Oberösterreich, 21. Jahrgang, Heft 2, 1971

unserer Vorstellung zu Fleisch und Blut. Ehrfurcht vor der Natur und tiefes Gott vertrauen lenken die Schritte des jungen Wundarztes, der die Schlacht bei Aspern miterlebt, und tragen seine Familie, die in Wels seßhaft geworden ist. Die Arznei kunde wird sehr ernst genommen, doch ist sie noch eingefangen im Wunder der Schöp fung. Wir erleben den Alltag des Bieder meiers, die kleinen menschlichen Sorgen der Zeit, die kleinen Schwächen eines suchen den Menschen, der mit seiner Lust am Tan zen ein waschechter Oberösterreicher ist, dem der Vater die Lust am Kegeln austreiben muß. Wir erfahren aber auch von der „romantischen Medizin" dieser Tage, die vor dem Siegeslauf der Natur wissenschaften noch einmal den Atem anhält. Die Tagebuchblätter werden durch eine sorgfältige Bildauswahl verlebendigt. Litschels kleine Studie „Carl Rabl und die Stadt Wels im Biedermeier" gibt einen vor züglich gezeichneten lokalgeschichtlichen Hintergrund. In der Biibliothek des Instittuts für Geschichte der Medizin in Wien wird dieses Buch einen besonderen Platz einnehmen, ebenso in vielen ärztlichen Fachbüchereien und im landeskundlichen Schrifttum Oberösterreichs. Rudolf Fochler: Von Neujahr bis Silvester, Volkstümliche Termine in Oberösterreich. — Linz: Oberösterreichischer Landesverlag 1971, 252 Seiten, 43 Abb. schwarzweiß, 13 Zeichnungen, Ladenpreis 5 80.— In seiner Serie oberösterreichischer Wander bücher ist dem Oö. Landesverlag mit der volkskundlichen Publikation Rudolf Fochlers ein ganz neuer Typus gelungen. Zum erstenmal wird die Volkskunde eines Lan des bewußt in den modernen Tourismus eingebaut. Wie in bekannter Art zu Natur schönheiten, Kunstschätzen, auf Berge und Skipisten geführt wird, gibt Fochler seinen Lesern praktische Hinweise zu volkskund lichen Ausflugszielen. Dabei bleibt dankens werterweise die von der Fremdenverkehrs wirtschaft gezüchtete Folklore unbeachtet, zur Behandlung und Darstellung kommt nur echtes Brauchtum. Der Autor vermeidet aber in ebenso erfreulicher Weise den lehr haften Ton der Fachwissenschaft, die aus dem Volkstum ein antiquiertes Museum machen will. Er bezieht seinen Standort in der Gegenwart und schreibt für allgemeine Bedürfnisse. In Kalenderform wird dem Leser vom Jänner bis Dezember mitgeteilt, welche Volksfeste, die noch lebendig sind, im Lande erlebt werden können und an welchen Orten am besten diese Erlebnisse möglich sind. Dabei wird besonderer Wert auf die Darstellung neuen Brauchtums ge legt, wie Totengedenkfeiern der Heimat vertriebenen, Landesfeiertage, Muttertags feiern, Welttierschutztag, Tiersegnung in Linz, Autoweihen etc. Wo es in unserer Gegenwart Erneuerungen gibt, wie bei den Seitelpfeifern, den Schützenmählern und Sternsingern, wird darauf mit Bedacht ein gegangen. In der Schilderung der Feste geht der Autor vom heutigen Sachverhalt aus, weist auf die gegenwärtige Problematik hin wie zum Beispiel bei den Erntedankfesten in der mechanisierten Landwirtschaft, versteht sich jedoch geschickt auch auf die fachlich volks kundliche Einführung bis zur mythologi schen Deutung alten Brauchtums. Mit Hilfe dieses Büchleins kann der Aus flügler und Urlauber in unserem Heimat land nun bequem sein Reiseprogramm er gänzen. Er wird liebevoll in den Reichtum unserer volkhaften Überlieferung ein geführt. Vor allem wird ihm bewußt ge macht, daß Brauchtum nicht Museums gut,sondern durchaus lebensnah ist. Franz Tumler: Das Land Südtirol. Men schen, Landschaft, Geschichte. — München: Piper-Verlag 1971, 490 Seiten, 2 Vorsatz karten,Zeittafeln,Ladenpreis S 212.80 Wir haben in Oberösterreich alle Ursache, uns ständig Franz Tumlers zu erinnern. Seine Mutter war Innviertlerin, heiratete einen Südtiroler Professor und ihr Sohn Franz wurde am 16. Jänner 1912 in Gries bei Bozen geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters kam die Familie nach Oberöster reich; Franz Tumler studierte in Linz, er lebte seine Jugendtage in Stadl-Paura und ergriff den Lehrberuf. Sein literarischer Erstling „Das Tal von Lausa und Duron" entstand, wie viele spätere Bücher, in der ländlichen Abgeschiedenheit eines ober österreichischen Schulortes, behandelte aber ein Schicksal aus der fernen ladinischen Heimat. Diese Familienbindung an Südtirol ist dem Dichter erhalten geblieben und in ihm offensichtlich immer stärker geworden. Schönstes Denkmal dieser schicksalhaften inneren Verbindung ist nun sein groß an gelegtes Werk über Südtirol. Es ist kein Roman, sondern ein von einem Dichter ge schriebenes Sachbuch. Tumler hat sich äußerst intensiv mit dem Thema beschäf tigt, für Geographie, Geschichte, Volks kunde und Sprachkunde Südtirols viele er reichbaren Quellen herangezogen. Es ist ein wichtiges und notwendiges Buch über Südtirol. Franz Tumler hat sich frei gemacht von Heimatschwärmerei. Gerade weil er seine Väterheimat mit allen Fasern seines Herzens liebt, will er gerecht sein. So reinigt er das Bild Südtirols von romanti scher Lüge und nationalistischer Verketze rung. Nirgends genügt ihm die Darstellung der schönen und glatten Oberfläche, überall will er in die Tiefe eindringen. Dieses Prin zip hält er sogar bei, wo er die Schönheiten der Landschaft darstellt. Ihm genügt nicht ein Lobpreis, sondern er spricht von der Kargheit des Bergbauernbodens. Ebenso be handelt er die historischen Kapitel. Süd tirol wird in seiner tragischen Grenzlage charakterisiert. Dabei kommt Tumler zu sehr ernüchternden Bildern. Jeder lese z. B. das Kapitel„Wie Kriege zu Ende gehen"! Besondere Neigung erweist der Autor für die Sprachkunde, vor allem für das Ladinische. Hier scheint überhaupt der Schlüs sel zum Verständnis seines Buches zu lie gen, nämlich Südtirol in seinem Urgrund, in seinen Wurzeln zu erfassen. Wir glauben, daß dieses Buch zur rechten Zeit erschienen ist, um gerade in Öster reich das Problem Südtirol wieder auf den Boden der Realitäten zu stellen, es zu be freien von dem Schutt, den nationale Lei denschaften hüben wie drüben zurückgelas sen haben. Justus Schmidt: Johann Kepler. Sein Leben in Bildern und eigenen Berichten. — Linz: Rudolf-Trauner-Verlag 1970,308 Seiten mit 166 Abbildungen zum Teil farbig, Laden preis S 290.— Das Jahr 1971 stand im Zeichen des 400. Geburtstages von Johannes Kepler. Bereits am Vorabend der Festivitäten legte der rührige Verlag Trauner in Linz, einer der Keplerstädte, eine großzügig gestaltete Bildbiographie über den berühmten Ge lehrten vor. Autor ist nicht ein Naturwis senschafter, sondern der um die ober österreichische Kulturgeschichte so verdiente Historiker Justus Schmidt. Er konnte die Vollendung seines Werkes nicht erleben. Der Tod beendete viel zu früh ein Forscher leben, das ganz der Universalität des Gei stes verschrieben war. Fein Kollege Hanns Kreczi, seit Jahrzehnten selbst intensiv mit Kepler beschäftigt, besorgte die End redaktion. Nachdem nun das Keplerjähr ausgeklungen ist, kann Justus Schmiidt und seinem Verlag bescheinigt werden, daß ihr Keplerbuch wohl das bedeutendste Ergebnis dieses Gedenkjahrs ist. Die Naturwissenschaften konnten dem Keplerbild nichts Neues hin zufügen. Es ist Keplers nachgeborenen Kol legen rücht gelungen, sein gigantisches ma thematisches Lebenswerk allgemein ver ständlich zu machen oder gar in die heutige Wissenschaftslehre weiterführend einzu bauen. Dafür hat Justus Schmidt das Bild des großen Denkers vertieft, dem Mathe matik und Philosophie eine Einheit waren, dem es im wahrsten Sinne des Wortes um die Erkenntnis der Weltharmonik gegangen ist. Das Werk ist nach den Stationen in Kep lers Leben gegliedert: Heimat in Württem berg (Weil der Stadt, Leonberg, Ellmendin gen, Adelberg, Maulbronn und Tübingen 1571/Anfang 1594, Graz 1594—1600,Prag 1600—1612, Linz 1612—1626 und UlmSagan 1626—1630. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf den gewissenhaft aus gewählten Bildern, deren Beschriftungen das ganze Leben dieses unruhigen Geistes nahe bringen. Im Schauen und Lesen er steht ein eindrucksvolles Keplerbild, bezo gen auf unsere Zeit, nachgefühlt von einem 72

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2