und Konsequenzen Die Landwirtschaft im allgemeinen und der einzelne Betrieb im besonderen sehen sich heute mit einer Reihe von Problemen kon frontiert, die sich nur über entsprechende Umstellungen einigermaßen zufriedenstel lend lösen lassen. Schwindendes Ärbeitskräftepotential, Rückgang der Betriebe, Ab nahme der Vollerwerbsbetriebe — Zunahme der Nebenerwerbsbetriebe, Übergang des Verkäufermarktes der Nachkriegszeit in den Käufermarkt der Gegenwart sind der zeit die schwerwiegendsten. Dieser Prob lemkreis, sowie alle damit zusammenhän genden Vorgänge und Erscheinungen wer den gemeinhin mit Strukturwandel um schrieben. Die tiefere Ursache dieses Struk turwandels ist zweifellos in der hinter den anderen Wirtschaftssparten zurückbleiben den Einkommensentwicklung in der Land wirtschaft zu suchen. Durch die laufende Produktionsmittelverteuerung und die un zulängliche Agrarpreisdynamik gerät der landwirtschaftliche Betrieb immer mehr in die Tretmühle der Preiskostenschere. Das Ärgste konnte bisher durch eine unerhörte Steigerung der Produktivität verhindert werden, die über jener der Industrie lag. Für Romantik bietet die Landwirtschaft heute keinen Platz mehr. Der Bauernhof ist ein Produktionsunternehmen wie jedes andere des industriellen oder gewerblichen Sektors. Auch für ihn gelten die allge meinen Grundregeln und Gesetzmäßigkei ten der Wirtschaft. Sein Einkommen be zieht der landwirtschaftliche Betrieb über 9 I I t Oben und unten: Musterbeispiel eines modernen Bauernhofes mit Außen- und Innenansicht. — Fotos: Lichtbildstelle der oö. Landwirtschaftskammer. — Rechts: Typische Ansicht einer Lager halle in einem modernen landwirtschaftlichen Genossenschaftsbetrieb (Oö. Warenvermittlung). Foto: C. Prischl.

den Verkaufserlös seiner Erzeugnisse, Ge stehungskosten und Erzeugerpreise erfül len demnach hier dieselbe Funktion wie in der Industrie. In gleicher Weise ist auch in der Landwirtschaft das Einkommen An satzpunkt jedweder ökonomisch-kalkulato rischer Überlegungen und betriebsorgani satorischer Maßnahmen. Für die Härte des Existenzkampfes spricht die nüchterne Tat sache, daß die Landwirtschaft innerhalb der beiden letzten Jahrzehnte mehr als die Hälfte ihrer Arbeitskräfte durch Abwande rung verloren hat und daß allein in Ober österreich zwischen 1960 und 1970 2059 Bauernhöfe aufgegeben worden sind. Das Resultat dieser Entwicklung, deren Ende noch keineswegs abgesehen werden kann, ist ein drückender Arbeitskräftemangel, der gegenwärtig Anlaß für viele Betriebe ist, ihr bisheriges Organisationskonzept von Grund auf zu überdenken und Maßnahmen zur betrieblichen Vereinfachung einzulei ten. Die überlieferte und äußerst arbeits aufwendige Vielseitigkeit der Produktion unserer Betriebe fußt auf dem Gedanken der Selbstversorgung, der einst sicherlich Berechtigung hatte, als der Bauernhof wirt schaftlich und soziologisch noch eine weit gehend in sich geschlossene Einheit bilde te. In einem arbeitsteiligen Wirtschaftssys tem, wie wir es heute praktizieren, ist die betriebliche Autarkie zweifellos über holt. Überhaupt scheint mir die Bewälti gung aller Konsequenzen, die sich aus dem Übergang von der Selbstversorgerwirtschaft zur marktorientierten Produktion und aus dem Zusammenschmelzen der bäuerlichen Großfamilie zur Kleinfamilie ergeben ha ben, zur Zeit der dringlichste Schritt zu sein, den die Landwirtschaft zu vollziehen hat. Kein fortschrittlicher Landwirt kann sich der Aufgabe entziehen, seinen Be trieb auf ein von der Familie verkraftba res Arbeitsvolumen zu vereinfachen und von am Rande mitlaufenden, im Sinne der Einkommensgestaltung jedoch unwirksa men Produktionszweigen gewissermaßen zu entrümpeln. Zur Kompensation des Arbeitskräfteverlu stes hat die Landwirtschaft die Technik zu Hilfe genommen. Auf die weitreichen den Folgen sei hier nicht näher eingegangen, weil sich eine eigene Abhandlung damit befaßt. Ich möchte mich nur auf die Fest stellung beschränken, daß die anfängliche Euphorie auf dem Gebiete der Mechani sierung in der Bauernschaft inzwischen einer tiefgreifenden Ernüchterung gewichen ist, weil die kostspieligen Maschinen zu einer weiteren Verschlechterung der Ein kommenssituation beigetragen haben. Entsprach das Anlagekapital für Maschinen und Geräte im Jahre 1951 pro ha redu zierter landwirtschaftlicher Nutzfläche noch einem Wert von 2752 Schilling, so erreichte es im Jahre 1970 die beachtliche Höhe von 11.784 Schilling. Immer mehr bricht sich die Erkenntnis Bahn, daß die teuren Maschinen nur über den überbetrieblichen Einsatz öko nomisch vertretbar ausgelastet werden können. Auch auf anderen Gebieten, wie z. B. in der Veredelungswirtschaft, greift der Gedanke der überbetrieblichen Zusam menarbeit zur Produktionskostensenkung immer mehr Platz, weil der Einzelbetrieb über solche Gemeinschaften alle Vorteile,

die sich einem Großabnehmer im Einkauf bieten, nützen kann. Derzeit laufen in Oberösterreich 13 Mischgemeinschaften mit der Zielsetzung, auf dem Hofe mittels einer fahrbaren Mischanlage aus dem be triebseigenen Futtergetreide und im Wege des Großeinkaufs von billig bezogenen Zu sätzen preisgünstige Futtermischungen zu bereiten. Entzieht sich die Preispolitik dem Zugriff des Landwirtes, so sind die Ge stehungskosten und die produktive Markt leistung jene einkommensgestaltenden Fak toren, auf die er selbst direkt Einfluß nehmen kann. Hier wird bei den Betrie ben zur Einkommensverbesserung in er ster Linie der Hebel anzusetzen sein, wo bei alle Möglichkeiten der Produktionsko stensenkung über Rationalisierung, Spe zialisierung und überbetriebliche Zusam menarbeit ausgeschöpft werden müssen. Desgleichen führt die Stärkung der Pro duktionskraft über eine möglichst intensive Bewirtschaftung der Betriebe zum erwünsch ten Ziel der Einkommensverbesserung. Trotz aller Anstrengungen wird jedoch für immer mehr Betriebe die landwirtschaft liche Produktionsbasis für eine dauerhafte Weiterentwicklung zu schmal, viele Be triebsleiter sehen sich daher gezwungen, ihre Existenz durch die Aufnahme eines außerlandwirtschaftlichen Erwerbes abzu sichern. Nicht wenige Betriebe stehen da her heute hinsichtlich ihrer Zukunft am Scheideweg zwischen Voll- und Nebener werb. Nebenerwerbslandwirtschaft setzt entsprechende Arbeitsplätze, Umschulungs einrichtungen, sowie den verstärkten Aus bau des Straßen- und Wegenetzes im länd lichen Raum voraus, alles Ansatzpunkte für die allgemeine Wirtschafts- und Raumord nungspolitik. Wie rasch sich der Übergang vom Vollerwerbsbetrieb zum Nebener werbsbetrieb vollzieht, mag daran ermes sen werden, daß im Jahre 1960 etwa 36.970 Vollerwerbsbetriebe gezählt wur den, wogegen es jetzt nur mehr etwa 30.300 sein dürften. Nicht ganz 60 Prozent der über 73.300 oberösterreichischen Land wirtschaften sind also Nebenerwerbsbetriebe. Ihre Zahl wird sich sicherlich noch beträcht lich erhöhen. Waren es ursprünglich Klein betriebe,die einem außerlandwirtschaftlichen Erwerb nachgingen, so verschiebt sich die Größe der Nebenerwerbsbetriebe ständig nach oben und dringt bereits in jene Bereiche ein, die man bis vor kurzem noch als ab solut sattelfeste Vollerwerbsbetriebe gehal ten hätte. Auf Grund dieser Entwicklung ist gerade im Zusammenhang mit dem Milchkuhbestand mit umfassenden Rück wirkungen auf die Produktion zu rechnen, wie später noch gezeigt werden wird. Denn diese Betriebskategorie wird sich logischer weise allmählich zur extensiveren Führung des Betriebes entschließen müssen, wenn die Arbeitsverrichtung für die Familie und hier im besonderen für die Frau nicht zur Qual werden soll. [TiitJCTk.. m Auch das Bild der Stallungen hat sich vollkommen verändert; Musterbeispiele für moderne Rinder- und Schweinestallungen (Fotos: Sgaravato und Werkgarner). — Rechts: Das Pferd wird auch in der modernen Landwirtschaft hauptsächlich nur mehr für sportliche Zwecke verwendet. Das Foto zeigt einen ländlichen Reitkurs. — Foto: Matauschek ' iL < 1. tt 1 "B B

Von weitreichender Bedeutung für die Landwirtschaft und ihr Produktionsverhal ten ist die grundlegende Änderung der Marktverhältnisse, der Übergang vom Ver käufermarkt der Nachkriegszeit zum Käu fermarkt der Gegenwart. Käufermarkt, das bedeutet bedingungslose Unterordnung un ter den Willen des Konsumenten, bedeu tet also Zwang zu marktkonformer Pro duktion. Wie die Ernährungsbilanzen be stätigen, wandeln sich die Konsumgewohn heiten der Bevölkerung mit steigendem Einkommen. So verringerte sich der ProKopf-Verbrauch von Brot und Mehl von 109,7 kg im Jahre 1955/56 auf 85,4 kg im Jahre 1969/70, der Kartoffelverbrauch nahm im selben Zeitraum von 95,7 kg auf 70,4 kg ab. Demgegenüber verzeichnete der Konsum von Fleisch, Gemüse, Frischobst usw. einen kräftigen Anstieg. Selbstver ständlich ziehen solche Änderungen in den Ernährungsgewohnheiten entsprechende Konsequenzen für die Produktion nach sich. Spezialisierung — Schlüssel zur marktkonformen Produktion Der Markt ist in Bewegung, folglich muß es auch die Produktion sein. Oberstes Ge bot dabei ist es, die Erzeugung an die Möglichkeiten des Marktes bestmöglich an zupassen. Wir unterscheiden hier die quali tative und die quantitative Anpassung an die Erfordernisse des Marktes. Um nicht in der Sackgasse des Engeischen Gesetzes völlig festzufahren, wonach bei steigendem Einkommen der Anteil für Nahrungsmittel an den Gesamtausgaben stetig abnimmt, verbleibt der Landwirtschaft nur die Flucht in die Qualitätsproduktion, die dem ver feinerten Lebensstil der Konsumgesell schaft entgegenkommt und die sie auch zu honorieren bereit ist. Die Erzeugung von hochwertigen Qualitätsprodukten stellt an den Betrieb hohe Anforderungen, die mit der herkömmlichen Vielseitigkeit in der Betriebsorganisation bei weitem nicht mehr erfüllt werden können. Qualitätsproduk tion setzt umfassende Spezialisierung voraus und diese wiederum außerordent liches fachliches Können. Neben den tra ditionellen Produktionsfaktoren Boden, Ar beit und Kapital gewinnt daher das Mana gement immer mehr an Bedeutung. Präg nantes Kennzeichen jeder modernen Wirt schaft ist allgemein die Arbeitsteilung und die Spezialisierung. Auch in der Landwirt schaft wird vom Förderungs- und Bera tungsapparat der Standesvertretung ver sucht, die Betriebe zu einer Schwerpunkt bildung und Spezialisierung in der Pro duktion anzuhalten. Es ist unser Nahziel, die Produktion auf die natürlichen Stand ortvoraussetzungen und die betrieblichen Möglichkeiten abzustimmen, was nichts an deres bedeutet als regionale und betrieb liche Arbeitsteilung. Als Folge der regiona len Produktionsteilung werden sich die ein zelnen Produktionszweige hauptsächlich in jene Gebiete verlagern, wo dafür die na türlichen Bedingungen am günstigsten und die Gestehungskosten folglich am niedrig sten sind. Im Falle Oberösterreich heißt dies, daß die Milchkuhhaltung von den Ackerbaugegenden langsam in das Grün landgebiet wandern wird. Die Schweine mast, um ein anderes Beispiel heranzu ziehen, würde sich schwerpunktmäßig da für auf die Getreideanbaugebiete konzent rieren, die Mastrinderproduktion wird vor wiegend in Acker-Grünlandgebieten Ver breitung finden, wo Silomaisbau, die Fut terbasis dafür, möglich ist. - VY" - fc / Aber nicht nur regional, sondern auch be trieblich werden sich Differenzierungen in den Produktionszweigen herauskristallisie ren, wobei die Einkommenswirksamkeit und der Arbeitsbedarf der Betriebszweige den Ausschlag geben. Sehr arbeitsintensive, dafür auch einkommensstarke Produktions zweige, wie beispielsweise die Milchkuhhal tung, werden sich hauptsächlich in Betrie ben mit geringer Flächenausstattung etab lieren. Sogar innerhalb der Rinderhaltung wird sich bis zu einem bestimmten Grade eine Arbeitsteilung zwischen reiner Milch kuhhaltung und Aufzucht einspielen. « •" ■J ■ • . u/t ■! ' KJ .■ t ■ '7^:^". ^

Die Aufgabe einzelner Betriebszweige zu gunsten der erwünschten Spezialisierung wird naturgemäl3 ein Anwachsen der Be standeseinheiten pro Betrieb im Bereich der tierischen Veredelungswirtschaft mit sich bringen. Das Aufstocken der Bestandesein heiten ist durchaus wünschenswert und wird so lange das marktwirtschaftliche Gleichgewicht nicht stören, als die Auswei tung der Bestände im Rahmen des über regionalen Kapazitätsausgleiches im Zuge der Produktionsentflechtung erfolgt. Abge sehen von der qualitätsbetonten und daher marktgerechten Produktion, die bis zu einem gewissen Grad ihren Niederschlag im Erlös findet, kann der spezialisierte Betrieb auch auf der Kostenseite ent sprechende Vorteile für sich buchen. Mit zunehmender Vergrößerung der Tierbe stände kommt nämlich die Kostendegression bei den Stallgebäuden und in der Mechanisierung sehr spürbar zum Tragen. Sicherlich liegen die optimalen Bestandes größen im Sinne der Kostendegression noch sehr wesentlich über dem Durch schnittsbestand unserer Betriebe, stellen wir aber einen Vergleich mit unseren spe zialisierten Betrieben an, so zeigt sich, daß diese Werte schon erreicht, ja vielfach be reits überschritten sind. In der bodenab hängigen Produktion, wie z. B. in der Jungrindermast, sind der Bestandesaufstokkung durch das vorhandene Flächenausmaß der Betriebe klare Grenzen gesetzt. Kritisch wird die Situation jedoch in der bodenun abhängigen Veredelungswirtschaft, wie z. B. auf dem Mastschweine- und Geflü gelsektor, die auf Zukauffutterbasis be trieben werden können, wodurch deren Ausdehnung rein theoretisch keinerlei Schranken auferlegt sind. In letzter Zeit mehren sich die Fälle, wo hauptsächlich jüngere Landwirte sich mit der Absicht tragen, Veredelungszweige mit einem Tier besatz aufzubauen, von dem wir bisher nicht einmal zu träumen gewagt haben. In einem konkreten Fall wollten drei Land wirte einen Gemeinschaftsstall für 1200 Mastschweine errichten. Vor einer solch überdimensionalen Ausweitung kann nicht genug gewarnt werden, weil der riesige Kapitalbedarf für die baulichen Anlagen und für die Einrichtung kaum aus Ligen mitteln aufgebracht werden kann. In der Regel wird hier mit teurem Fremdkapital ausfinanziert, welches solche Unternehmen von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil die finanzielle Tragkraft des Betriebs zweiges für so aufwendige Investitionen nicht ausreicht. Überbetriebliche Zusammenarbeit in der Produktion und beim Absatz - ein Weg in die Zukunft Drei Gründe sprechen unbedingt für die Spezialisierung, einerseits die Notwendig keit, marktgerecht zu produzieren, ande rerseits der allgemeine Kostenauftrieb, der sich nur über forcierte Spezialisierung einigermaßen abschwächen läßt, und schließlich sind es arbeitswirtschaftliche Ge sichtspunkte. Steht der vielseitig geführte Betrieb produktionsmäßig und daher auch einkommensmäßig auf mehreren Pfeilern, wodurch sich natürlich eine Streuung des Risikos ergibt, so ist das Fundament eines spezialisierten Betriebes nur ein Produk tionszweig, erhöhtes Produktions- und Marktrisiko sind daher die Folge. Zur Ab deckung des erhöhten Risikos braucht der spezialisierte Betrieb einen wirkungsvol len Schutz, der nur durch den Zusammen schluß der Betriebe zu überbetrieblichen Produktions- und Absatzgemeinschaften erreicht werden kann, wobei sich vor al lem das Marktrisiko durch eine umsichtige Disposition des Angebotes reduzieren läßt. Die Landwirtschaftskammer mißt die ser Entwicklung allerhöchste Bedeutung bei und unterstützt die Bildung derartiger Pro duktions- und Absatzgmeinschaften nach Kräften. Wie die Erfahrung in der Ver gangenheit mehrmals gezeigt hat, erweisen sich solche Gemeinschaften als ein sehr wirksames Instrument zur Produktions steuerung, weil es mit Hilfe der straffen Organisation gelingt, dem einzelnen Land wirt über eine gezielte Produktions- und Marktberatung die marktwirtschaftlichen Zusammenhänge überschaubar zu machen, ihm also Markttransparenz zu vermitteln, welche die Grundlage für jedwedes markt gerechte Verhalten bildet. Um die tierische Veredelungswirtschaft systematisch in den Griff zu bekommen, wurde in Oberöster reich auf Landesebene der „Verein land wirtschaftlicher Veredelungsproduzenten" als Dachorganisation gegründet, unter des sen Patronanz bereits eine Reihe von re gional gestreuten Produktionsringen haupt sächlich auf dem Ferkel- und Mastschweine sektor laufen. Ferkelringe wurden aufge baut in Vöcklabruck, Grieskirchen, im Mühlviertel und im Kremstal, Schweinemastringe bestehen im Mühlviertel und Kremstal sowie in Braunau.Primäre Aufgabe dieser Lrzeugerringe ist es, bei den Mit gliedsbetrieben über eine intensive Be ratungstätigkeit die Qualität anzuheben und zu vereinheitlichen, weiters das auf gesplitterte Angebot zu sammeln und in aufnahmsfähige Kanäle zu leiten. Die Ver einigung des Angebotes, die Standardisie rung der Qualität durch diese überbetrieb lichen Gemeinschaften stellt in der Land wirtschaft den Beginn eines Konzentra tionsprozesses dar, welchen die Abnehmer landwirtschaftlicher Produkte, also der Handel und die Industrie, schon längst vollzogen haben. Die großen Handelsket ten, die den Markt beherrschen, sind ein schlagender Beweis dafür. Die Stärkung der Verhandlungsposition gegenüber der Produktionsstufe ist die we sentlichste Folgerung der Konzentration seitens der Abnehmerbereiche für landwirt schaftliche Produkte. Es bleibt der Land wirtschaft keine andere Wahl, als entspre chend den vorgegebenen Strukturen zu pro duzieren, aber sie muß, um ihre Marktposi tion zu festigen, gegenüber dem Handel und der Industrie als großer Anbieter auf treten, will sie sich nicht dem Preisdiktat dieser Wirtschaftsgruppen ausliefern. Dazu ist die Kooperation und Koordination zwi schen den einzelnen Betrieben unerhört wichtig, diese Aufgabe berührt in glei cher Weise den einzelnen Landwirt, die überbetrieblichen Gemeinschaften wie auch die Genossenschaften. Nur dann wird die Landwirtschaft das Gesetz des Handelns nicht aus der Hand geben, wenn sie selbst mehr als bisher in die Verarbeitung ihrer Produkte einsteigt und sie nicht ausschließ lich als Rohstoffe an die Industrie abgibt. Nur so kann sich die Landwirtschaft einem totalen Abhängigkeitsverhältnis gegenüber der Industrie entziehen und ihren Anteil an der Wertschöpfung, also letztlich am Pro dukterlös, vergrößern. Ein Musterbeispiel dieser Art, einer vertikalen Integration in der Landwirtschaft, stellt in Oberöster reich die Lferdinger Konservenfabrik dar, welche in einem Zentrum des Feldgemüse baues errichtet wurde. Hier haben die feldgemüseproduzierenden Landwirte sich zu einer bestens funktionierenden, schlag kräftigen Verwertungs- und Vermarktungs genossenschaft zusammengeschlossen. Wie ihr Erfolg beweist, hat es die Genossen schaft verstanden, sich hundertprozentig auf die Bedürfnisse des Handels einzustellen. Mengenanpassung - ein dringliches Gegenwartsproblem Ein Problem, welches der Landwirtschaft unter den Nägeln brennt, ist die Mengen regulierung in der Produktion, denn gering fügige Überschüsse in einzelnen Sparten zerschlagen Markt und Preis. So kann er fahrungsgemäß ein Überangebot an Schweinen von fünf Prozent eine Preissen kung bis zu zwölf Prozent verursachen. Die Angleichung der Erzeugung an das Auf nahmevermögen des Marktes ist daher aus Gründen der Linkommenssicherung beson ders vordringlich. Lange Zeit waren be kanntlich die Milchschwemme und der Ge treideberg Alptraum der Landwirtschaft und zweifellos auch gewaltiger Hemmschuh auf dem Wege zu einer dynamischen Preispolitik. Daß sich hier eine Wende zum Besseren angebahnt hat, ist den Be mühungen und Maßnahmen der Agrarpo litik zuzuschreiben, welche darin gipfel ten, schwer absetzbare Überschüsse durch eine Umlenkung der Produktion auf Spar ten mit Bedarf abzubauen. Das bedeutet auf dem Getreidesektor eine Verringerung der Brotgetreideflächen zugunsten des Futtergetreideanbaues. Der Rückgang der oberösterreichischen Brotgetreidefläche von 99.770 ha im Jahre 1968 auf 88.352 ha im Jahre 1970 weist in diese Richtung. Wurden

gesamtösterreicKisch im Jahre 1966 noch 346.000 Tonnen Mais und 246.000 Tonnen Futtergerste zur Bedarfsdeckung impor tiert, so mußten infolge der Produktions umschichtung 1969/70 keine Einfuhren mehr getätigt werden. Im Falle des Milch überschusses ging es darum, die Milcher zeugung zugunsten der Produktion von Rindfleisch einzuschränken, dessen Ver brauch nach einer Studie von Profes sor Köttl bis zum Jahre 1985 eine enorme Zunahme verzeichnen dürfte. Köttl kommt in seiner Untersuchung zu dem Ergebnis, daß sich der Rindfleischverbrauch in Österreich bis zum Jahre 1986 von gegen wärtig etwa 143.000 auf 226.000 t erhöhen wird. Außerdem sind Exportmöglichkeiten in den EWG-Raum gegeben, weil dieser und hier vor allem unser wichtigster Han delspartner Italien ein beträchtliches Fleischdefizit aufweist, welches kaum in ab sehbarer Zeit geschlossen werden kann. Die Absatzchancen für Rindfleisch auf dem Inlands- und Auslandsmarkt rechtfertigen unsere Bemühungen und bestärken uns in der Auffassung, den richtigen Weg in der Produktion eingeschlagen zu haben. Für Oberösterreich sind die Entwicklungen auf dem tierischen Sektor deswegen von so weitreichender Bedeutung, weil wir hin sichtlich der Kuhzahl als auch des Gesamt rinderbestandes in Österreich mit Abstand an der Spitze liegen und unsere Landwirte einen Großteil ihres Einkommens aus der tierischen Produktion schöpfen. Aus dem statistischen Material der Viehzählungser gebnisse läßt sich auf dem Rindersektor eine Umstrukturierung in Oberösterreich herauslesen, welche in der von uns ge wünschten Richtung verläuft. Demnach nimmt der Gesamtrinderbestand kontinuierlich zu (1969; 658.414, 1970: 681.916, 1971: 699.795), der Kuhbestand hingegen weist eine rückläufige Tendenz auf. Betrug der Anteil der Kühe am Ge samtrinderbestand im Jahre 1950 noch 52,8, so verringerte er sich bis 1971 auf 43,0 Prozent. Ging der Abbau des Kuhbestandes zunächst noch etwas zö gernd vor sich (im Jahre 1970 — 0,3 Prozent Rückgang — Bundesdurchschnitt 1,4 Pro zent), so deuten nunmehr die letzten Vieh zählungsergebnisse vom 3. Dezember 1971 eher auf eine Beschleunigung des Abbau prozesses hin, wiewohl der Rückgang in diesem Jahr mit 1,04 Prozent noch immer unter dem Bundesdurchschnitt von 1,8 Pro zent lag. Mit einem Anteil von 28,64 Pro zent am gesamtösterreichischen Kuhbe stand scheint sich Oberösterreich zum Zent rum der Milcherzeugung zu entwickeln, zu mal der Abbau des Kuhbestandes in den östlichen und besonders in den alpinen Bundesländern durchwegs stärker ausfiel als bei uns. Im wesentlichen ist die Verringerung des Milchkuhbestandes auf die Abnahme der Rinderbesitzer zurückzuführen (1967 — 61.637, 1971 - 55.984). Ursache für die Aufgabe der Kuhhaltung ist ihre Arbeits aufwendigkeit, die hauptsächlich bei Ne benerwerbsbetrieben und Wirtschaften mit größerer Flächenausstattung ein fast un lösbares Problem darstellt. Daß gerade bei den Nebenerwerbsbetrieben ein empfind liches Abbröckeln des Kuhbestandes zu er warten ist, geht aus einer statistischen Un tersuchung über die Milchanlieferung her vor, derzufolge im Jahre 1971 51 Prozent aller oberösterreichischen Milchlieferanten mit einer jährlichen Anlieferungsmenge bis 10.000 kg mit Sicherheit als Nebenerwerbs betriebe eingestuft werden können. Das überreiche Arbeitsplatzangebot im Zentralraum begünstigt den Übergang zur Nebenerwerbslandwirtschaft und somit zu arbeitsextensiveren Betriebszweigen als der Milchwirtschaft. Ebenso scheidet im Acker baugebiet die Milchviehhaltung bei Betrie ben, die über ein ausreichendes Flächenaus maß verfügen, aus arbeitswirtschaftlichen Gründen mehr und mehr aus. Nach den letzten Viehzählungsergebnissen ist dem nach der Abbau des Kuhbestandes im Be zirk Linz mit 8,6 und Wels mit 5,4 Pro zent relativ am stärksten gewesen. Wie schon vorhin angedeutet wurde, geht der Kuhbestand zurück, während gleichzei tig die Gesamtrinderproduktion ansteigt, d. h. daß der Aufzucht von weiblichem und insbesondere von männlichem Jungvieh immer mehr Beachtung geschenkt wird. Folgende Tabelle erlaubt einen Überblick über diese Entwicklung in Oberösterreich: auf 100 Kühe entfielen Jungvieh Kalbinnen 1950 8,5 19,5 19,6 7,0 4,1 4,6 1960 16,0 18,9 20,3 5,0 10,8 1,3 1970 25,8 21,1 23,3 4,9 21,7 0,8 Die Kalbinnenaufzucht scheint in Ober österreich eine besonders gute Grundlage zu besitzen. Günstige Aufzuchtverhältnisse, besonders frühreife Rassen und gute Absatzeinrich tungen machen die Kalbinnenaufzucht zu einem typisch oberösterreichischen Er zeugungsschwerpunkt, wobei fast 50 Pro zent um den Absatzschwerpunkt Ried i. 1. liegen. Der Bestand an männlichem Jung vieh vergrößerte sich im Jahre 1971 um 8,8 Prozent. 39 Prozent des gesamtöster reichischen Zuwachses dieser Kategorie ge hen auf das Konto Oberösterreichs. Die Be standsaufstockung in der Kategorie männ licher Jungrinder bis zu einem Jahr hat sich in Oberösterreich ebenso wie in ganz Osterreich im Jahre 1971 gegenüber 1970 etwa um die Hälfte abgeschwächt. Waren es in Oberösterreich im Jahre 1970 noch 11,2, so 1971 nur mehr 6,1 Prozent. Hier wird ganz deutlich eine natür liche Barriere spürbar, welche den Umfang und die Möglichkeiten der Pro duktionsausweitung bei Rindfleisch ab grenzt und den Zusammenhang zwischen Milcherzeugung und Rindfleischproduktion nachdrücklich unterstreicht. Die Ursache für die sinkende Zuwachsrate bei männlichem Jungvieh dürfte in einem langsamen Er schöpfen des Reservoirs an aufzüchtwür digen Stierkälbern liegen. Innerhalb der einzelnen Bundesländer ist im Sinne der Produktionsteilung ein überregionaler Aus gleich bis zu einem bestimmten Grade möglich, aber gesamtösterreichisch gesehen sind die Grenzen der Rindfleischproduk tion klar erkennbar. Legt man bei 1,050.833 Kühen eine Abkalberrate von 90 Prozent zugrunde, so würden von 945.750 Kälber geburten bei einem ausgeglichenen Ge schlechtsverhältnis 472.874 Stierkälber an fallen. Mit 368.237 Stierkälbern werden immerhin schon 77,9 Prozent aufgezogen, während es im Vorjahr nur 72,5 waren. 1965 lag die Aufzuchtquote bei 57,3 Pro zent. Damit wird für die Auswei tung der Jungrindermast die abnehmende Kuhzahl zum begrenzenden Faktor. Einzig die Erhöhung der Abkalbquote und die Verringerung der Kälberschlachtungsrate könnten hier noch den Spielraum gering fügig erweitern. Die Stierkälbernachschaffung zur Rind fleischproduktion steht also betriebswirt schaftlich in einem untrennbaren Zusam menhang mit der Milchviehhaltung und Milcherzeugung. Es wäre daher absolut verfehlt, wollte man die Milchviehhaltung und die Rindfleischproduktion — also letzt lich auch das Preisgeschehen bei Milch und Rindfleisch — isoliert betrachten. Nach den letzten Viehzählungsergebnissen liegt Oberösterreich mit einem Durch schnittsbestand von 12,5 Rindern pro Be trieb über dem österreichischen Durch schnitt, der sich um 10,6 Rinder pro Be trieb eingependelt hat. Schwerpunkte in der Rinderhaltung lassen sich in Ober österreich in den Bezirken Ried und Brau nau herauslesen, wo durchschnittlich 15,9 Rinder pro Betrieb gehalten werden. In der Schweineproduktion nimmt Ober österreich mit einem Anteil von 25 Pro zent am gesamtösterreichischen Schweine bestand hinter Niederösterreich gleichfalls eine Spitzenposition ein. Die Erzeugungs schwerpunkte liegen naturgemäß im Ge treideanbaugebiet der Bezirke Wels, Gries kirchen, Kirchdorf und Perg sowie Linz. Noch immer sind die Schwankungen in der Produktion beträchtlich und spiegeln das gewohnte Bild des sogenannten Schweinezyklus wider. Gesamtschweinebestand in Oberösterreich: 1968 793.577 1969 834.556 1970 907.720 1971 788.788

Bekanntlich kommt der Schweinezyklus durch eine überscharfe Reaktion der Pro duzenten auf die Marktverhältnisse zu stande. Wie eine Analyse der Ferkelringe ergab, verhalten sich spezialisierte Betriebe unabhängig von der jeweiligen Marktsitua tion weitgehend produktionsstabil. Folg lich dürfte mit fortschreitender Speziali sierung auch auf dem Schweinesektor ein kontinuierlich fließendes Angebot zu er warten sein. Jedenfalls weist die rückläu fige Zahl der Schweinebesitzer bei annä hernd gleichem Tierbestand auf eine Auf stockung pro Betrieb hin. Zahl der Schweinebesitzer in Oö.: 1968 62.927 1971 55.982 Zusammenfassend darf ich folgendes fest halten : Das Schwergewicht der landwirtschaftli chen Erzeugung liegt in Oberösterreich auf grund der geografischen und klimatischen Gegebenheiten eindeutig auf der tierischen Produktion. Hier liegt, wenn wir alle Mög lichkeiten abwägen, unsere Stärke und zu gleich unsere Chance. Alle Direktiven zur Modernisierung und Weiterentwicklung der Landwirtschaft werden sich wohl oder übel an dieser grundlegenden Tatsache zu orientieren haben. Was unsere Bauern bis her auf dem Gebiete der tierischen Ver edelungswirtschaft geleistet und an Fort schritt erreicht haben, dafür sprechen wohl am besten die zahlreichen Preise, die ober österreichisches Qualitätsvieh auf interna tionalen Messen gegen schärfste auslän dische Konkurrenz errungen hat. Ober österreich ist stark exportorientiert, vor al lem in den EWG-Raum, weil die tieri sche Produktion bei weitem nicht auf dem heimischen Markt untergebracht werden kann. Richtschnur und Leitlinie für alle Bemühungen muß daher die internationale Konkurrenzfähigkeit bleiben. Wenngleich die Probleme, denen sich die Landwirt schaft auf nationaler und internationaler Ebene gegenübersieht, nicht gerade leicht sind, der Leistungswille und die Initiative unserer Bauern bieten die Gewähr, daß alle Schwierigkeiten so wie bisher auch in Hinkunft gemeistert werden können. s'Dichtn in da Bauernsprah' Heitere und besinnliche Gedichte in der Mundart Oberösterreichs HANS SCHATZDORFER HANS REINTHALER NORBERT HANRIEDER mm W.vy^A'XkV» OTTO JUNGMAIR Zeidige Zwötschkn Gedichte in der Innviertier Mundart 152 Seiten, Format 12,5 X 20 cm. Halb leinenband mit Schutzumschlag,S 90.— Märzngsang Gedichte in der Mundart des Hausruck viertels 68 Seiten, Kunstdruckhlatt mit Bild und Signet des Autors, Format 13 X 21 cm. Ganzleinen,S 45.— Mühlviertler Mahrl und andere Mundartdichtungen XV/ und 288 Seiten,9 Abbildungen,14 Lie der mit Noten, Ganzleinen,S SO.— Der oberösterreichische Bauernkriag Mundartliches Epos 176 Seiten, 1 Abbildung, Ganzleinen, S 55.- Unta da Lind'n 146 Seiten Text, Format 13,5 X 22 cm. Ganzleinen, S 55.— Stoan und Stern 102 Seifen, Format 13,5 X 22 cm, Ganz leinen,5 36 — Allerhand Kreuzköpf aus'n Landl 72 Seiten, Format 13 X 21 cm. Ganzleinen, S 45.— Die Zeichnungen wurden dem Band „Bauernherrlichkeit" von Max Kislinger entnommen OBERÖSTERREICHISCHER LANDESVERLAC LINZ

Josef Haunschmidt Historische Entwicklung der landwirtschaftlichen Genossenschaften in Oberösterreich Eine Darstellung der Entwicklung des land wirtschaftlichen Genossenschaftswesens in Oberösterreich zu geben ist nicht möglich, ohne des Mannes zu gedenken, der die Grundsätze für das landwirtschaftliche Ge nossenschaftswesen aufgestellt hat — Fried rich Wilhelm Raiffeisen —, geboren am 30. März 1818 in Hamm a. d. Sieg. Die Zeit, in die F. W. Raiffeisen hineingeboren wurde, war sehr bewegt. In Österreich kam es damals zur Durchführung und Voll endung eines der Ziele Josefs II., der Be freiung der Bauern von der drückenden Fron- und Robotleistung. Im Jahre 1848 wurde auf Antrag des 25jährigen Abgeord neten zum Reichstag in Wien Hans Kudlich die vollständige Befreiung der Bauern durchgesetzt. Der Bauer mußte nun neben der rein durchführenden Tätigkeit auch das für die Eandwirtschaft notwendige planende Wirtschaften übernehmen. F. W. Raiffeisen wurde im Alter von 27 Jahren zum Bürgermeister der Lands gemeinde Weyerbusch (Westerwald) be stellt und lernte hier aus direktem Erleben die Not der bäuerlichen Bevölkerung seiner Gemeinde kennen. Die christlich-sozialen Grundsätze, nach denen er handelte, durch ziehen wie ein roter Faden sein Lebens werk. Eine seiner ersten rasch eingeleiteten Hilfsmaßnahmen war die Schaffung von Arbeitsplätzen durch den Ausbau von Stra ßen, sowie den Neubau eines Schulhauses. Doch die Mißernte des Jahres 1846 zeigte, daß es am Allernotwendigsten, nämlich an Lebensmitteln, fehlte. Durch die Verteilung von Mehl und Brot an die hungernde Be völkerung versuchte Raiffeisen zu helfen. F. W. Raiffeisen bemühte sich anfangs, durch karitative Einrichtungen — wie den Brotverein von Weyerbusch und den Heddesdorfer Wohltätigkeitsverein — die ärg ste Not zu überwinden. Eine endgültige Besserung der sozialen Verhältnisse konnte er durch die genannten Einrichtungen je doch nicht erreichen. Raiffeisen stellte fest, daß mit Wohltätigkeit allein das Übel der Armut der Landbevölkerung nicht abzu schaffen war. Als Ursache der Not der bäuerlichen Bevölkerung erkannte Raiff eisen deren Kreditlosigkeit, sowie deren Ausbeutung durch wucherische Eeihgeschäfte. Aus dem Heddesdorfer Wohl tätigkeitsverein, der sich gegen den Wu cher beim Viehhandel richtete, ist schließlich der Anhausener Darlehenskassenverein hervorgegangen. Nach der Übernahme des Bürgermeisteramtes von Anhausen grün dete F. W. Raiffeisen auch hier im Jahre 1862 einen Wohltätigkeitsverein, aus dem später der erste Darlehenskassenverein her vorgegangen ist, dessen System die heuti gen Raiffeisenkassen entsprechen. Der Grundstein für die mächtige Organisation, die heute zum Wohl der Menschen die ganze Welt umspannt, war gelegt. Zweck dieser Vereine nach F. W. Raiff eisen war es, der Verelendung des Bauern standes dadurch entgegenzuwirken, daß den Bauern Geld zu einem tragbaren Zinssatz zur Verfügung gestellt wurde und es auf diese Weise dem Bauernstand möglich war, Altes und neues Geschäftsgebäude der Raiffeisenkasse Losenstein. — Foto des neuen Ge bäudes; M. Eiersebner ■1 M ||] ^

i I Modellfoto des in Bau befindlichen neuen Geschäftsgebäudes der Oö. Raiffeisen-Zentralkasse in Linz, Neuer Markt (Südbahnhofgelände) zu wirtschaften, ohne Gefahr zu laufen, auf Grund ihrer Insolvenz Haus und Hof ver steigern zu müssen. Bald nach ihrer Gründung in Deutschland wurden die Vereine nach F. W. Raiffeisen auch in Österreich bekannt und in den landwirtschaftlichen Fachblättern diskutiert. Zur Gründung von Darlehenskassenver einen kam es jedoch hierzulande noch nicht. Im Jahre 1873 wurde das Gesetz über die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften in Kraft gesetzt, das mit einigen Novellie rungen heute noch in Kraft ist. Im selben Jahr, in dem das Genossenschaftsgesetz be schlossen wurde, tagte in Wien der Agra rische Kongreß, der sich einstimmig dafür einsetzte, daß der österreichischen Land bevölkerung die Errichtung von Darlehens kassenvereinen nach dem System F. W. Raiffeisens sehr empfohlen werden sollte. Es blieb jedoch auch dieser Beschluß ohne unmittelbaren Erfolg. Erst auf Grund der wesentlichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse, im besonde ren einer steigenden Kreditnot, ergriff der oö. Landtag am 3. Oktober 1884 die Initia tive und beauftragte den Landesausschuß — die heutige Landesregierung —, Anträge zu stellen, wie man der zunehmenden Ver schuldung von Grund und Boden abhelfen könne. Vom Landesausschuß wurden u. a. als sogenannte „kleine Mittel" empfohlen, eine Organisation für den ländlichen Hypo thekarkredit zu schaffen und außerdem den ländlichen Personalkredit auf der Grund lage des Genossenschaftswesens zu inten sivieren. Der oberösterreichische Landesausschuß hat sodann, wie V. Kerbler, der Vater des Genossenschaftswesens in Oberösterreich, schreibt, „alsbald selbst Hand angelegt durch die Errichtung einer oö.Landes-Hypothekenanstalt und durch die Gründung von Vorschußkassenvereinen nach F. W. Raiff eisen." Von Seiten des Landesausschusses wurde aber nicht nur die Gründung der Vorschußkassenvereine angeregt, sondern man bemühte sich auch, die Mitarbeiter fachlich entsprechend auszubilden und ih nen hiedurch die Arbeit zu erleichtern. Da her ist es zu verstehen, daß der Landes ausschuß die Anwaltschaft und die Revision der genossenschaftlichen Organisation über nommen hatte. In seiner Eigenschaft als be ratendes Organ für die Genossenschaften nach F. W. Raiffeisen ließ der Landesaus schuß ein Musterstatut für die Vorschuß kassenvereine in Anlehnung an das Statut der ersten im heutigen Osterreich gegrün deten Raiffeisenkasse Mühldorf bei Spitz an der Donau — gegründet 1886 — ausarbei ten. Diese Satzung wurde vom oö. Landtag mit Sitzungsbeschluß vom 5. Oktober 1888 genehmigt. Als weitere Grundlage für die Führung der Vorschußkassenvereine wurde ferner über Veranlassung des oö. Landes ausschusses das Buch „Anleitung für die Geschäftsgebarung der Vorschußkassen vereine nach F. W. Raiffeisen in Ober österreich" aufgelegt. Mit Erlaß vom 19. Februar 1889 machte der oö. Landesausschuß sämtliche Gemeinde vorstehungen auf die neue Institution auf merksam. Gleichzeitig wurden die geist lichen und weltlichen Behörden zur Unter stützung der Aktion eingeladen. Als unmittelbarer Erfolg der Tätigkeit des Landesausschusses ist hier zu verzeichnen, daß bereits am 3. Februar 1889 in Weiß kirchen an der Traun der erste Vorschuß kassenverein nach F. W. Raiffeisen gegrün det werden konnte. Noch im gleichen Jahr wurden insgesamt 23 Vorschußkassenver eine gegründet, die heute noch bestehen. Kerbler stellte in diesem Zusammenhang fest, daß von einer weiteren propagandisti schen Tätigkeit abgesehen werden konnte, da die Erfolge für sich sprachen. Der Landesausschuß förderte die Errich tung von Vorschußkassenvereinen aber nicht nur durch die Erstellung der Satzun gen sowie durch Beratung, sondern stellte auch finanzielle Mittel zur Verfügung. Bei Gründung konnte ein Vorschußkassenver ein um ein Darlehen von 4000 Kronen, verzinslich zu 3 Prozent p.a. und außer dem um ein unverzinsliches Gründungs kostendarlehen per 200 Kronen ansuchen. Weiters machte es sich der oö. Landesaus schuß zur Aufgabe, bei allen Gründungs versammlungen durch Beamte vertreten zu sein. Die Information der Vorschußkassen vereine über alles Wissenswerte für den Geschäftsbetrieb erfolgte in eigenen Erläs sen. Gleichzeitig wurde in den Mitteilungen des oö. Landeskulturrates eine Rubrik „Raiffeisen-Zeitung" geführt, die ebenfalls der Information der Genossenschafter diente. Die im Jahre 1903 erschienene Bro schüre von V. Kerbler „Das landwirtschaft liche Genossenschaftswesen in Oberöster reich" konnte, wie der Verfasser selbst schreibt, „schon über eine hochentwickelte, völlig gesunde Organisation des Personal kredites in Oberösterreich" berichten. In Linz und in der Landes-Ackerbau- und Obstbauschule Ritzlhof wurden Instruk tionskurse abgehalten, die der Heranbil dung von Buch- und Kassenführern, wie die Geschäftsführer damals genannt wur den, dienten. Von den heute bestehenden Raiffeisenkassen wurden im Jahr 1889 23, 1890 13, 1891 zwei, 1892 23, 1893 24 Institute ge gründet. Diese rasche Entwicklung brachte es mit sich, daß der Landesausschuß sich sofort der Revision der Vorschußkassen widmen mußte. Die Vorschußkassen selbst haben sich freiwillig der Revision des Lan desausschusses unterworfen, ja sogar um eine jährliche Revision ersucht. Als ReviOberösterreichische Warenvermittlung, Misch futterwerk Wegscheid. — Foto: Westmüller

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