Oberösterreich, 21. Jahrgang, Heft 2, 1971

ders dem Druck der „Rudolfinischen Ta feln", widmen können. Selbst der oft zu Unrecht als Protestantenhasser geschilderte Statthalter Graf Herberstorff protegierte ihn. Kepler bestätigt dies mit den Zeilen „...die billige Denkungsart unseres Präsi denten, des Grafen Herberstorff, erreichte es, daß die (Gegen-)Reformationskommis sion mir die Erlaubnis gab, bis zur Voll endung meines Werkes geeignete Leute anzustellen, ohne Rücksicht auf ihr religiö ses Bekenntnis". Dennoch kam es nicht zur Drucklegung der Rudolfinischen Tafeln in Linz. Während der Bauernbelagerung brannte die Druckerei Plank ab: glücklicher weise konnten Manuskript und Lettern material gerettet werden. An die Heraus gabe der Rudolfinischen Tafeln war nicht mehr zu denken. Über Keplers Bitten fer tigte die Hofkanzlei am 8. August 1626 einen Geleitbrief aus. Der Astronom konnte mit Frau und Kindern, mit Büchern % und Hausrat, mit Manuskript und dem eigenen Letternmaterial Linz verlassen. Seine Familie brachte er in Regensburg unter; er selbst reiste nach Ulm weiter, um dort das Tafelwerk drucken zu lassen. Der Versuch, Keplers in Linz entstandene Werke aufzuzählen und zu charakterisie ren, stößt auf erhebliche Schwierigkeiten. Kepler war ein sehr unruhiger Geist. Lr begann eine Arbeit in der einen Stadt, griff in einer zweiten wieder darauf zurück und vollendete sie in einer dritten. Kepler war ständig unterwegs, auch wenn er einen re lativ festen Wohnsitz hatte. Walter Gerlach schreibt: „Bedenkt man,daß er nur 59 Jahre alt wurde, zweimal verheiratet war und zwölf Kinder hatte, daß er 80 Bücher ver öffentlichte, Hunderte von Briefen schrieb, mühsamste Forschungen anstellte, dem Kai ser wie seinen anderen Vorgesetzten jeder zeit zu Diensten verpflichtet war, dann fragt man sich, woher er eigentlich die Zeit nahm, Entfernungen zurückzulegen, die vom westlichen Mömpelgard bis nach Kunstadt in Mähren, von Frankfurt im Norden bis in die südöstlichste Ecke des Reichs, nach Graz,reichten." Dabei betrug die durchschnittliche Reise geschwindigkeit selbst mit Eilpost oder zu Pferd nur rund zehn Stundenkilometer. Um den Rahmen dieses Aufsatzes nicht zu sprengen, muß eine Auswahl getroffen werden. Unberücksichtigt muß dabei die umfangreiche Korrespondenz bleiben, die von Linz aus im Zusammenhang mit dem Hexenprozeß seiner Mutter, mit den kirch lichen Stellen wegen seiner Exkommunika tion, mit den Landständen wegen des Kar tenwerkes, mit dem Kaiser wegen der aus ständigen Zahlungen usw. geführt wurde. Als eines der Kriterien für die Aufnahme der Keplerschen Arbeiten in diese natur gemäß unvollständige Aufzählung mögen die in der „Bibliographia Kepleriana" an geführten Jahreszahlen gelten, die in die Zeit von Keplers Linzer Aufenthalt fallen. Als Begrüßung des neuen Königs Matthias und gleichsam als Abschied vom Hof in Prag erschienen unter der Jahreszahl 1612 einige Gedichte Keplers mit sehr deutlichen Himveisen auf seine finanziellen Forderun gen an die kaiserliche Schatulle. „Antrag im Namen der Bedürftigen. Da es den Frieden erlangt, hat Ungarn gereicht dir die Krone, Deinem Sinn nach geeint, wurde Österreich dein. Da die Feinde verjagt, bekamst du das Szepter zum Lohne, Markomannen beherrscht es und das böhmische Land. Wirst du nun reichen den Sold, seit hundert Monaten schuldig, Dienern des Kaisers,alsdann Kaiser wirst selber du sein." Wissenschaftlich steht Kepler zu Anfang seines Linzer Aufenthaltes in ausführlichen 38

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