Oberösterreich, 21. Jahrgang, Heft 2, 1971

Diese Meinungsänderung kam allerdings nicht von ungefähr: Daniel Hitzler war ein Verfolgter und blieb ein Verfolgter und war deshalb gezwungen, sich an einfluß reiche Gönner zu halten. Die Gönner stammten alle aus dem Adel, und zu ihm hatte Johannes Kepler Zutritt. Er kannte Georg Erasmus Tschernembl — den kleinen König von Oberösterreich — gleichermaßen wie Hans Wilhelm Zelking, die Brüder Hohenfelder, Gundacker Polheim, Erasmus von Starhemberg und Helmhart Jörger. Sol che Beziehungen schufen eine gewisse Si cherheit, zumindest solange der Kaiser dem Treiben der protestantischen Adeligen ge duldig zusah. Kepler ließ auch nichts un genützt, um seine Verbindungen zum ober österreichischen Landadel spielen zu lassen, und es ist in diesem Zusammenhang er wähnenswert, daß Keplers zweite Frau — Susanne Reuttinger, Bürgerstochter aus Eferding — im Mädchenheim des Erasmus von Starhemberg und seiner Gattin Elisa beth, einer geborenen Weißenwolff, erzo gen wurde. Kepler wußte ganz genau, wie man sich in dieser schweren Zeit zu verhal ten hatte, überdies war er auf politischem und konfessionellem Terrain sehr tolerant. Dafür zeugen seine Beziehungen zu den Linzer Jesuiten und zum Stift Kremsmün ster und nicht zuletzt die Taufe seines Soh nes Hildebert nach katholischem Ritus am 8. April 1625. Wie sehr sich Johannes Kepler seinen Kol legen an der Landschaftsschule anschloß, läßt sich schwer darstellen. Mit etlichen mag er auch privat verkehrt haben, so mit Rektor Konrad Rauschart und mit dem Präzeptor Magister Daniel. Eine menschlich besonders harmonisch anmutende Bindung hatte Johannes Kepler zu seinem Assisten ten und Famulus Jean Gringallet. Gringallet stammte aus Genf, wo er 1591 als Sohn eines Münzmeisters geboren worden war, studierte in Straßburg und kam über den Humanisten Bernegger mit Kepler in Kon takt. 1617 traf Gringallet in Linz ein, ein unbekannter junger Mann, doch Kepler er kannte sofort seine Fähigkeiten als Mathe matiker und behandelte ihn wie einen Sohn. Im Februar 1619 schreibt Kepler: „Bei mir ist Jean Gringallet, ein fleißiger Rechner, der die gesamte Mathematik be herrscht, der in meiner Wohnung das Ephemeridenwerk auf viele Jahre berechnen könnte. Aber da ich von den Kaiserlichen verlassen bin und ihn nicht zu entschädigen vermag, so bin ich nicht sicher, daß er noch länger hier bleiben kann." Und Jean Gringallet blieb auch nicht län ger, er wurde Soldat, was im Dreißigjähri gen Krieg nur allzu leicht ankam, aber be reits im Dezember 1619 war Gringallet wie der in Linz bei Kepler und beobachtete mit seinem Lehrmeister eine Mondfinsternis. Leider war Gringallet — der sich mit Kepler immer verbunden fühlte und für ihn ver schiedene Geschäfte erledigte — kein langes Leben beschieden: er starb — kaum dreißig Jahre alt — an einer unheilbaren Krankheit. Kepler erinnerte sich seiner noch oft und bezeichnete Gringallet als „einen Gehilfen von überdurchschnittlichen Qualitäten". Doch Jean Gringallet war nicht der einzige Schweizer, mit dem Johannes Kepler wäh rend seiner Linzer Zeit zu tun hatte. Er stand auch mit Faul Guldin in Verbindung — aus St. Gallen stammend — und mit dem Thurgauer Konrad Dasypodius, dessen Publikationen Kepler sehr schätzte. We sentlich in diesem Zusammenhang erschei nen darüber hinaus die Besuche des Briten Henry Wotton und des Historikers Mat thias Bernegger. Durch Wotton gelangte Kepler zu Francis Bacon,dem Begründer der Methodik der neueren Naturwissenschaft, und damit zu einem Mann, dem er aus verschiedenen Gründen zugetan war. Außerdem empfahl Sir Wotton Kepler eine Englandreise, aber der Gelehrte stellte sich Fragen:„Soll ich über das Meer gehen? Ich, ein Deutscher? Ich, der ich das Festland liebe und vor den engen Grenzen einer Insel zurückschrecke/ deren Gefahren ich im voraus empfinde?" Kepler folgte Wottons Einladung nicht, aber er war ihm dankbar. eine Verbindung mit Bacon hergestellt zu haben. Die Bekanntschaft mit dem aus Hallstatt gebürtigen Matthias Bernegger ging auf Keplers Landsmann Johann Memhart — „gewesenem Rektor der Landschaftsschule" — zurück. Bernegger — Professor für Ge schichte in Straßburg — unterhielt einen regen Briefwechsel mit den Großen seiner Zeit, nahm sich der jungen deutschen Lite ratur an — so gilt er mit Recht vor allem als ein Förderer von Martin Opitz — und war selbst schriftstellerisch tätig. Mit Jo hannes Kepler traf Bernegger am 17. Juli 1612 in Linz zusammen, wobei es sich herausgestellt haben mag, daß beide Ge lehrte hinsichtlich der Glaubensfragen einer Meinung waren und harte Fronten zwischen den christlichen Konfessionen ver urteilten. Wie sehr sich Bernegger um die ses damals höchst aktuelle und entschei dende Problem — von dem das Schicksal des Abendlandes abhing — annahm, be weist seine „Tuba pacis", die sicherlich von Kepler inspiriert wurde. Johannes Kepler und sein Linzer Freundes kreis: er war — nimmt man alles in allem und versucht zu konkretisieren — klein, es gab keine Festivitäten, keine großen Ge sten, man beschränkte sich auf Begegnun gen, auf Gespräche und Diskussionen zu zweit, zu dritt. Die Zeit war zu ernst, zu bedrohlich, als daß man sich wirklich ent falten konnte, man mußte sich — vorwie gend als die Gegenreformation einsetzte — zurückhalten, Grenzen anerkennen und be achten. Trotzdem kann man feststellen, daß Kepler und sein Linzer Freundeskreis eine Gelehrtenrunde darstellte, die lange keine Nachfolge fand. Als sich Kepler von Linz nach Ulm und endlich nach Sagan wandte, um in die Dienste Wallensteins zu treten, erlosch in der oberösterreichischen Landes hauptstadt ein Licht, das für viele Jahr zehnte niemand mehr anzufachen ver mochte, das aber hell genug war, um zu glänzen und den Namen „Linz" in die Ge schichte der Wissenschaft eingehen zu lassen. österreichische Q.iAd'itätsschre'ilomren HARDTMUTH BLEISTIFTFABRIKEN 62

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