Oberösterreich, 21. Jahrgang, Heft 2, 1971

sehen Herzöge erzogen sei, beständig ver harren und bei der christlichen Einfalt in Religionssachen bleiben, die subtile und häßliche Fragen zurückweist. Auch eine Reise nach Tübingen 1617, Disputationen und Briefwechsel mit der Fakultät und sei nem Lehrer Hafenreffer blieben erfolglos. Kepler verfaßt 1617 für seine „Kinder, Hausgesind und Angehörige" eine Schrift über das Abendmahl „Unterricht vom h. Sacrament des Leibs und Bluts Jesu Christi unsers Erlösers". Das ist für den kaiserlichen Hofmathematiker und Fortset zer der Beobachtungen Tycho de Brahes, den im weltlichen Beruf stehenden Ent decker der Gesetze der Planetenumlaufbah nen und Theologen Johannes Kepler cha rakteristisch. Ihm geht es in der Astrono mie wie im Glaubensleben um die ganze Wahrheit. Wie er sich nicht um die acht winzigen Bogenminuten Differenz zwischen seiner ersten Mars-Theorie und den Er gebnissen Tychos herummogelte, sondern sich vor der Gewalt der Wahrheit beugte und so das Tor zu ungeahnten neuen Er kenntnissen auftat, konnte er auch im Reli giösen nur der von ihm anerkannten Wahr heit die Ehre geben. So standen in Kepler und Hitzler Wahrheit gegen Wahrheit. Es kam allerdings nicht zu einer Eruption; die Angelegenheit blieb nahezu privat und en dete in einer Art österreichisch vermitteln den Lösung. Kepler reiste zum Abend mahl jeweils nach Schwertberg zum Seel sorger des Freiherrn von Tschernembl, der sich der Entscheidung Hitzlers nicht an geschlossen hatte. Auf Besuch in Frag emp fing er es auch einmal in der dortigen luthe rischen Pfarrkirche St. Salvator. Mit Hitzler selbst gab es offenbar keinen persönlichen Gegensatz; jedenfalls kann man nicht von einer Verfolgung sprechen, die Kepler des halb betroffen hätte. Man achtete sich in brüderlicher Haltung sowohl in Worten wie im Tun, war auch im täglichen Kontakt des Schulbetriebes an der Landschaftsschule aneinandergewiesen. Der Gegensatz der beiden bedeutenden schwäbischen Männer auf österreichischem Boden war auch hervorgerufen durch die Besorgnis, es könnte die Auffassung Keplers sich zu sehr dem Calvinismus nähern, der noch nicht im gleichen rechtlichen Schutz des Augsburgischen Religionsfrie dens stand wie das Luthertum. Das war für den österreichischen Protestantismus ge radezu eine Lebensfrage. Insofern mag es beinahe als eine Ironie des Schicksals gel ten, daß Hitzler das Bündnis der Land stände mit den böhmischen Aufständischen vom August 1619 im Landhaus mit einem Tedeum feierte, die doch zur gleichen Zeit den calvinistischen Friedrich von der Pfalz zum König von Böhmen erhoben. Damit nahm aber auch die für den Protestantis mus in Oberösterreich so unheilvolle Ent wicklung ihren Anfang. Ihr fielen zuerst Hitzler und dann Kepler zum Opfer. Hitz ler war beim bayrischen Statthalter Graf Herberstorf in den Verdacht geraten, ein Calvinist zu sein und war 1621 mehr als ein halbes Jahr in Haft, dann zwar frei gelassen, aber unter Verbot aller amt lichen Tätigkeit, bis 1624 der Ausweisungs befehl Ferdinands II. alle evangelischen Prädikanten traf. Eine Überlieferung be sagt, daß Hitzler eine Zeitlang bei Kepler Zuflucht gefunden habe. Kepler selbst erging es zunächst wie seiner zeit in Graz. Ihn traf noch keine Verfol gung. Aber bei der Belagerung von Linz durch die aufständischen Bauern wurde auch die Buchdruckerei Hans Planks durch Feuer zerstört, der Keplers wichtigster Hel fer bei der Herausgabe der Rudolfinischen Tafeln war. Damit war der Abschluß seines Lebenswerkes gefährdet, auch wenn er der schon am 10. Oktober 1625 angeordneten Entlassung aller protestantischen ständi schen Beamten entgangen war. Am 8. August 1626, als durch den Aufmarsch der Entsatztruppen der Belagerungsring der Bauern rund um Linz schon gefährdet war, erhielt Kepler einen Geleitbrief der Hof kanzlei. Der Abschied aus Linz fand erst Ende November 1626 statt. Mit Frau und Kindern, allen Büchern und Hausrat über siedelte er nach Regensburg,dem Zufluchts ort der Evangelischen Österreichs in langen Jahrhunderten. Seine Familie fand dort Un terkunft, er selbst brachte in Ulm die Her ausgabe der Rudolfinischen Tafeln 1627 zum Abschluß. „Von diesen übersandte er die jeweiligen Druckexemplare auch an Daniel Hitzler, der als evangelischer Abt in Bebenhausen in Schwaben Aufnahme ge funden hatte; ein Zeichen nicht nur für die auch ins Gebiet der Mathematik reichenden Interessen Hitzlers, sondern auch für ein persönliches Band zwischen den beiden Männern, die einander um der Wahrheit willen hatten widerstehen müssen." Ange sichts der Zerschlagung des evangelischen Kirchenwesens durch die Gegenreformation und der ungeheuerlichen Verwüstung Ober österreichs durch den Bauernkrieg von 1626 mag man die Behandlung Keplers als nahezu als die eines einzigartigen Privile gierten empfinden. Dennoch muß die Kraft des Geistes und der Konzentration bewun dert werden, mit der er unter allen Unbil den der Zeitgeschichte sein Werk fort führte. Im Spätherbst 1630 finden wir Kepler nach vergeblichem Bemühen, eine neue ständige Anstellung zu finden und seine Gehalts ansprüche aus früheren Jahren durchzuset zen, wiederum in Regensburg, jetzt aber abgespannt und einem Fieber nicht mehr gewachsen. Die lutherischen Prediger der Stadt suchen ihn am Krankenlager auf und reichen ihm das Sakrament. Sie berichten die letzten Worte des Sterbenden auf ihre Fragen nach seiner Hoffnung auf Erlösung: „Einzig und allein auf das Verdienst unse res Erlösers Jesus Christus; in ihm ist alle Zuflucht und all mein Trost und Heil be gründet." Am 15. November 1630 erlag er der Krankheit und wurde auf dem Friedhof St. Peter begraben, neben, nach und vor so vielen Exulanten aus Österreich, die dort ihre Ruhestätte fanden. Mag man den Be richt über seine letzten Worte vor dem Tod als geprägte Katechismussentenzen des einstmaligen Theologen aus Tübingen be zeichnen; auf der Höhe seines Lebens in Linz hat er sein Hauptwerk „Harmonices mundi libri V" 1619 mit einem Dankgebet beschlossen, in dem sich seine durch den täglichen Umgang mit den mathematischen und astronomischen Elementen geprägte persönliche Frömmigkeit widerspiegelt: „Der Du in uns durch das Licht der Natur das Verlangen nach dem Licht Deiner Gnade weckst, um uns hinüberzuführen zu dem Licht Deiner Herrlichkeit: Ich sage Dir Dank, Herr und Schöpfer, daß Du mir die Freude an Deiner Schöpfung und das Ent zücken über die Werke Deiner Hände ge schenkt hast. Ich habe Deinen Ruhm ver kündigt und vollendet das Werk meines Berufs nach dem Maß der Kräfte, das Du mir verliehen hast. Ich habe die Herrlich keit Deiner Werke den Menschen kund getan, soviel mein endlicher Geist von Dei ner Unendlichkeit fassen konnte. Wenn ich das Weltall betrachte, ist es mir, als wenn ich Dich mit meinen Händen griffe. Habe ich aber etwas vorgebracht, was Deiner Weisheit nicht würdig ist, so vergib mir Wurm und sei nachsichtig, wenn ich, erfüllt von der Bewunderung für Deine Werke, auf meine Arbeiten stolz geworden bin und den Menschen gegenüber meine eigene Ehre nicht vergessen habe." Literatur: Jörg Erb, Die Wolke der Zeugen, Band II, S. 326 ff., lohannes-Stauda-Verlag, Kassel, 1954; Wilhelm Schmidt, Unbefangenes Christentum, S. 11 ff., Claudius-Verlag, München,1968; Grete Mecenseffy, Geschichte des Protestantis mus in Österreich, Hermann-Böhiau-Veriag, Graz-Köln,1956,5. 144 ff. Johannes Kepler — Werk und Leistung, Aus stellungskatalog Linz 1971, Beiträge von Georg Wacha und Jürgen Hübner; Ludwig Rumpl, Die Linzer Prädikanten und evangelischen Pfarrer, Historisches Jahrbuch der Stadt Linz,1969. 60

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